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Diskussion um Grenzwerte: CDU-Wirtschaftsrat fordert Aufschub für Diesel-Fahrverbote

24.01.2019 10:05 Uhr
Diskussion um Grenzwerte: CDU-Wirtschaftsrat fordert Aufschub für Diesel-Fahrverbote
Die Grenzwerte, auf denen Diesel-Fahrverbote fußen, stehen in der Kritik.
© Foto: Robert Kneschke/stock.adobe,com

Sind die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid in Städten wissenschaftlich zu rechtfertigen? Eine Gruppe von Lungen-Spezialisten hat mit ihrer Kritik die Debatte um Fahrverbote neu entfacht. Nun wird der Ruf nach mehr Zeit lauter.

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Nach dem Vorstoß einer Gruppe von Lungenärzten wächst die Kritik an Dieselfahrverboten in deutschen Städten. Der Wirtschaftsrat der CDU forderte wegen der Debatte um Feinstaub-Grenzwerte ein Moratorium für die Fahrverbote. "Offenkundig bestehen immer größere - auch medizinische Zweifel - an der Sinnhaftigkeit der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide. Wir sollten daher eine wissenschaftliche Neubewertung der Grenzwerte vornehmen", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger am Donnerstag in Berlin. "Bis dahin sollten die bereits beschlossenen Diesel-Fahrverbote ausgesetzt werden."

Mehr als hundert Lungenspezialisten hatten am Mittwoch den gesundheitlichen Nutzen der geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide (NOx) angezweifelt. Sie sehen keine wissenschaftliche Begründung, die die geltenden Obergrenzen rechtfertigen würde. Viele Studien, die Gefahren durch Luftverschmutzung zeigen sollten, hätten erhebliche Schwächen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) begrüßte die Initiative. "Wir brauchen eine ganzheitliche Sichtweise", sagte der CSU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. "Wenn über 100 Wissenschaftler sich zusammenschließen, ist das schon einmal ein Signal." Ein Ministerium-Sprecher erklärte, Scheuer werde die Grenzwert-Diskussion in der EU führen. Der Verkehrsminister betonte, die EU gebe die Möglichkeit, Grenzwertmessstationen auch dort zu platzieren, wo die Schadstoffemissionen nicht am höchsten sind. Dies halte er für "eine vernünftige Herangehensweise an die Grenzwerte".

VCD bezeichnet Scheuer als "Schutzpatron der Autoindustrie"

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) reagierte mit Kritik auf die Aussagen von Scheuer und des CDU-Wirtschaftsrats. Scheuer kröne sich zum "Schutzpatron der Autoindustrie", sagte Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. "Ein Aussetzen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die unter den Folgen schlechter Luft zu leiden haben." Statt die wissenschaftlich belegten negativen Auswirkungen von NO2 und Feinstaub "wissenschaftlich haltlos" in Frage zu stellen, müsse Scheuer dafür sorgen, dass Dieselfahrzeuge sauberer würden.

Die Gruppe von Lungenärzten stellte sich auch gegen ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) aus dem Jahr 2018. Darin hieß es: "Studien zeigen, dass die Feinstaub-Belastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist." Die DGP, die Deutsche Lungenstiftung und der Verband Pneumologischer Kliniken, erklärten nun, der Vorstoß der Mediziner werde als Anstoß für eine kritische Überprüfung betrachtet.

Die Grenzwerte sind die Grundlage für Dieselfahrverbote. In der EU gilt für Stickstoffdioxid ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, für Feinstaub sind es Werte je nach Partikelgröße. Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts können Kommunen, in denen die Grenzwerte überschritten werden, strecken- oder zonenbezogene Fahrverbote gegen Diesel verhängen.

Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar gab es Kritik an den Diesel-Fahrverboten. Die Verbote schränkten viele Privatleute und Gewerbetreibende in ihrer grundgesetzlich garantierten persönlichen und beruflichen Freiheit ein, sagte Andreas Krämer von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel erscheine irrational und sei willkürlich gewählt. An vielen Arbeitsplätzen herrsche eine höhere Schadstoff-Belastung.

"Was unabhängige Gerichte entscheiden, das muss gelten"

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza forderte dagegen Respekt vor der Rechtsprechung. "Was unabhängige Gerichte entscheiden, das muss gelten", sagte die CDU-Politikerin auf der Konferenz. Die Exekutive müsse auch Urteile zu Fahrverboten umsetzen, die politisch nicht erwünscht seien, sagte Havliza. Dass sich der Verkehrsgerichtstag mit Dieselfahrverbot befassen müsse, liege im übrigen an Volkswagen und anderen Autoherstellern, sagte Havliza.

Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, wies die Kritik der Lungenärzte zurück. Die geltenden Grenzwerte seien das Ergebnis vieler Studien, sagte er dem rbb "Inforadio". Sie zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebe. "Seit 2010 sind diese Grenzwerte einzuhalten. Das tun wir nicht, aber nicht deshalb, weil die Grenzwerte falsch sind, sondern weil die Industrie dreckige Autos verkauft hat und weil die Verkehrspolitik tatenlos zugeguckt hat."

