Gesetzesentwurf: Beschränkung des Abmahn-Unwesens in Sicht

Auf der Grundlage eines Entwurfes aus dem Justizministerium hat die Bundesregierung Mitte Mai einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der insbesondere den Missbrauch im wettbewerbsrechtlichen Abmahnwesen eindämmen soll. Abmahnungen, die primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden, sollen durch höhere Anforderungen an die Abmahnungsbefugnis, eine Verringerung der finanziellen Anreize und durch vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen unterbunden werden. Maßstäbe der Missbrauchskontrolle sollen auch auf Abmahnungen wegen Verstößen gegen das Urheberrecht übertragen werden. Gleichzeitig ist abseits dieser Themen eine Lockerung des Designschutzes für sichtbare Karosserieteile bei Kfz-Reparaturen vorgesehen. Bewirkt werden soll hier eine Liberalisierung des Wettbewerbs durch Öffnung des Sekundärmarkts für Ersatzteile. Den Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aufgrund einer festgestellten Zunahme missbräuchlicher Serienabmahnungen im wettbewerbsrechtlichen Bereich, insbesondere betreffend die Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet. Solche Abmahnungen sollen erschwert werden, ohne die berechtigten Interessen "seriöser Akteure" und das Interesse an einem lauteren Wettbewerb unbillig zu behindern. Zu Gunsten der Verbraucher soll im Reparaturbereich der Wettbewerb verstärkt und die Monopolstellung des Originalherstellers bei reparaturbedingt erforderlichem Tausch von Karosserieteilen aufgehoben werden. Der Gesetzesentwurf beinhaltet ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die einzeln und im Gesamten die gesehenen Missstände abstellen sollen. Wettbewerbsrecht Die vorgesehenen Änderungen betreffen am umfassendsten den Bereich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen. Im Auge hat der Gesetzgeber eine Entlastung der Wirtschaft um rund 8,6 Millionen Euro dadurch, dass künftig Geschäftsmodelle des Abmahn-Unwesens unterbunden werden. Dies betrifft Fälle wie den einer Kanzlei in Cottbus, die aufgrund eigener Recherchen im Internet für immer denselben Mandanten mit einem bescheidenen Internethandel für Tuning-Teile in der Nähe von Bautzen reihenweise im ganzen Bundesgebiet Unterlassungsansprüche gegen Händler geltend macht, wenn sie Kfz-Ersatzteile im Internet zum Verkauf anbieten und hierbei Formalitäten zu Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr verletzen. Das Spektrum reicht hier vom fehlenden Hinweis auf die EU-Streitbeilegungsplattform bis zu fehlerhaften Widerrufsbelehrungen. Einzelne Verstöße werden wertmäßig summiert und pro Abmahnschreiben schnell mal Anwaltsgebühren in Höhe von 1.600 Euro zur Erstattung berechnet. In der Vielzahl der Musterschreiben aus dem Bausteinkasten ein lohnendes Geschäft. Wird die Unterlassungserklärung nicht abgegeben oder nicht bezahlt, erfolgt die Klageeinreichung dann ohne jeden konkreten Bezug beispielsweise beim Landgericht Berlin, weil dort die Rechtsprechung den Anwälten angenehm erscheint. In der Sache nicht beschnitten werden soll dagegen die Abmahnbefugnis qualifizierter Wirtschaftsverbände und Einrichtungen, welche in Listen des Bundesamtes für Justiz geführt werden. Im Kern geht es um folgende Änderungen: Beschränkung der Abmahn- und Klagebefugnis Legitimierter Mitbewerber zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist nach dem Gesetzesentwurf lediglich derjenige, der "Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt". Die Nachweispflicht trifft den Abmahner. Vereine und Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen sind nur dann abmahnbefugt, wenn die Interessen ihrer Mitglieder berührt sind. Erforderlich ist die Eintragung in eine beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände. Dies setzt ein zumindest bereits einjähriges Bestehen mit