Auf rund fünf Milliarden Euro schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) den jährlich durch Versicherungsbetrüger verursachten Schaden. Dass es im laufenden Jahr keinesfalls weniger sein wird, davon ist Rüdiger Hackhausen, der Vorsitzende der Kommission Kriminalitätsbekämpfung im GDV, fest überzeugt. Sowohl im privaten, als auch im gewerblichen Bereich zeige sich eine klare Tendenz, die durch die Corona-Folgen zusätzlich befeuert werde.
"Gestohlene" Saisonware und teure Kreditraten auffällig
Als Beispiele für betrugsverdächtige Schäden nannte Hackhausen angebliche Einbrüche, bei denen Saisonware – wie z.B. Sommerbekleidung – gestohlen worden sein soll. Offenbar habe sie zuvor schlicht und einfach nicht verkauft werden können.
Ebenfalls beliebt bei Betrügern: Gemeldete Schäden an neuen elektronischen Geräten wie Fernsehern, so Hackhausen. Das wiederum deute häufig darauf hin, dass das Gerät ursprünglich per Kredit finanziert wurde, der Verbraucher dann aber die Raten nicht mehr bezahlen konnte.
"Aufgrund finanzieller Notlagen könnte es durchaus eine Zunahme von ‚Gelegenheitsbetrügern‘ geben", konstatierte auch der Kölner Fachanwalt für Straf- und Arbeitsrecht, Abdou Gabbar, der sich ebenfalls mit Betrugsmotiven und Täterprofilen beschäftigt.
Internet stellt Versicherer vor neue Herausforderungen
Die Motive von Betrügern haben sich den Experten zufolge im Laufe der Zeit kaum verändert – ihre Methoden hingegen schon. Internet und Digitalisierung führten zu neuen Betrugsformen und vereinfachten die Informationsbeschaffung für die Täter. Mit wenigen Klicks könne man sich zum Beispiel in Internetforen darüber informieren, wie eine Schadenmeldung so glaubhaft formuliert werden könne, dass der vermeintliche Schaden von einer Versicherung bezahlt werde.
Digitale und forensische Gegenoffensive
"Die Betrugsabwehr der Versicherer hat darauf reagiert, beispielsweise durch die Weiterentwicklung von Software zur Erkennung von Betrugsindizien oder den Einsatz speziell geschulter Mitarbeiter", sagte Hackhausen. Die Bildforensik gewinne bei der Betrugsabwehr immer mehr an Bedeutung. Denn Betrüger könnten mit Bildbearbeitungsprogrammen digitale Fotos zwar manipulieren oder im Internet kursierende Bilder nutzen. Diese würden dann als visueller Schadennachweis vorgelegt. "Die Versicherer können beispielsweise aber die Metadaten auswerten und dadurch erkennen, ob ein Foto manipuliert wurde", sagte Hackhausen.
Jede zehnte Schadenmeldung ist betrugsverdächtig
Branchenschätzungen zufolge entsteht den Versicherern in der Schaden- und Unfallversicherung durch Versicherungsbetrug ein Schaden von rund fünf Milliarden Euro im Jahr. Die Assekuranzen gehen davon aus, dass jede zehnte Schadenmeldung dubios ist. Das bestätige unter anderem eine aktuelle repräsentative infas quo-Umfrage zum Versicherungsbetrug im Auftrag des GDV. Danach gaben zehn Prozent der Befragten zu, entweder schon einmal einen Versicherungsbetrug begangen zu haben oder konkret von einem Versicherungsbetrug zu wissen.
Unterschiedlich ausgeprägtes Unrechtsbewußtsein
Insgesamt ist die Akzeptanz für Versicherungsbetrug laut Umfrage jedoch gering. Nur jeder zehnte Befragte meint, dass es sich um ein Kavaliersdelikt handelt; und auch nur 13 Prozent aller Befragten haben Verständnis dafür, wenn Geld bei einer Versicherung erschlichen wird. Jüngere Befragte bis 29 Jahre haben allerdings laut der aktuellen Umfrage ein anderes Unrechtsbewusstsein: Hier zeigen 20 Prozent Verständnis für erschlichene Leistungen.
Von allen Befragten hält nur jeder Zweite die Aufdeckung von Versicherungsbetrug für wahrscheinlich; bei den Jüngeren sehen dies lediglich 40 Prozent so. Knapp 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Versicherungsbetrug vor allem die Kunden selbst und nicht so sehr den Versicherer schädigt. Bei den Jüngeren glaubt dies nur die Hälfte. (bs)