Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug und ordnungsgemäße Rechnung

Nach dem geltenden Umsatzsteuersystem kann ein Unternehmer die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Ein Vorsteuerabzug ist aber nur dann möglich, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Ob und inwieweit diese Voraussetzungen vorliegen, ist regelmäßig ein Streitthema zwischen den Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung bei Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen. Dies belegen nicht zuletzt auch die in der jüngeren Vergangenheit ergangenen Urteile zum Vorsteuerabzug. Dabei standen vor allem die notwendigen Angaben für eine ordnungsgemäße Rechnung und die Rechnungsberichtigung im Vordergrund. Voraussetzungen für Vorsteuerabzug Die Steuerpflichtigen oder deren steuerliche Berater müssen bereits in der Buchhaltung für jede Eingangsrechnung und dazugehörigen Geschäftsvorfall beurteilen, ob die nachfolgenden Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug erfüllt sind: - Empfang der Leistung für das Unternehmen (oder Anzahlung vor Empfang der Leistung), - ordnungsgemäße Rechnung, - Verwendung für Abzugsumsätze, d. h. Umsätze, die ihrerseits zum Vorsteuerabzug berechtigen, z. B. umsatzsteuerpflichtige Lieferungen oder umsatzsteuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen und - keine Abzugsbeschränkung, d. h. kein Vorsteuerausschluss für bestimmte nicht abzugsfähige Betriebsausgaben, z. B. kein Vorsteuerabzug für Geschenke über 35 Euro. Ordnungsgemäße Rechnung Im Wirtschaftsverkehr kann über eine erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet werden durch: - Rechnung des leistenden Unternehmers mit gesondertem Umsatzsteuerausweis; - Abrechnungsgutschrift des Leistungsempfängers mit gesondertem Umsatzsteuerausweis, z. B. die Abrechnung des Geschäftsherrn über die Provision des Handelsvertreters; - Abrechnung im Vertrag, z. B. im Mietvertrag bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung. In allen Erscheinungsformen der Rechnung kann die ausgewiesene Umsatzsteuer nur als Vorsteuer abgezogen werden, wenn die Rechnung auch ordnungsgemäß ist. Die Rechnung, Abrechnungsgutschrift oder Abrechnung im Vertrag müssen daher folgende zehn Pflichtangaben enthalten: - Name und Anschrift des leistenden Unternehmers, - Name und Anschrift des Leistungsempfängers, - Steuernummer oder USt-IdNr. des leistenden Unternehmers, - Ausstellungsdatum, - Rechnungsnummer, - Menge und handelsübliche Bezeichnung bei einer Lieferung oder Art und Umfang bei einer sonstigen Leistung, - Zeitpunkt der Leistung, - Entgelt, - Steuersatz und - Steuerbetrag. Name und Anschrift des leistenden Unternehmers Mit den Angaben zum Namen und der Anschrift des leistenden Unternehmers soll die Finanzverwaltung überprüfen können, ob dieser seine Pflicht zur Entrichtung der Umsatzsteuer erfüllt hat. Gleichzeitig soll der Leistungsempfänger feststellen können, ob der Rechnungsaussteller umsatzsteuerlicher Unternehmer ist. Nach bisheriger Auffassung des Bundesfinanzhofs und der Finanzverwaltung war dieses Rechnungsmerkmal nur erfüllt, wenn der leistende Unternehmer unter der Anschrift seine wirtschaftliche Aktivität entfaltete. Dieser engen Sichtweise hat der EuGH eine Absage erteilt. Nach Ansicht der europäischen Richter verlangt der Begriff "Anschrift" nicht, dass der leistende Unternehmer an diesem Ort wirtschaftlich aktiv ist. Die Angabe einer Adresse, unter der der leistende Unternehmer postalisch erreichbar ist, genügt. Denn eine Überprüfung, ob der leistende Unternehmer seine Umsatzsteuerschuld entrichtet hat und Unternehmer ist, kann bereits mit Hilfe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erfolgen. Die Bedeutung der Anschrift tritt insoweit zurück. Bei der Anschrift des Leistungsempfängers hat es schon bisher ausgereicht, wenn ein Postfach oder eine Großkundenadresse angegeben wurde. Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs muss der tatsächlich leistende Unternehmer auch der Rechnungsaussteller sein. Hieran hielt der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil vom 14.02.2019 fest und verwies auf die Ausführungen des EuGH zur Anschrift des Leistungsempfängers. Denn die Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller ermöglicht es, die Entrichtung der geschuldeten Umsatzsteuer und das Bestehen des Vorsteueranspruchs zu kontrollieren. Angabe des Leistungszeitpunkts Grundsätzlich muss eine ordnungsgemäße Rechnung sowohl das Rechnungsdatum als auch den Leistungszeitpunkt beinhalten. Der Leistungszeitpunkt ist auch dann separat anzugeben, wenn sich Rechnungsdatum und Leistungszeitpunkt entsprechen. Mit Urteil vom 01.03.2018 (BFH, Az. V R 18/17) hat der Bundesfinanzhof allerdings entschieden, dass ausnahmsweise bei einmaligen Leistungen nur die Angabe des Rechnungsdatums genügt. Hierfür muss aber die Leistung üblicherweise im Kalendermonat der Rechnungsausstellung erfolgen. Dies ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs insbesondere bei Fahrzeuglieferungen im Kfz-Handel der Fall. Rechnungsberichtigung Häufig werden Fehler in einer Rechnung erst Jahre später im Rahmen einer Betriebsprüfung entdeckt. Die deutsche Finanzverwaltung ließ eine Rechnungsberichtigung zwar zu, allerdings sollte der Vorsteuerabzug erst ab Ausstellung der berichtigten Rechnung zulässig sein. Im Ergebnis entstanden für die Zeit bis zur Rechnungsberichtigung Zinsen, welche der Unternehmer tragen musste. Dies war aus Sicht des EuGH nicht mit europäischem Recht vereinbar. Ein Vorsteuerabzug ist daher von Anfang an zulässig, wenn eine fehlerhafte Rechnung im Rahmen einer Betriebsprüfung korrigiert wird und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Voranmeldungszeitraum erfüllt waren. Kurzfassung 1. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind: Empfang der Leistung für das Unternehmen, im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung, Verwendung für Abzugsumsätze und kein Vorliegen von Abzugsbeschränkungen.2. Eine ordnungsgemäße Rechnung muss grundsätzlich die zehn gesetzlichen Pflichtangaben enthalten. Für die Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers reicht ein Briefkasten.3. Der Unternehmer, welcher die Lieferung oder sonstige Leistung tatsächlich erbringt, muss auch der Rechnungsaussteller sein.4. Die Angabe des Leistungszeitpunkts neben dem Rechnungsdatum ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn bei einmaligen Leistungen die Rechnungsstellung und die Lieferung im selben Monat erfolgen.5. Wird eine Rechnung im Rahmen einer Betriebsprüfung berichtigt, so ist der Vorsteuerabzug von Anfang an zulässig, wenn die übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt waren. Kommentar Auf Grund von Missbrauch bei der Umsatzsteuer, insbesondere beim Vorsteuerabzug, entgehen dem Staat jährlich Milliarden an Steuereinnahmen. Die Finanzverwaltung versucht dies zu bekämpfen, indem sie die gesetzlichen Regelungen zum Vorsteuerabzug besonders streng anwendet. Doch damit schießt die Finanzverwaltung häufig über das Ziel hinaus. So erscheint es schon mehr als fraglich, wenn die Finanzverwaltung redlichen Unternehmern den Vorsteuerabzug versagen will, nur weil formelle Rechnungsangaben fehlen, obwohl dem Finanzamt sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, um die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zu überprüfen. Doch auch dieser Praxis der Finanzverwaltung wurde durch den EuGH ein Riegel vorgeschoben. Die Entscheidungen sind insoweit praxisnah und inhaltlich überzeugend. Es wäre begrüßenswert, wenn auch die Finanzverwaltung die Linie des EuGH zur Abkehr von formellen Kriterien hin zur Stärkung des materiellen Rechts übernehmen würde.Maximilian Appelt Rechtsanwalt Steuerberater www.raw-partner.de

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