-- Anzeige --

Branche: Stromnetz nicht vorbereitet für E-Autos

21.08.2017 08:30 Uhr
Fast Chargers
Das Stromnetz in den Autoländern Bayern und Baden-Württemberg ist nach Brancheneinschätzung nicht auf die erwartete Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen vorbereitet.
© Foto: BMW

Der Bund erwartet eine EU-Quote für Elektroautos - doch das ächzende deutsche Stromnetz ist auf eine massenhafte Verbreitung von E-Mobilen gar nicht vorbereitet. Eng werden könnte es gerade in den Autoländern Bayern und Baden-Württemberg.

-- Anzeige --

Das Stromnetz in den Autoländern Bayern und Baden-Württemberg ist nach Brancheneinschätzung nicht auf die erwartete Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen vorbereitet. Die Energiewirtschaft geht davon aus, dass in Zukunft deutlich höhere Lastspitzen auftreten als bisher, heißt es bei den Verbänden für Energie- und Wasserwirtschaft in den beiden wirtschaftsstarken Bundesländern. Zugleich geht die in Süddeutschland produzierte Strommenge zurück. Die vier Übertragungsnetzbetreiber erwarten in den Berechnungen für den Netzentwicklungsplan, dass die Stromproduktion im Süden nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks 2022 deutlich unter dem Bedarf liegen wird.

Die Energiebranche im Süden rechnet nicht damit, dass auch die Nachfrage sinkt - im Gegenteil: "Wir gehen davon aus, dass der Strombedarf steigt, insbesondere, wenn Bayern ein starker Industriestandort bleibt", sagte Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Das liege vor allem an zwei Faktoren: elektrisch betriebenen Wärmepumpen und Elektromobilität. Diese würden zu "deutlich höheren Spitzenlasten vor Ort führen als wir sie derzeit haben", meint auch Torsten Höck, Geschäftsführer des baden-württembergischen Schwesterverbands VfEW.

Den Stromversorgern gibt beides zu denken: verfügbare Strommenge und Spitzenlast. "Über die Strommenge machen auch wir uns Gedanken, das ist nicht ganz ohne, insbesondere wenn die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen", sagte Höck. "Die Frage der maximalen Last ist jedoch lokal fast das bedeutendere Thema. Gleichzeitig haben wir einen Trend zur Eigenversorgung. In der Zukunft werden wir sowohl Tage und Stunden mit niedrigen als auch mit höheren Spitzenlasten haben."

Sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg deckten Atomkraftwerke bis zur Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 etwa die Hälfte des Strombedarfs. Der Atomstrom wird ab dem Jahreswechsel 2022/23 fehlen. Die geplanten Gleichstrom-Höchstspannungstrassen von Nord- und Ostdeutschland nach Süden aber werden nach allgemeiner Einschätzung frühestens 2025 fertig sein.

Vorreiter bei der Elektromobilität

Bayern und Baden-Württemberg wollen Vorreiter bei der Elektromobilität sein. Die Autohersteller Daimler, BMW und Audi investieren Milliarden in Elektroautos. Doch die Energiewende hat eine für die süddeutsche Industrie unerfreuliche Folge: Laut aktuellem Netzentwicklungsplan wird Süddeutschland künftig zwischen einem Viertel und der Hälfte des Strombedarfs aus anderen Bundesländern oder dem Ausland importieren müssen. In Norddeutschland könnte dagegen die Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan die Nachfrage um mehr als das Doppelte übersteigen.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte eine verbindliche Quote für die Zulassung von E-Autos in den EU-Ländern gefordert. Das SPD-geführte Bundesumweltministerium hatte kurz danach mitgeteilt, es erwarte im Herbst einen entsprechenden Vorstoß der EU.