Wahrnehmung entsprechender satzungsmäßiger Aufgaben voraus, ferner die Mitgliedschaft von mindestens 75 Unternehmern und eine gesicherte personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung. Die Geschäftstätigkeit darf nicht vorwiegend auf die Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen gerichtet sein und weder die Mitglieder noch die handelnden Akteure dürfen Vergütungen oder andere Zuwendungen in unangemessener Höhe erhalten. Wie bisher legitimiert sind die qualifizierten Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagegesetz, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, Körperschaften öffentlichen Rechts und die Gewerkschaften, jeweils im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben. Erweiterte Missbrauchsregelung Die missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen ist bereits nach aktueller Gesetzeslage unzulässig. Die einzelnen Missbrauchstatbestände werden mit den geplanten Änderungen nunmehr ausführlicher und umfassender definiert mit entsprechenden Vermutungstatbeständen. Missbräuchlich ist, wenn - die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend zur Generierung von Aufwendungsersatz, Kosten der Rechtsverfolgung und Vertragsstrafen dient - gleichgerichtete Verstöße in erheblicher Anzahl geltend gemacht werden, die Anzahl außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder anzunehmen ist, dass der Abmahnende das wirtschaftliche Risiko seines Vorgehens nicht selbst trägt - der Gegenstandswert der Abmahnung unangemessen hoch angesetzt wird - erheblich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden bzw. - eingeforderte Unterlassungsverpflichtungen erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgehen. Gegenansprüche des Abgemahnten werden erleichtert. Im Missbrauchsfall besitzt er explizit Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Rechtsverteidigung. Ausschluss des Aufwendungsersatzes Für Mitbewerber ist die Geltendmachung von Aufwendungsersatz ausgeschlossen, wenn sich ihr Unterlassungsverlangen auf Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien bezieht. Werden kleine Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz bis zu zehn Millionen Euro wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung oder das Bundesdatenschutzgesetz abgemahnt, gibt es gleichfalls keinen Aufwendungsersatz. Erhöhte formelle Anforderungen Qualifizierte Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagegesetz müssen mit der Abmahnung ihre Eintragung in der beim Bundesamt für Justiz oder der europäischen Kommission geführten Liste nachweisen. Die tatsächlichen Umstände und die Rechtsverletzung sind klar und verständlich anzugeben, ebenso die Berechnung des Aufwendungsersatzanspruches. Ist der Aufwendungsersatz ausgeschlossen, muss darauf hingewiesen werden. Regelungen zur Vertragsstrafe Die Höhe der Vertragsstrafe hat die Schwere des Verstoßes sowie die wirtschaftliche Stellung und das wirtschaftliche Interesse des Abgemahnten zu berücksichtigen. Bislang übliche Schematisierungen dürften sich damit künftig zugunsten der Einzelfallbetrachtung verbieten. Unangemessen hohe Vertragsstrafen reduzieren sich automatisch auf das angemessene Maß. Bei erstmaligen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr können Mitbewerber kein Vertragsstrafenversprechen fordern. Dies gilt auch für Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung oder das Bundesdatenschutzgesetz durch kleine Unternehmen. Bei nur unerheblichen Beeinträchtigungen der Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern dürfen Vertragsstrafen nur bis zu 1.000 Euro vereinbart werden. Wird eine Vertragsstrafe ohne konkrete Bezifferung vereinbart (sog. "Hamburger Brauch") oder steht die angemessene Höhe der Vertragsstrafe im Streit, soll der Abgemahnte künftig mit Priorität gegenüber einer gerichtlichen Klärung