Standzeitenmanagement: Wie schnell ist richtig für welchen GW?

Die Diskussion um Standzeiten im GW-Management sowie um die idealen Preisanpassungsrhythmen ist alles andere als neu. Dennoch stellt sich immer wieder die Frage, wie schnell für welchen Typus das richtige Tempo ist. Im GW-Geschäft unterscheiden wir zwei grundlegend unterschiedliche Klassen von Geschäftsarten: preissensible GW einerseits und weniger preissensible GW andererseits. Bei Letzteren handelt es sich um Fahrzeuge, zu denen es nur wenig wirklich vergleichbare Ware gibt. Diese Kriterien erfüllen in erster Linie ältere Fahrzeuge aus Inzahlungnahmen: Als Beispiel nehme man einen sechs bis sieben Jahre alten BMW 320d Automatik mit 70.000 bis 100.000 Kilometern. Ohne Präzisierung der Ausstattung gab es hierzu am 26. Oktober 2017 auf Mobile.de deutschlandweit bei Händlern gerade einmal 13 Treffer. Die Gefahr, dass der Marktpreis bei diesem GW in absehbarer Zeit merklich abfällt, ist überschaubar, ein Abverkaufsziel von 90 bis 120 Tagen erscheint hier aus Gründen der Liquiditätsbindung und potentiellen Standschäden dennoch angebracht. In der Praxis allerdings bemerkt man regelmäßig, dass gerade diese GW schnell abfließen, Probleme mit Standzeiten treten hier sehr selten auf. Über 80 Prozent der Bestandsfahrzeuge sind preissensibel Auf der anderen Seite sind v. a. die Geschäftsarten "Junge Gebrauchte/Freier Zukauf" und "Leasingrückläufer" höchst preissensibel. Die Problematik dieser GW resultiert aus der großen Anzahl vergleichbarer Fahrzeuge im Markt: Nimmt man dasselbe BMW-Modell wie oben als jungen Gebrauchten (z. B. mit EZL 16/17 und 10.000 bis 30.000 Kilometern) oder typischen Leasingrückläufer (z. B. mit EZL 14/15 und 30.000 bis 50.000 Kilometern) als Beispiel an, gibt es bei sonst identischer Selektion 252 Fahrzeuge (junge Gebrauchte), bzw. 138 Fahrzeuge (Leasing-Rückläufer) und damit zehn- bis 20-mal so viele wie bei der entsprechenden Inzahlungnahme. Entsprechend sind die Preisabstände zwischen dem ersten und letzten Fahrzeug auf Seite 1 einer Fahrzeugbörse oftmals nur im kleinen dreistelligen Bereich, d. h. hier können ausgebliebene Preisreduzierungen bedeuten, dass man sehr schnell aus dem Sichtfeld des Kunden gerät. Entsprechend muss hier die zeitliche Taktung der Anpassungen viel schneller erfolgen, wir empfehlen da 20-Tages-Zyklen. Engmaschige Preisanpassungen und strikte Abverkaufsziele sind Pflicht Das Einhalten der Preiszyklen allein führt aber noch nicht zum Ziel. Verknüpft werden müssen diese Preisanpassungen mit einem konkreten Abverkaufsziel. Die Begründung liegt im so genannten "Wasserfalleffekt", der vielen GW-Verantwortlichen vertraut ist, aber dessen Logik noch nicht konsequent in die tägliche GW-Routine einfließt. Der Effekt begründet sich unter anderem darauf, dass gerade bei den preissensiblen Geschäftsarten ein regelmäßiger Zufluss vergleichbarer Fahrzeuge in den Markt zu erwarten ist. Diese nachrückenden GW unterscheiden sich vor allem dadurch, dass sie jünger und damit aus Kundensicht attraktiver sind. Das zeitnahe Veralten des preissensiblen GW sorgt also für einen drohenden Preisverfall. Bezogen auf die Erträge bedeutet das, dass diese nur für eine kurze Zeit relativ konstant sind, die Kante des Wasserfalls ist da noch nicht erreicht. Ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings setzt der Wasserfall der Erträge zum freien Fall an, das Verlustrisiko wächst mit jedem Tag. Die Praxis zeigt: Nach 60 Tagen brechen die Erträge weg Bleibt die Frage, wann die Kante des Wasserfalls im Schnitt erreicht wird. Die Antwort darauf kann man aus konkreten Zahlen ableiten. Abbildung 1 zeigt als Beispiel Daten zum GW-Verkauf der Pkw-Sparte eines Autohauses im Premium-Segment per 09/2017. Dabei sind die wichtigsten Informationen die Standzeiten-Cluster und die erzielten Deckungsbeiträge I. In Zeile 1 und 2 der Tabelle, also den ersten 60 Tagen, sind die Erträge weitestgehend stabil (der um drei Prozentpunkte höhere Ertrag im ersten Monat erklärt sich im vorliegenden Beispiel etwa zur Hälfte durch einen hohen Anteil an Händler-GW). Die Wasserfall-Kante wird dann eindeutig beim Übergang von Zeile 2 auf Zeile 3, also nach 60 Tagen, überquert: Der Ertrag fällt hier um über sechs Prozentpunkte. Mutige und marktgerechte Preisanpassungen als Erfolgsrezept Für die Verantwortlichen im Autohaus bedeutet das, dass das Abverkaufsziel von 60 Tagen für die preissensible Ware alternativlos ist. Die eigentliche Kunst besteht darin, durch die Wahl des ersten Angebotspreises und ggf. der folgenden Preisanpassungen eben diesen Abverkaufserfolg sicherzustellen. Hier gibt es zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen, die im Folgenden illustriert werden. Der defensive Preisfinder (Abb. 2) preist (vor allem bei schlechten EK-Preisen!) den GW zu hoch ein und danach aus Angst vor Verlusten zu zögerlich ab. Dies führt dazu, dass er in vielen Fällen immer oberhalb des Wasserfalls schwimmt, das Eintauchen, sprich der Abverkauf gelingt erst spät, wenn die Erträge schon längst im Fallen sind. Der mutige Bestandsverantwortliche hingegen (Abb. 3) nimmt, wenn nicht schon der erste Angebotspreis zum Erfolg führt, nach 20 Tagen eine mutige Preisreduzierung vor und taucht damit bildlich frühzeitig tief ins Wasser ein. Und obwohl der zu diesem Zeitpunkt realisierbare Marktpreis ggf. um ein paar Euro unterschritten wurde, fährt der zweite GW-Manager damit deutlich besser als der erste, der im x-ten Versuch exakt den Marktpreis trifft. Mehr Zeit und Platz für ein rentables GW-Geschäft Ein wichtiger positiver Nebeneffekt kommt noch hinzu: Anstatt sich darüber zu ärgern, dass womöglich durch eine zu große Anpassung ein paar Euro verloren gegangen sein könnten, wendet sich der mutige GW-Verantwortliche dem nächsten Geschäft zu und dreht zwei oder drei GW nach dem gleichen Prinzip, während der zögerliche Kollege noch immer den GW-Platz mit seinem Langsteher vollstehen hat. Abschließend noch ein Warnhinweis: Es wäre grundlegend falsch zu meinen, GW-Management ließe sich auf optimales Preis- und Standzeitenmanagement reduzieren. Letzteres ist streng genommen nur dann die mögliche zum Erfolg verhelfende Kür, wenn davor das Pflichtprogramm der klassischen GW-Prozesse erfolgreich beherrscht wird. Prof. Dr. Stefan Rostek lehrt als Professor für Automobilwirtschaft, insbes. Automobilhandel an der HfWU Nürtingen-Geislingen. Er ist zudem geschäftsführender Gesellschafter der Rostek Consulting GmbH. 16. GW-Kongress Prof. Dr. Stefan Rostek wird das Thema beim 16. AUTOHAUS / DEKRA GW-Kongress am 4. und 5. Dezember 2017 in Hannover vertiefen. Dort nehmen Management-Profis die aktuellen Markttrends im digitalen Gebrauchtwagen-Handel unter die Lupe. Im Mittelpunkt steht dabei die Ertragskraft im GW-Geschäft.Weitere Infos und Anmeldung unter www.autohaus.de/gw-kongress2017

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