Handelsmarke: Die halbe Miete

AH: Herr Hensch, worin lagen die Beweggründe, sich mit dem Thema "eigene Markenbildung" im Mittelstand zu beschäftigen? G. Hensch: Weil es mir fürchterlich auf den Nerv geht, dass wir in Deutschland glauben, der Kunde kaufe Preise und alle Kunden wollten nichts bezahlen. Was nur stimmt, wenn die Ware oder Dienstleistung völlig identisch oder beliebig ist. Wer sich mit Marketing beschäftigt, den interessiert immer, was die Unternehmen, die man berät, außergewöhnlich macht. Das Außergewöhnliche lässt Kunden kaufen. Auch zu höheren Preisen. Im schlimmsten Falle und in Deutschland bieten die Angebote viel zu oft das Attribut "außergewöhnlich günstig"! Das geht so weit, dass Kunden das Geld, das sie bereit sind zu zahlen, gar nicht im Autohaus ausgeben können, weil dort nur via "günstig" verkauft wird. Wenn bundesweite Herstellerstandards Begeisterung wecken sollen, dann steht dem Marketing eine harte Zeit bevor! Der Mittelstand definiert sich gern über Werte wie Fleiß und Leidenschaft, Qualität und Pflichtbewusstsein. Darin liegt das zentrale Problem. "Das Glück ist mit dem Tüchtigen" stimmt erstens nicht und zweitens reicht das definitiv nicht aus, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Gut singen zu können und nett zu sein macht noch keinen erfolgreichen Sänger! Erst die Marke macht die Fans. Und da unterscheidet sich der Mittelstand in nichts von einem Popstar, einem Comedian oder einer Gesichtscreme in einer blauen Dose. Mit diesem Buch bin ich angetreten, den automobilen Mittelstand genau da zu unterstützen. Es geht darum, die vorgenannten Werte und damit das, was ein Unternehmen außergewöhnlich macht, in eine konsequente Markenaussage münden zu lassen. Das lässt den Kunden ins Autohaus kommen. Das ist es letztlich, was Kunden auch dazu bringt, vernünftige Preise zu bezahlen, die einem Unternehmen Rendite und Zukunftsperspektive sichern. Und davon haben wir gerade in der Kfz-Branche deutlich zu wenig. Hersteller-Handelsmarke AH: Hier die Herstellermarke, dort die Handelsmarke. Symbiose oder Widerspruch? Die Hersteller legen keinen besonderen Wert darauf, dass ihre Händler ihre Eigenmarke entwickeln. Man löscht sogar bei manchen Herstellern die Familiennamen aus der Attika? G. Hensch: Die Hersteller verfolgen mit dieser Vorgehensweise konsequent ihren Markengedanken. Dagegen ist aus Markensicht nichts zu sagen und das wäre ja auch völlig in Ordnung, wenn es sich um ein Franchisemodell handeln würde. Oder wenn die Markenvertretung so viel Rendite bringen würde, dass es schlicht egal ist. Wenn man in einem schwieriger werdenden Markt selbständig agierende Unternehmer mit vollem Kostenrisiko haben will, dann sollte man ihnen nicht vorschreiben, wie sie zu heißen haben. Wäre es für alle Beteiligten nicht viel besser, wenn man darauf hinwirken würde, eine Handelsmarke, die den lokalen Markt kennt, mit einer Herstellermarke auszustatten? Natürlich unterhält man sich dann mit selbstbewussteren Partnern. Aber eben im Sinne einer bestmöglichen Marktbearbeitung und nicht im Sinne eines ewigen Hauens und Stechens, welche Standards denn nun bis wann umzusetzen sind. Wenn es in der heutigen Marktsituation vielfach nicht mehr möglich ist, trotz hoher Standardauflagen und hohem finanziellem Einsatz Geld zu verdienen, dann ist mir nicht ganz klar, woher so mancher Hersteller sein Ego bezieht, dem Händler vorzuschreiben, dass er seinen Namen, aber nicht sein Risiko aus der Außendarstellung nimmt. Mitarbeiter und Markenbildung AH: Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei der Bildung der Eigenmarke? G. Hensch: Ich möchte das mit den Worten meiner Frau in Bezug auf die Ausstattung mit Visitenkarten beantworten: "Wenn du gut bist, brauchst du keine, wenn du schlecht bist, hast du besser keine!" Will sagen: Wenn die Mitarbeiter die Markenwerte eines Unternehmens leben, dann assoziiert der Kunde das gute Gefühl mit der Marke und kann sich sehr schnell im Positiven daran erinnern. Im Negativen funktioniert das allerdings auch. Dabei ist elementar, dass gute Leistung vielfach hingenommen, schlechte aber sofort registriert wird. Viele Mitarbeiter wissen aber schlicht gar nicht, welches Verhalten denn nun gewünscht ist, welches Know-how erwartet wird. Und dann wird Markenaussage schicksalhaft. Da hilft auch keine Ausbildung einer Gütegemeinschaft, so qualitativ hochwertig sie auch ist. Die deckt vielleicht die Herstellervorstellung ab und verhindert Schlimmeres. Das lässt sich auch nicht mit einer Qualitätsmanagementnorm abbilden. Mitarbeiterverhalten spielt sich eine Ebene darunter ab. Und da ist das Leben bunter als jede