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Bericht: Deutsche Autobauer unter Kartellverdacht

21.07.2017 16:36 Uhr
Bericht: Deutsche Autobauer unter Kartellverdacht
Große deutsche Autobauer stehen laut Medienbericht unter Kartellverdacht.
© Foto: VW

Dieselskandal, Abgasbetrug, Milliarden-Entschädigungen in den USA - war das alles am Ende nur die Spitze des Eisbergs? Laut "Spiegel" werden gegen die deutsche Autobranche massive Kartellvorwürfe erhoben. Es geht auch nicht mehr nur um Volkswagen.

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Von Thomas Strünkelnberg und Jan Petermann/dpa

In der Autoindustrie könnte sich der nächste Skandal anbahnen. Laut "Spiegel" haben Konzerne über Jahre hinweg Absprachen im Geheimen getroffen und Kunden geschädigt. Die Firmen hüllen sich in Schweigen. Was bedeutet das nun für die Bewältigung der Dieselkrise?

Der Verdacht geheimer Absprachen deutscher Autobauer zum Schaden von Verbrauchern und Zulieferern überschattet die Debatte über die Zukunft des Diesels. Politiker und Branchenbeobachter reagierten am Wochenende alarmiert auf einen "Spiegel"-Bericht, demzufolge Vertreter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler sich schon seit den 90er Jahren gemeinsam über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben sollen.

Trifft dies zu, steht illegales Kartellverhalten im Raum. So könnten etwa Preise künstlich hoch gehalten werden. Die Unternehmen wollten sich zu den Vorwürfen bisher nicht näher äußern, Daimler und BMW sprachen von "Spekulationen". Der "Spiegel" stützte seine Darstellung auf einen Schriftsatz, den Volkswagen auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbshütern eingereicht haben soll. Daimler habe ebenfalls eine "Art Selbstanzeige" hinterlegt.

Das Bundeskartellamt erklärte mit Blick auf den Bericht: "Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren." Die EU-Kommission in Brüssel sagte der Deutschen Presse-Agentur zu dem angeblichen VW-Schriftsatz: "Zu diesem Thema geben wir keine Stellungnahme ab."

Absprache bei AdBlue-Tanks?

Der Vorwurf wiegt schwer. Mehr als 200 Mitarbeiter der Autobauer sollen sich seit den 90er Jahren in geheimen Arbeitskreisen abgestimmt und auf diese Weise den Wettbewerb behindert haben. Auch für die weitere Aufarbeitung des Abgas-Skandals bei VW und die Debatte um die Zukunft des Diesels allgemein drohen die Recherchen zu einer Belastung zu werden. Denn bei den angeblichen Absprachen soll es unter anderem um die Technik zur Reinigung von Diesel-Abgasen gegangen sein –und um die Festlegung auf kleinere, aber billigere Tanks für das Mittel AdBlue. Dies ist eine Substanz, mit deren Hilfe gefährliche Stickoxide in Wasser und Stickstoff aufgespalten werden.

Unabhängig von der noch fehlenden Bestätigung für den genauen Inhalt der Ermittlungen gab es bereits heftige Kritik an den Autobauern. Der Linken-Politiker und Ex-Leiter des Abgas-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Herbert Behrens, sagte: "Sollten sich die Meldungen zu Absprachen bestätigen, hätten die betreffenden Konzerne damit nicht nur die Zulieferer geschädigt, sondern auch ihre Kunden und vor allem die Gesundheit der in Innenstädten lebenden Menschen." Er bekräftigte seine Kritik an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dem auch die Grünen einen zu laschen Umgang mit der Industrie vorwerfen.

Dobrindt meinte zu dem Verdacht: "Kartellrechtliche Absprachen wären eine zusätzliche Belastung für die Thematik, die wir gerade mit der Automobilindustrie haben. Die Kartellbehörden müssen ermitteln, die Vorwürfe detailliert untersuchen und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen ziehen." Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte schnellstmögliche Aufklärung. "Was schiefgelaufen ist, muss aufgeklärt werden", sagte er am Samstag. Das Thema erschwere die Gespräche mit der Autoindustrie zur Reduzierung von Dieselabgasen.

"Das wäre der Super-GAU"

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält den Kartellverdacht für eine bedrohliche Entwicklung. "Es ist so, dass sich Autobauer und Ingenieure natürlich immer austauschen über Technologien", sagte der Professor der Universität Duisburg-Essen der dpa. Wenn aber etwa vereinbart werde, das Verhalten bei Grenzwerten zu Umweltauflagen abzustimmen, wäre das für die deutsche Autoindustrie, "aber auch für die Politik in Berlin und in Brüssel der Super-GAU, ein Erdrutsch".

Laut "Handelsblatt" findet sich unter den von der Staatsanwaltschaft München II bei Durchsuchungen im VW-Konzern, in Wohnungen und bei der US-Kanzlei Jones Day beschlagnahmten Unterlagen eine Präsentation von Audi namens "Clean Diesel Strategie". Darin sei 2010 von einem "Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene" die Rede. Es betreffe den Einbau kleinerer AdBlue-Tanks.

