Pilotprojekt: Autonomes Fahren in der Werkstatt

Autonomes Fahren bedeutet nicht nur, dass ich die Hände in den Schoß legen kann und mein Auto bringt mich sicher, ohne eigenes Zutun ans Ziel. Das ist Zukunftsmusik. Eine praktische Anwendung beziehungsweise zunächst die Machbarkeit hat Porsche jetzt mit Kopernikus Automotive, Leipzig, im Werk in Ludwigsburg vorgestellt. Dabei geht es im Prinzip um "autonomes Fahren in die Werkstatt". Das vorgestellte System fährt beziehungsweise rangiert einen entsprechend ausgerüsteten Cayenne auf Kommando vom Parkplatz zur Hebebühne und wieder zurück. Der Mechatroniker manövriert den SUV dabei per Tablet automatisch an die richtige Position in der Werkstatt. Die Entwickler setzen hier auf Künstliche Intelligenz (KI), um die Kosten der Technologie durch den Einsatz von weniger Sensoren in den Griff zu bekommen. Die Fähigkeit zu lernen ist der Vorteil, wenn KI-Systeme zum Einsatz kommen. Das System arbeitet zunächst mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten und wird dann durch Training immer besser. Ein zentrales Element sind die Kameras. Die Werkstatt-Umgebung wurde in eine virtuelle Darstellung überführt. Sie wird genutzt, um ein künstliches neuronales Netz zu trainieren. "Nachdem die Tests erfolgreich verlaufen sind, übergibt das Projektteam das Thema nun an die Serienentwicklung", sagt Projektleiter Alexander Haas von Porsche. Zu den Herausforderungen der neuen Technologie ein Gespräch mit Stefan Jenzowsky, Chef von Kopernikus Automotive: AH: Wie ist die Idee entstanden, dieses Projekt für Werkstätten zu entwickeln? S. Jenzowsky: Die Idee stammt maßgeblich von den Kollegen von Porsche. Über einen Berater aus dem Silicon Valley ist Porsche auf uns aufmerksam geworden, da Kopernikus Automotive eines der wenigen Start-ups zum Autonomen Fahren in Deutschland ist. Und wir sind Porsche sehr dankbar, dass wir unsere Technologie auf dem Werksgelände erproben und weiterentwickeln durften. Ein so starker Partner wie Porsche ist für ein Start-up-Unternehmen natürlich ein großer Glücksfall - die bauen nicht nur die besten, begehrenswertesten Autos, sie sind auch der beste, begehrenswerteste Partner, mit dem wir so eine Lösung entwickeln durften. AH: Welche Rolle spielt dabei Kopernikus Automotive? S. Jenzowsky: Kopernikus Automotive hat als eines der wenigen Start-ups zum Autonomen Fahren in Deutschland seit 2017 eine Lösung zum Automated Valet Parking entwickelt, die es ermöglicht, heutige Fahrzeuge mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu steuern. Da heutige Serienfahrzeuge im Allgemeinen nicht über eine ausreichende Rechenleistung zum Einsatz von KI an Bord verfügen, "verlegen" wir die Künstliche Intelligenz und die Fahrplanung außerhalb des Fahrzeugs. Somit "fährt" bei Kopernikus das Gebäude, beispielsweise ein Parkhaus das Auto. Wir nennen diese Technologie "A.I. Remote Driver". AH: Welche Technologie ist dafür notwendig, um ein Auto quasi von Geisterhand auf die Hebebühne fahren zu lassen? S. Jenzowsky: Um ein Serienfahrzeug mittels "A.I. Remote Driver"-Technologie wie von Geisterhand auf eine Hebebühne fahren zu lassen, ist keine teure Technologie notwendig. Dabei erledigt ein Rechner, der etwa einem stärkeren Gamer-PC für Computerspieler entspricht, die Objekterkennung und Fahrplanung. Der Rechner, der in der Werkstatt verbaut ist, nutzt dabei die Bilder von stationär angebrachten Kameras und wertet diese aus. Er erkennt Objekte, aber auch Menschen oder Fahrzeuge im Fahrweg und hält rechtzeitig vor