Norm. Und wir wollen ja als Kunden auch nicht von seelenlosen Soldaten bedient werden, sondern von überzeugten Menschen, die mit all ihren Facetten die Marke zum Leben erwecken. Die individuelle Marke AH: Autohaus ist ja nicht gleich Autohaus. Der eine hat die Marke X, der andere Y. Der eine hat seinen Standort mitten in der Stadt, der andere auf dem Land. Wie ist hier Markenbildung zu sehen? G. Hensch: Die zentralen Fragen sind immer: Warum sollte der Kunde zu uns kommen? Was macht uns einzigartig? Ist man ein kleines Autohaus, spielen persönlichere Aspekte sicherlich eine größere Rolle, als wenn man eine große Autohausgruppe repräsentieren möchte. Als Ansatzpunkt kann man zunächst einmal seine Stammkunden fragen, warum die denn zu einem kommen. Damit hat man schon einen guten Hinweis, was den bestehenden Kunden gefällt und was sie im Gespräch mit anderen als empfehlenswert beurteilen. Und dann sollte man sich überlegen, ob es nicht mehr Menschen im Markt gibt, die solchen Aspekten folgen wollen, und seine Markenaussage in diese Richtung verstärken. Oder man stellt fest, dass es da kaum noch Wachstumspotenzial gibt. Dann müsste man sich konsequenterweise überlegen, wie man seine Produkt- und Leistungspalette sinnvoll erweitern kann, um neue Kundengruppen zu erschließen. Das Markenmosaik AH: Sie haben in Ihrem Buch die vielen kleinen Mosaiksteine dargestellt, über die Markenbildung gelingt. Welche Steine haben die größte Wirkung? G. Hensch: Zunächst einmal die Erkenntnis, dass Marke und Markenimage für Unternehmen jeder Größe wichtig sind. Natürlich wird ein kleines Autohaus, eine freie Werkstatt keine Markenbekanntheit bekommen wie ein Konzern. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dem Kunden das sichere Gefühl zu geben, mit der Wahl des Unternehmens die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Kontrolle ist eines der Urbedürfnisse der Menschen. Und die geben Marken und damit einhergehende durchgängige Markeninhalte. Ganz wichtig: auch online. Ich verweise da gerne auf die Bewertungsplattform "kununu", die Mitarbeitern, aber auch z. B. enttäuschten abgelehnten Bewerbern die Möglichkeit gibt, das Unternehmen zu bewerten. Für den Unbeteiligten, der dann die Hasskommentare liest, ist das erst mal die Wahrheit. Und wenn man als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass diesen Kommentaren genug positive Kommentare entgegenstehen, dann ist man das Unternehmen, welches morgen den Kampf um die Fachkräfte verliert. Das Gleiche gilt auch für die Google-Bewertungsfunktion. Hat ein Unternehmen aber eine gute Internetpräsenz, auf der auch zum Beispiel die Ergebnisse der Kundenzufriedenheitsauswertung dargestellt werden, dann hat man die Möglichkeit, seine Außendarstellung positiv zu gestalten. Das geht eben nicht über die Gießkannen-Homepage eines Herstellers. AH: Was versprechen Sie dem Leser, was er an Nutzen aus Ihrem Buch zieht? G. Hensch: Bei meinem letzten Buch "Starke Serviceberater" haben mich einige Kommentare erreicht, 69 Euro wären aber schon sehr teuer: Diesen Lesern verspreche ich, dass sie mit dem Buch als Geschenk einem interessierten Kollegen eine Riesenfreude machen und sich gleichzeitig selbst schaden. Ansonsten kommt es drauf an: Sieht sich jemand noch gar nicht als Marke und nimmt dieses Buch trotzdem zur Hand, dann hat er eine hervorragende Bauanleitung, an der er sich gedanklich entlanghangeln kann. Ist im Grunde schon eine ganz gute Marke etabliert, dann kann das Buch helfen, "durch die Ecken zu kehren" und noch in Details besser zu werden. Liest man aber das Buch und hält immer mal inne und überlegt, "wie wäre das bei mir" - dann bietet dieses Buch die Chance, eine individuelle Markenaussage treffen zu können, welche das Unternehmen auf den Punkt repräsentiert und die Basis für bestmögliche Marktbearbeitung schafft. Denn ich glaube ganz fest daran: "Es gibt ein Leben - als Marke!" AH: Herr Hensch, danke für das Gespräch! Interview: Prof. Hannes Brachat Kurzfassung Das Glück ist mit den Tüchtigen? Stimmt nicht, sagt Georg Hensch. Gut und freundlich sein reiche nicht aus, das können viele. Eine Handelsmarke hingegen ist effektiver Träger von vielen Werten, die sich der Kunde merkt. In ihrer Ausgestaltung, so Hensch, wolle er den Mittelstand unterstützen. Buch bestellen Georg Hensch: "Starke Marke - Wie Sie eine eigenständige Handels- und Servicemarke werden"Softcover, 17 x 24 cm, farbig 176 Seiten 1. Auflage 2015 69 Euro (73,83 Euro inkl. MwSt.) zzgl. VersandkostenBestell-Nr. 197 Bestellung: Tel. 089/203043-1900 oder über www.springer-automotive-shop.de

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