Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will trotz Absatzkrise und Millionen verunsicherter Autofahrer am umstrittenen Biosprit E10 festhalten. Angesichts des Chaos bei der Einführung will die Bundesregierung zusammen mit der Auto- und Tankstellenbranche am Dienstag bei einem "Benzingipfel" nach Auswegen suchen.
Erste Politiker forderten das Aus für das gesamte E10-Projekt. Der Chef der CSU-Gruppe im EU-Parlament, Markus Ferber, sagte der "Bild"-Zeitung: "Dieser klimapolitische Unsinn hilft der Umwelt nicht und bestraft den Bürger. E10 wieder abzuschaffen wäre die effektivste Klimapolitik für Mensch, Fahrzeug und Umwelt." Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) verlangte in München angesichts einer zweifelhaften Klimabilanz bei E10 eine "ökologische Denkpause".
Röttgen wies den Vorwurf eines Kommunikationsdesasters zurück. "Das Problem ist, dass an den Tankstellen nicht genug für das Produkt geworben worden ist", sagte seine Sprecherin Christiane Schwarte am Freitag. Über 90 Prozent der Autos vertragen die neue Hauptsorte beim Super Benzin, daher sei es unverständlich, warum Verbraucher so zögerlich seien. Notwendig sei es, an Tankstellen mehr Listen auszulegen, welche Autos das Super-Benzin mit zehn Prozent Ethanol vertragen, das aus Getreide, Zuckerrüben und Zuckerrohr hergestellt wird.
"Industrie etwas besser an die Hand nehmen"
"Wir müssen die Industrie etwas besser an die Hand zu nehmen", betonte Schwarte mit Blick auf einen laut Röttgen zu geringen Einsatz der Mineralölbranche für E10. Es sei zudem nicht akzeptabel, dass Drohungen erhoben werden, notfalls Strafzahlungen für nicht verkauftes E10 in Kauf zu nehmen und diese auf die Spritpreise aufzuschlagen. "Darüber wird man auch zu reden haben." Ziel sei es, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das Wirtschaftsministerium ließ offen, ob auch eine komplette Abkehr von E10 denkbar sei.
Die Autoindustrie rief zu einer "Versachlichung der Debatte" aufgerufen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sprach von einer "paradoxen" Situation. "Einerseits vertragen 99 Prozent aller Autos deutscher Hersteller auf unseren Straßen E10 – insgesamt sind es 93 Prozent –, doch gleichzeitig greifen drei von vier Autofahrern aus Verunsicherung derzeit nicht zu diesem Kraftstoff." Der geplante "Benzingipfel" am Dienstag könne einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um diese Situation aufzulösen. Zugleich wies der VDA Kritik an der Informationspolitik der Autobranche zurück.
Christian Schmidt
Stephan Rütten
Uli Herrmann
Dieter M. Hölzel