Konkreter Hintergrund der neuen Vorwürfe sind dem "Spiegel" zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen. Das Kartellamt hatte im Sommer 2016 Büros von Autobauern und Zulieferern durchsucht.

Kartellverfahren haben zu Millionenstrafen in verschiedenen Branchen geführt. Zementhersteller, Brauereien oder Wurstfabrikanten wurden zur Kasse gebeten. Auch die Autobranche stand schon im Fokus. Der Ex-Chef der Monopolkomission, Justus Haucap, erwartet für den Fall eines großen Autokartells hohe Bußen. Der "Welt" sagte er, damit sei "auch wegen des sehr langen Zeitraums von rund 20 Jahren" zu rechnen.

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KOMMENTARE


Helmut Teissl

21.07.2017 - 21:38 Uhr

Die ach so regelwerkversessenen und ihren Vertriebsorganisationen die hohe Ethik vorhaltenden Hersteller haben sich noch nicht geäußert? Klar, da wird jetzt um Sprachrelegungen gerungen! Wetten, daß eine der ersten, die breite Öffentlichkeit anästhesierenden Aussagen die Standardfloskel sein wird, "man kooperiere vollumfänglich mit den Behörden"?Jedem Mitarbeiter in den Vertriebsorganisationen werden neben großteils sinnvollen Complianceregeln auch überzogene aufgedrückt, so daß jede Kundeneinladung zum Abendessen bereits einen Regelverstoss und damit eine Vertragsverletzung darstellt. Und dann halten sich die Hersteller nicht einmal selbst an die eigenen, meist sehr edel und selbstgerecht formulierten Compliance-bestimmungen?Aber vielleicht urteilen wir zu früh oder gar falsch. Ob Hersteller, wie Daimler z.B., die selbst veordneten Grundsätze befolgen, werden die Untersuchungen zeigen. Wir können vorab nachlesen:https://www.daimler.com/dokumente/nachhaltigkeit/integritaet/daimler-richtliniefuerintegresverhalten.pdfAuf Seite 17 dieser übersichtlichen webseite ist zu lesen:Wir setzen uns dafür ein, dass auf den Märkten fairer Wettbewerb herrscht, und halten die geltenden Kartell- und Wettbewerbsgesetze ein. Unzulässige Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken können, sind bei uns untersagt. Wir unterbinden sie unverzüglich, wenn wir sie entdecken und sanktionieren sie. Die Complianceabteilungen haben große Erfahrung; wenden sie diese auch nach innen an - beim Entdecken, Unterbinden und Sanktionieren?


ThomF

21.07.2017 - 22:26 Uhr

und jetzt erzählt was neues ...das ist doch seit Jahren klar.die BRD steckt ganz tief mit drin und keiner merkt was ( oder will!?)


SK

23.07.2017 - 08:10 Uhr

Was ist aus "Made in Germany" geworden, es stand mal für Qualität, gute Arbeit, hohes Niveau, Vorsprung durch Technik, sehr gute Ingenieure. Diese Punkte haben uns zu einer starken Wirtschaftsmacht gemacht. Heute steht es für Betrug, Kartell, Lügen und Versagen.Natürlich sind von der Automobilindustrie viele Arbeitsplätze und Lieferanten und Autohäuser abhängig, aber rechtfertigt das all die Punkte. Natürlich ist die Politik auch nicht unschuldig an der Sache, zu hohe Forderungen an die Automobilindustrie. Aber wir deutschen verzeihen alles, überall auf der Welt müssen hohe Strafen gezahlt werden, nur im eigenen Land geschieht so gut wie garnichts. Was ist aus" Made in Germany" geworden


Jens Nietzschmann

23.07.2017 - 23:37 Uhr

Ich würde es begrüßen, wenn alle begierig an der Empörungswelle mitschreibenden Redakteure vor ihren jeweiligen Einlassungen mal kurz inne halten und ihr Gehirn einschalten würden. Technische Absprachen unter den Herstellern sind unabdingbar und auch nützlich für die Verbraucher, solange sie nicht dazu dienen, diese dadurch in Nachteil zu bringen. Andernfalls müsste man schon die allgegenwärtige DIN-Norm als Kartell bezeichnen. Insbesondere den Spiegel-Redakteuren rate ich, auch ab und zu mal in ihr eigenes Archiv schauen: http://m.spiegel.de/spiegel/print/d-8871120.html Da berichten die "Experten" des Investigativ-Journalismus doch im Jahr 1996 (!) glatt selbst von der Gründung eines Abgaszentrums der Automobilindustrie durch exakt die aktuell vorgeführten Konzerne UND dass das Kartellamt damals nichts dagegen hatte. Angesichts der Medienlandschaft die wir haben, fällt einem so langsam wirklich der Auspuff ab...


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