Nachfrage in Spitzenzeiten entscheidend

Für die Belastung des Stromnetzes entscheidend ist die Nachfrage in Spitzenzeiten. "Wenn alle sieben Millionen Autos in Bayern elektrisch fahren würden, hätten wir einen um 20 bis 25 Prozent höheren Strombedarf", sagt VBEW-Geschäftsführer Fischer. Auch ein Extremszenario: "Wenn sämtliche bayerischen Haushalte ein Elektroauto hätten und alle gleichzeitig abends auf die induktive Ladeplatte mit elf kW fahren würden, bräuchten wir eine Leistung von 77 Gigawatt", sagt der Stromfachmann. Das wäre ein Vielfaches des derzeit höchsten Leistungsbedarfs in Bayern von 12,5 Gigawatt. Das werde so nicht eintreten, sagt Fischer - "weil die Akkus größer werden und daher alle Fahrzeuge nicht jeden Abend laden werden". Das Beispiel zeige aber die Dimension der Aufgabe "Elektromobilität".

Für den Normalfall erwarten die Stromfachleute auch nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks Isar II keine Probleme bei der Stromversorgung. "Aber die Redundanzen, die wir früher hatten, sind weniger geworden, es ist halt weniger 'Luft' im System", sagt Fischer. Unglücke seien immer eine Verkettung unglücklicher Umstände. "Was passiert, wenn wir extrem tiefe Temperaturen haben, kein Wind weht, die Sonne nicht scheint und gleichzeitig Kraftwerke beziehungsweise Stromleitungen ungeplant ausfallen? Da lege ich nicht meine Hand ins Feuer."

Fischer hält daher Stromknappheit an manchen Tagen nicht für ausgeschlossen: "Ich erwarte aber keine regelmäßigen Blackouts, aber möglicherweise wird man an manchen Tagen 'anordnen' müssen, ihr müsst jetzt weniger Strom verbrauchen. Man darf gespannt sein, ob das unspektakulär über Marktmechanismen oder öffentlichkeitswirksam über Radiodurchsagen funktionieren wird." (dpa)

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

KOMMENTARE


Frank E.

21.08.2017 - 22:32 Uhr

Das heutige Hirngespinst der E-Mobilität mit "Strom aus der Steckdose" bedeutet doch, dass ALLE öffentlichen und privaten Abstellflächen mit Lade-Infrastruktur überzogen werden müssten. Wenn ich mich nicht innerhalb eines 45km-Radius bewege, brauche ich eine Ladesäule an meinem Zwischenziel, um auch unter widrigen Umständen wieder nach Hause zu kommen. Es müssen DRINGEND auch andere Methoden der Strom-Speicherung und -Erzeugung großflächig ausgerollt werden. Sicher werden wir in Zukunft alle mit E-Motoren fahren, aber der Strom kann nicht nur durch ein Kabel ins Auto gebracht werden. Wasserstoff an der Tankstelle tanken und mit der Brennstoffzelle den Strom im Fahrzeug erzeugen. Oder NanoFlowcell Elektrolyt. Oder einen anderen füssigen oder gasförmichen Energieträger. Das löst auch das Reichweiten-Problem für das "Langstreckenauto" in der Familie. Und braucht keine Kabel-Infrastruktur, keine Li-ION-Akkus, für die irgendwann der Rohstoff ausgeht,...


Jürgen Sangl

21.08.2017 - 23:42 Uhr

Was für einen Blödsinn gibt dieser Herr Fischer von sich?Selbst wenn ab heute 100% Elektroautos verkauft würden dann würde es immer noch 15 Jahre dauern bis der gesamte Bestand ausgetauscht ist. Tatsache ist daß dies erst in 30 bis 40 Jahren zu erwarten ist. Bis dahin ist noch viel Zeit für Stromtrassen und sauberen Strom. Wie kann so jemand als Fachmann bezeichnet werden der so unqualifizierten Blödsinn von sich gibt. Zum Vergleich: Ich könnte mich als Fachmann für Renten bezeichnen und heute sagen: Wenn heute alle Bundesbürger gleichzeitig 75 Jahre alt wären dann würde unser Rentensystem zusammenbrechen...


APi

23.08.2017 - 18:15 Uhr

Zitat von Frank E.: "Sicher werden wir in Zukunft alle mit E-Motoren fahren" - so ein Schwachsinn, lange nicht so gelacht! ...


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.