auch ohne Zustimmung des Abmahnenden eine Einigungsstelle nach § 15 UWG anrufen und so Kosten sparen können. Fliegender Gerichtsstand Die Zuständigkeit für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten bleibt in 1. Instanz weiterhin bei den Landgerichten. Allerdings können sich klagende Mitbewerber nicht mehr auf die Verbreitung des beanstandenden Verstoßes berufen und für ihre Klage ein ihnen nach Entfernung oder Rechtsmeinung angenehmes Landgericht heraussuchen. Auch sie müssen künftig am Geschäftssitz des Abgemahnten klagen. Der bisherige "Prozesstourismus" und damit verbundene Missbrauchsanreize sollen abgeschafft werden. Die Rechtsverteidigung des Abgemahnten wird dadurch erleichtert. Eine Ausnahme von der Zuständigkeit des Landgerichts am Wohnsitz des Abgemahnten gilt nur, wenn sich die beanstandete geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Empfängerkreis richtet, also beispielsweise im Rahmen von Messen oder Verkaufsveranstaltungen an bestimmten Orten. Betroffen sind auch unerlaubte Telefonwerbung und Haustürbesuche. In diesen Fällen besteht weiterhin auch die Zuständigkeit des Gerichts in dem Bezirk, in dem die Zuwiderhandlung konkret begangen wurde. Urheberrecht und Designgesetz Die vorgesehenen Änderungen des Urheberrechts sind marginal. Wesentlich wird für urheberrechtliche Unterlassungsansprüche bezüglich des Missbrauchs weitgehend auf die (geänderten) Regelungen des UWG verwiesen. Das Designgesetz wird durch eine "Reparaturklausel" ergänzt, die künftig den Designschutz der Hersteller für sichtbare Kfz-Karosserieteile aufhebt, wenn diese im Rahmen einer Fahrzeugreparatur formidentisch erneuert werden. Für das bloße Ersetzen einzelner Teile zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes sollen künftig auch Produkte des Sekundärmarkts Verwendung finden können, wenn sie einschlägigen Normen und Prüfungsverfahren genügen. Die Reparaturklausel soll aber nicht für Designrechte gelten, die vor dem 01.01.2020 angemeldet wurden. Kurzfassung 1. Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der den Missbrauch im wettbewerbsrechtlichen Abmahnwesen eindämmen soll.2. Durch Beschränkungen in der Abmahn- und Klagebefugnis, des Aufwendungsersatzes, der Vertragsstrafen, des fliegenden Gerichtsstandes und durch eine erweiterte Definition des Missbrauchstatbestandes mit erleichterten Gegenansprüchen sollen finanziellen Interessen dienende Abmahnungen erschwert werden.3. Gleichzeitig sollen die Missbrauchstatbestände im Wesentlichen auch auf Abmahnungen nach dem Urheberrechtsgesetz übertragen werden.4. Mit der Einführung einer "Reparaturklausel" im Designgesetz soll der Designschutz für sichtbare Kfz-Karosserieteile bei reparaturbedingtem Austausch für Design-Anmeldungen ab 2020 aufgehoben werden. Kommentar Das ärgerliche Abmahn-Unwesen könnte durch den aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung tatsächlich eine Eindämmung erfahren. Dies insbesondere im Bereich der einschlägigen Anwaltskanzleien, die aus rein finanziellem Interesse im Namen von "Mitbewerbern" flächendeckend Serienabmahnungen vornehmen. Abzuwarten bleibt allerdings, was von dem Entwurf im Gesetzgebungsverfahren dann tatsächlich überbleibt. Die Intention und der Ansatz erscheinen gut, auch wenn kritische Stimmen aus den verschiedenen Lagern bereits die Vorlage rügen. Fest steht jedenfalls, dass die Abmahnbefugnis der einschlägigen Vereine und Verbände nicht wesentlich beschnitten, sondern allenfalls an formal strengere Anforderungen in Bezug auf die Erfüllung gesetzlicher Voraussetzungen geknüpft werden soll. So wird beispielsweise das Geschäftsmodell der DUH - zuletzt vom BGH als nicht rechtsmissbräuchlich bestätigt - von den Regelungen der Gesetzesvorlage nicht maßgeblich eingeschränkt werden.Rechtsanwalt Robert Glocker

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