ihnen an - oder umfährt sie. Und wenn ein Auto keine Objekte oder Personen berührt und sich dabei sicher von A nach B bewegt - dann kann es autonom Auto fahren. AH: Reicht herkömmliches WLAN für die Datenübertragung aus? S. Jenzowsky: Ja, ein herkömmliches WLAN reicht zur Datenübertragung grundsätzlich aus. Selbstverständlich sind auch Technologien wie 4G oder gar 5G hierzu gegebenenfalls noch besser geeignet. Hauptsache, wir erreichen das Fahrzeug mit geringen Latenzzeiten. Denn je höher die Latenzzeiten, desto langsamer müssen wir fahren. AH: Muss das Auto umgerüstet werden? S. Jenzowsky: Ein Porsche Cayenne Turbo S Hybrid ist zwar ein fantastisches Auto, aber fernsteuern lässt er sich im Serienzustand natürlich nicht. Deshalb musste er ein wenig modifiziert werden. Dies hat Porsche Engineering übernommen. Damit konnten wir ihn fernsteuern. Verbaut wurden eine Ansteuerungseinheit zur Ansteuerung von Lenkung, Fahrbefehl und Bremse sowie eine Empfangseinheit. Das kann man in Zukunft allerdings recht einfach in die Serie integrieren - die Aktuatorik an Lenkung, Antrieb und Bremse ist ja bereits serienmäßig vorhanden. AH: Wie geht man mit den Datenmengen um? S. Jenzowsky: Die Bilder aus den stationären Kameras werden kabelgebunden übertragen, so dass nur die Fahrbefehle über WLAN übertragen werden müssen. Bei der Analyse der Kamerabilder konzentriert sich unser System auf die Kameras, die das gesteuerte Fahrzeug oder andere Objekte wie zum Beispiel Menschen erfassen. Somit sind die Datenmengen gar nicht so groß, wie es scheint. Aber im Prinzip benötigen KI-Ansätze immer recht große Mengen an Daten, insbesondere weil solche Systeme ja auch ständig dazulernen. AH: Sie setzten auf KI, um eine aufwendige Programmierung zu vermeiden. Wie funktioniert das? S. Jenzowsky: Das Fahrgelände wird zunächst in einer virtuellen Welt, in einer Game-Engine abgebildet. Hier lernt die KI Autofahren. Hier darf sie auch Fehler machen. Erst wenn sie fehlerfrei auf dem virtuellen Gelände fahren kann, lassen wir sie ein richtiges Auto steuern. AH: Bis wann ist die Serienreife erreicht und mit welchen Kosten hat man dann pro Werkstatt zu rechnen? S. Jenzowsky: Dazu kann ich derzeit nichts verbindlich sagen, da wir unser System nur zusammen mit den Autoherstellern in die Welt tragen können. Aber die "A.I. Remote Driver"-Technologie funktioniert prinzipiell bereits für heutige Serienfahrzeuge, wenn wir sie ansteuern können. Hierzu muss nur etwas Software in das Fahrzeug eingebaut werden. Und dann kann das Auto nicht nur autonom in die Werkstatt fahren, sondern auch autonom parken. Da wir mit Kameras sehr günstige Sensoren verwenden und weitgehend auf teure Laserscanner verzichten können, kann die Ausrüstung einer Werkstatt oder eines Parkhauses sehr günstig erfolgen. Die Kosten werden in jedem Fall unter denen einer zusätzlichen Hebebühne oder eines zusätzlichen Fahrzeugs liegen. AH: Wie werden Hackerangriffe vermieden? S. Jenzowsky: Wir haben ein mehrstufiges Sicherheitskonzept, das unter anderem Standardverfahren wie SSL-Verschlüsselung, aber auch einen zusätzlichen Key-Server vorsieht, der jeden Fahrbefehl mit einem zusätzlichen Schlüssel absichert. So ist sichergestellt, dass niemand unberechtigt Zugriff auf Ihr Auto erlangt - und damit wegfährt. Außerdem ist die Fahrtgeschwindigkeit beim "A.I. Remote Driver" auf Schrittgeschwindigkeit begrenzt. Das wäre ein sehr langsamer Autodieb ... AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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