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BGH-Urteil: Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel zulässig

15.05.2018 10:48 Uhr
Der BGH lässt Autokamera-Aufnahmen als Beweis bei Unfällen zu.

Der Schutz der Persönlichkeit ist wichtig, die Aufklärung von Unfällen auch. Der BGH lässt deshalb Dashcam-Videos als Beweis zu. Ein Freibrief fürs permanente Filmen ist das aber nicht. Die Reaktionen sind zwiespältig.

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Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Aufnahmen von Auto-Minikameras können bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden. Das permanente Filmen des Verkehrs bleibt zwar nach wie vor verboten - das verstößt gegen den Datenschutz. Doch die Aufklärung eines Unfalls kann wichtiger sein, zumal der Unfallbeteiligte ohnehin Angaben zur Person, zum Führerschein und zur Versicherung machen muss, urteilte am Dienstag der BGH in Karlsruhe. Die Nutzung der Aufnahmen muss je nach Fall abgewogen werden (VI ZR 233/17).

Gerichte hatten bislang unterschiedlich zum Einsatz der Dashcam-Aufzeichnungen geurteilt. Verkehrsexperten, Polizei und Automobilclubs begrüßten deshalb zumeist das höchstrichterliche Machtwort. Versicherer und der IT-Branchenverband Bitkom bemängelten allerdings, dass die Situation für Autofahrer damit nicht eindeutig geregelt ist.

Vor dem BGH hatte die Revision eines Autofahrers aus Sachsen-Anhalt Erfolg. Er wollte seine Unschuld an einem Unfall in Magdeburg anhand der Aufzeichnungen seiner Dashcam beweisen - doch weder das Amts- noch das Landgericht berücksichtigten diese. Weil die Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstießen, dürften sie nicht als Beweis herangezogen werden, hatten die Magdeburger Richter argumentiert. Der BGH sieht dies anders. Er hob das Berufungsurteil auf und verwies es zur Neuverhandlung zurück.

Häufige Beweisnot als wichtig erachtet

Obwohl die Aufnahmen des Klägers nicht erlaubt waren, überwiege in diesem Fall das Interesse an der Aufklärung des Unfalls. Und, so die höchsten deutschen Zivilrichter: "Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind." Sie wiesen angesichts des schnellen und komplexen Verkehrsgeschehens auf den Straßen auch auf die häufige Beweisnot nach Unfällen hin.

"Da die Beweisführung bei Unfällen oftmals sehr schwierig ist, können die Bilder einer Onboard-Kamera den entscheidenden Ausschlag für eine gerechte Beurteilung des Unfallgeschehens und für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ermöglichen", begrüßte der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, die "notwendige rechtliche Klarstellung".

Auch ADAC-Justiziar Markus Schäpe sieht nun Rechtssicherheit für Autofahrer. Zulässige Videos könnten Autofahrer nun mit Dashcams drehen, die entweder kurz vor dem Unfall anlassbezogen auslösen oder deren Aufnahmen regelmäßig überspeichert werden. "Es kann nicht sein, dass ein Unfallverursacher nicht zahlt, weil er sein Recht am eigenen Bild verletzt sieht."

Kein Freibrief für Hilfssheriffs

Ein Freibrief für "Hobbypolizisten und selbsternannte Hilfssheriffs" ist das Urteil für GdP-Vize Plickert nicht: Nach wie vor sei die Polizei zuständig für die Überwachung des öffentlichen Straßenverkehrs. Denn der BGH gab Dauerfilmern eine Warnung mit: "Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen können mit hohen Geldbußen geahndet werden und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht sind mit Freiheitsstrafe bedroht."

Anders als zum Beispiel in Russland fahren in Deutschland erst wenige Autofahrer mit den kleinen Kameras an Windschutzscheibe oder Armaturenbrett herum. Doch Dashcams werden auch hierzulande immer beliebter: Einer Bitkom-Umfrage zufolge nutzen diese derzeit acht Prozent der Autofahrer. Weitere 13 Prozent wollen das in Zukunft auf jeden Fall tun, 25 Prozent können es sich vorstellen.

In den vergangenen drei Jahren wurden laut Bitkom rund 150.000 Dashcams in Deutschland verkauft. Sie erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als vier Millionen Euro. Im Schnitt lassen sich die Autofahrer die Kameras demnach 88 Euro kosten. Nach dem BGH-Urteil dürfte deren Beliebtheit zunehmen, schätzt Paetrick Sakowski von Wirtschaftrecht-Kanzlei CMS.

