Im Oktober 2008 erhielten zahlreiche Sachverständigenbüros und sonstige Kooperationspartner einer großen Versicherungsgesellschaft Post. Darin stand, dass der bisweilen amtierende Chef-Sachverständige des Unternehmens ab sofort von seinen Befugnissen enthoben sei. Der Fall wurde branchenweit populär, da der ursprüngliche Gründer des Sachverständigenbüros wie der Chefgutachter einen nicht geringen Bekanntheitsgrad in der deutschen Schadenwelt hatten. Der Versicherungsangestellte soll das SV-Büro bei der Auftragsvergabe einseitig bevorzugt haben und dafür im Gegenzug von dort Geld bekommen haben, das er persönlich verwendete.
379.000 Euro nachgewiesen
Als das ursprüngliche Familienunternehmen schließlich rückwirkend zum 1. Januar 2008 an einen Prüfkonzern veräußert wurde, fielen dort nach Aussage eines ehemals Verantwortlichen "Unregelmäßigkeiten" auf, denen entsprechend nachgegangen wurde. Der Versicherer schaltete schließlich die Staatsanwaltschaft ein und stellte Strafanzeige gegen seinen leitenden Mitarbeiter, nachdem dessen Verstöße gegen die gesellschaftseigenen Richtlinien offenbar wurden und offensichtlich 379.000 Euro an bezahlten Schmiergeldern nachgewiesen werden konnten.
Diese Summe wurde seitens des Amtsgerichts Köln vor kurzem auch für die Bemessung des Strafmaßes gegen den ehemaligen Chefsachverständigen (60) herangezogen. Er wurde wegen Bestechlichkeit zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der ehemalige Inhaber des SV-Büros (63) kam mit eineinhalb Jahren auf Bewährung noch leicht besser davon.
Fall veränderte auch die Compliance-Regeln in der Assekuranz
Im Onlinedienst einer Kölner Tageszeitung wurde über die Verhandlung sowie dessen scharfes Urteil bereits berichtet. Sowohl der Ex-Chefgutachter, als auch der frühere Unternehmer wurden darin mit richtigen Vornamen und abgekürzten Nachnamen genannt und zusätzlich deren Köpfe, lediglich mit der üblichen schwarzen "Augenklappe" bedeckt, abgebildet. Die klagende Versicherung wurde nicht namentlich genannt. Die Verhandlung fand aber deshalb in Köln statt, da dort auch die für Schadenmanagement zuständige Gesellschaft der Versicherungsgruppe ihren Sitz hat.
In dem seit nunmehr gut dreieinhalb Jahren laufenden Verfahren hatten zahlreiche Entscheidungsträger der deutschen Versicherungswirtschaft wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass dieser deutschlandweit bekannt gewordene Bestechungsfall "entscheidend" zur branchenweiten Verschärfung der Compliance-Regeln mit beigetragen hat. (wkp)
AG Köln: Scharfe Urteile für Bestechung bei Gutachtenbeauftragung
Zwei Jahre Haft auf Bewährung für einen ehemaligen Chefsachverständigen einer großen Versicherungsgruppe wegen Bestechlichkeit und eineinhalb Jahre für den Ex-Geschäftsführer eines SV-Büros: So lauteten die kürzlich am AG Köln gesprochenen Urteile in einem bereits 2008 aufgedeckten Gutachten-Bestechungsfall.