Umweltministerin Svenja Schulze betonte, die große Mehrheit der Städte schaffe es, die Grenzwerte einzuhalten. "Nur dort, wo besonders viel Verkehr ist, gibt es Probleme mit Stickoxiden", sagte sie dem "Handelsblatt". "Wir haben also kein Grenzwertproblem, sondern ein Diesel- und Verkehrsproblem, das wir zum Beispiel mit Hardware-Nachrüstungen lösen können." Sie sei erstaunt, dass sich Ärzte in den Dienst eines solchen "Ablenkungsmanövers" stellten. (dpa)

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KOMMENTARE


Uwe

24.01.2019 - 12:00 Uhr

Liebe Politiker,Ihr solltet vielleicht mal den Fachleuten zuhören und nicht nur an Euch denken.Wenn die Fachärzte, die sicher Ahnung von Ihrem Job haben, diese Aussage treffen, dann wird wohl etwas dran sein.Und es ist ja wirklich so, in den Büros sind viel höhere Werte gestattet als auf der Straße.Was Passiert, wenn DUH auf die Idee kommt die CO² und NoX Werte in Büros zu prüfen? Dürfen wir dann alle nichtmehr zur Arbeit.Bitte Ihr Politiker, benutzt mal euren Verstand um zu denken und nicht nur um euch zu profilieren.


bonaqua

24.01.2019 - 15:53 Uhr

Einfach nur noch lächerlich das Ganze. Das Stickoxide, Feinstaub etc. schädlich sind dafür brauch es keine Studie und auch keine Lungenfachleute. Man gewinnt immer mehr den Eindruck das die deutsche Politik nur noch von der Großinduststrie bestimmt wird. Um die Gesundheit der Bevölkerung geht es doch schon lange nicht mehr. Ist ja auch eher schädlich für die Finanzkasse wenn die Bevölkerung noch älter wird. Natürlich kann man darüber diskutieren ob die Grenzwerte zu niedrig angesiedelt sind. Aber ob es nun 40, 50 oder 100 Mikrogramm sind spielt doch eher eine untergeordnete Rolle. Fakt ist, gesund sind Stickoxide nicht !PUNKT! Macht ja nichts soll sich doch die nächste Generation mit der Problematik auseinandersetzen, es ist ja noch Zeit. Einfach mal darüber nachdenken Herr Scheuer, Ihre Tochter wird es ihnen Danken. Oder Sie sagen Ihr einfach ich habe von alldem nichts gewußt, hat ja schon eine andere Generation so gemacht!


Bernd

24.01.2019 - 18:42 Uhr

Ich kann Uwe nur Zustimmen. Es ist eine bodenlose Frechheit unserer Politiker alle sachlich begründeten Argumente von Fachleuten und Wissenschaftlern zu ignorieren. Der Dieselmotor ist technisch und wirtschaftlich auf höchstem Niveau. Die Umwelthysterie und die politische Verdammung hat ausschließlich das Ziel, die deutsche Industrie abzuschaffen!Es gibt keine wirklichen Argumente, die Verbrennungsmotoren generell zu diskriminieren. Die ganzen Ausschweifungen der Grünen muss man ignorieren und nicht die Wissenschaftler und Techniker, die den Mut haben auf diese Missstände hinzuweisen.Die Politiker, die solche Fehlentscheidungen befürworten und treffen und die Grünen, die das anstiften, sollen endlich aus ihren Büros verschwinden und sich auf die Straße setzen. Dann wird viel Geld gespart und die Steuerzahler, welche diesen Unfug finanzieren müsse, werden vor weiteren Sinnlosbelastungen befreit.


Wolfgang Reinertz

24.01.2019 - 19:27 Uhr

In allen Diskussionen fehlt mir leider das "politische Verursacher-Prinzip".Es werden von der EU über die Regierung hinzu den Ländern und deren Jutiz munter "Auspuff-Verantwortungen" auf die Automobilindustrie bzw. (letztendlich) den einzelnen Verbraucher geschoben... Wo bleibt eigentlich die übergeordnete "Kraftstoff-Verantwortung"? Wäre es nicht die politisch/wirtschaftliche Verantwortung der Regierung umweltfreundliche "Tankfüllungen" durch eine gezielte Förderung & Blockadenbeseitigung für mittlerweile produktionsreife OEM-Kraftstoffe voranzutreiben? Dann würde endlich auch die Staatskasse mit ihrem (unserem) horenden Mineralölsteueranteil an "dreckigen Kraftstoffen" mal einen Umweltbeitrag leisten können... Im gleichen Topf könnten nebenbei auch die zwischenzeitlich an die Automobilindustrie verhängten Strafgelder ihren Dienst leisten!?


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