Kamras könnten Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten

Nach einer Umfrage des Automobil-Clubs Verkehr (ACV) würde fast die Hälfte der Befragten eine Dashcam verwenden, wenn ihre Nutzung gesetzlich geregelt wäre. Die Minikameras könnten einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten: "Ihr Einsatz könnte vor allem gefährliches Drängeln und zu dichtes Auffahren reduzieren", meinte der verkehrspolitische Sprecher Jürgen Koglin.

Bitkom-Präsident Achim Berg meint allerdings: "Autofahrer brauchen klarere Regelungen, wann Dashcams eingeschaltet werden dürfen." Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) fordert einen "verbindlichen datenschutzrechtlichen Rahmen" für den Einsatz. "Eine mögliche Lösung könnten zum Beispiel Kameras sein, die immer nur einen kurzen Zeitraum aufzeichnen und ältere Aufnahmen kontinuierlich löschen. Technisch wäre es möglich, die Aufnahmen einer Dashcam nach einem Unfall - und nur dann - automatisch zu sichern", so Bernhard Gause von der GDV-Geschäftsführung. (dpa)

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KOMMENTARE


egonsamu

16.05.2018 - 06:51 Uhr

Wer im öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt geht das Risiko ein, daß er von anderen gesehen wird. Natürlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten sich zu tarnen und etwas für seinen Datenschutz zu tun:in der Dämmerung ohne Licht fahren, vorm Abbiegen niemals blinken, Hidschab oder Burka überziehen usw.... Schon heute machen zu viele Autolenker von diesen Möglichkeiten Gebrauch. Trotz "Datenschutz". Datenschutz wird vorgeschoben, wenn ich erfahren möchte wer alles und welche meiner Daten bekommt...Irrenhaus Deutschland. Selbst sogenannte Gerichte sind damit offenbar überfordert.


W.Arum

16.05.2018 - 08:55 Uhr

Und ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Immer schön unter dem Deckmäntelchen der (Rechts-)Sicherheit.Nichts gegen die Aufklärung von Unfallgeschehen, aber die Kamera kann immer nur einen Ausschnitt des Geschehens zeigen. - Da bleibt viel Platz für nicht zu Sehendes. - Vielleicht hat der Dashcambesitzer den vorderen Wagen bereits seit Kilometern genötigt. - Das würde die Aufnahme natürlich nicht zeigen....Überwachung...Jetzt nur noch das Bargeld abgeschafft - mehr Zugriff auf Mobiltelefon-Bewegungsdaten erlauben und schon weiß Vater Staat immer, wo seine dummen Schäfchen rumlaufen und was sie gerade machen.Vorbei die Zeiten grenzenloser Freiheit. - Es geht eher in Richtung "Trueman Show" Allen die damit leben können - schaut ruhig weiter auf die Displays Eurer Telefone, während Eure Freiheit vor die Hunde geht.Aber mal zurück zum Thema: Was wir auf Deutschlands Straßen wirklich brauchen, ist mehr Rücksichtnahme und Verkehrserziehung.Warum sonst ist die rechte Spur oft frei, während sich links die Autos mit 80km/h bewegen?Warum beschleunigt man beim Überholen nicht auch auf eine "Überholgeschwindigkeit", sondern versucht, den LKW mit 10km/h mehr zu überholen?Warum blockiert man die Mittelspur?Warum lasse ich andere Fahrzeuge nicht einscheren?Warum lasse ich schnellere Fahrzeuge nicht vorbei?Ich fahre gerne Auto - aber Spaß macht es schon lange nicht mehr.


DASHCAM FAN

17.05.2018 - 06:53 Uhr

@W.ARUM - sie haben es definitiv nicht verstanden. Bei der Dashcam geht es eben gerade nicht um die Aufklärung solcher Delikte wie zu schnelles Fahren, rechts überholen..... das wurde deutlich gesagt.Es geht um die Aufklärung bei Unfällen und da spielt es keine ROlle ob der Fahrer einen anderen vorher genötigt hat oder ausgebremst hat... Das wäre ein ganz anderer Tatbestand. Aber wenn mir ein Fahrer (wie in dem aktuellen Fall der vorm BGH verhandelt wurde,) in der Baustelle von rechts reinfährt weil er die Spur nicht einhält, dann ist das ein sehr probates Mittel um bei Aussage gegen Aussage die Wahrheit zu beweisen.Ich finde die Entscheidung super und werde mir jetzt endlich auch so ein Teil holen.


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