Ausgabe 20/2013: Auf allen Kanälen

Das Erfolgskonzept der herstellergebundenen Automobilfinanzdienstleister in Deutschland ist in Gefahr. Bisher setzten sie beim Vertrieb ihrer Leasing- und Finanzierungsprodukte für Endkunden primär auf den stationären Automobilhandel. Die verstärkte Nutzung des Internets, das veränderte Kundenverhalten im Entscheidungsprozess sowie die sich wandelnde Einstellung zum Fahrzeugbesitz stellen Automobilbanken und Automobilhändler vor große Herausforderungen. Wer diese erkennt und sein Geschäfts- und Vertriebsmodell fundamental überprüft, wird im Automobilmarkt von morgen richtig positioniert, profitabel und erfolgreich sein.Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellen sich primär drei Fragen: Vor welche konkreten Herausforderungen stellt der Käufer die Automobilbanken und -händler? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Automobilhändler? Welche großen Chancen können Automobilbanken und -händler heute nutzen, um sich dem wachsenden Wettbewerbsdruck erfolgreich zu stellen? Mit diesen strategischen Fragestellungen befasst sich die aktuelle Studie "Multikanalvertrieb - Erfolgsschlüssel für Automobilhandel und Autobanken" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY in Zusammenarbeit mit puls Marktforschung. Im Rahmen einer Umfrage unter 1.000 Endkunden sowie 400 Automobilhändlern werden die Herausforderungen und Chancen von heute für den Automobilmarkt von morgen untersucht.Der Kunde bestimmt den MarktDas Verhalten des Automobilkäufers hat sich grundlegend geändert. Immer häufiger wird auf das Internet zur Informationsfindung zurückgegriffen (vgl. Grafik 2), und die Fahrzeugfinanzierung steht im Entscheidungsprozess im Vordergrund. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass für knapp 40 Prozent der (potenziellen) Endkunden das Internet die mit Abstand wichtigste Informationsquelle darstellt. Auch geben rund 75 Prozent der Befragten an, den Automobilhändler gar nicht erst aufzusuchen, wenn Informationen zum Kauf, zur Finanzierung oder zum Leasing des Fahrzeugs benötigt werden. Der Informationsbeschaffungsprozess und die damit verbundene Suche über das Internet gewinnt insbesondere an Brisanz, weil sich die Mehrheit der Autokäufer noch vor der Modell- und Händlerwahl über Finanzierungsangebote im Internet informiert.Folglich verdeutlichen diese Ergebnisse, dass die Internetpräsenz der Händler von fundamentaler Bedeutung ist, um möglichst viele Kunden - sowohl seitens des Händler als auch des Automobilfinanzdienstleisters - zu erreichen. Jedoch treten viele Automobilhändler dieser digitalen Herausforderung mit bisher statischen Informationsangeboten entgegen. Der Kunde erfährt zwar beispielsweise, dass Neuwagen angeboten werden, aber er erhält keine Informationen über die aktuellen Verfügbarkeiten oder die damit verbundenen Finanzierungsangebote.Individuelle MobilitätskonzepteWeiterhin ist der klare Trend zu erkennen, dass das Internet auf dem besten Wege ist, sich auch im Automobilvertrieb von einer reinen Informationsquelle zur Geschäftsplattform zu wandeln. So sind rund 50 Prozent der Neu- und Gebrauchtwagenkäufer bereit, ihr Fahrzeug bei einem passenden Finanzierungs-/ Leasingangebot direkt online im Internet zu finanzieren. Um diese Chancen nutzen zu können, sind Automobilbanken gefordert, ihren eigenen Webauftritt sowie ihre Gesamtpositionierung im Internet zu optimieren.Die zunehmende Veränderung der Kundenpräferenz - weg vom Besitz zur reinen Nutzung des Fahrzeugs - wird im Bereich der alternativen Mobilitätskonzepte insbesondere im boomenden Carsharing-Markt deutlich. Insbesondere die Kundengruppe der unter 30-Jährigen steht der Nutzung neuer Mobilitätsangebote aufgeschlossen gegenüber, und rund 17 Prozent der Befragten gaben an, Carsharing bereits genutzt zu haben. Des Weiteren zeigen die Umfrageergebnisse, dass über 25 Prozent der (potenziellen) Automobilkäufer aus diesem Kundensegment bereit wären, auf ein eigenes Auto zu verzichten, um auf ein ganzheitliches alternatives Mobilitätskonzept umzusteigen. Hierbei liegt die Bereitschaft bei Kunden aus Städten mit über 50.000 Einwohnern bei 37 Prozent. Als alternatives Mobilitätspaket liegt die Präferenz der Befragten auf Carsharing in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Insbesondere in Anbetracht der fortschreitenden Urbanisierung, des wachsenden Umweltbewusstseins und der veränderten Einstellung zum Auto empfehlen wir, diese Kundenresonanz für die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte oder -pakete zu berücksichtigen. Hierbei sind die herstellergebundenen Automobilbanken als Schnittstelle zwischen Hersteller und Handel gut positioniert, um gemeinsam mit dem Autohersteller und den Automobilhändlern individuelle Mobilitätsdienstleistungen für den Kunden zu schaffen.Händlerfremde DienstleistungenBesonders überraschend beim Thema Carsharing waren die Ergebnisse der Händlerumfrage. Obwohl 51 Prozent der befragten Automobilhändler Carsharing als Risiko für ihren Geschäftsbetrieb betrachten, stehen nahezu 90 Prozent der Befragten der Übernahme von Dienstleistungen im Rahmen des Carsharings offen gegenüber. Die Mehrheit der befragten Automobilhändler ist bereit, Reparaturservices anzubieten, gefolgt vom Reinigungsservice mit ca. 70 Prozent und Abholservice mit über 50 Prozent. Neben dem Anbieten dieser händlerfremden Dienstleistungen könnte sich fast die Hälfte aller befragten Automobilhändler vorstellen, in das Geschäft des Carsharings als Lizenznehmer einzusteigen.Bausteine für die ZukunftObwohl die strategische Ausrichtung des Geschäfts- und Vertriebsmodells im Autohandel noch unklar ist, sieht die Mehrheit der befragten Automobilhändler eine Verbesserung des Kundenservices (24 Prozent) und das Angebot alternativer Mobilitätskonzepte (rund 20 Prozent), wie z. B. Carsharing, als zwei wesentliche Bausteine für den Erfolg in der Zukunft an (vgl. Grafik 1).Erstaunlicherweise gaben 20 Prozent der befragten Händler an, nicht zu wissen, wie sie aus den Herausforderungen Chancen für ihr Unternehmen schaffen können. Dies ist ein klares Signal für automobile Finanzdienstleister, den Dialog mit dem Automobilhändler zu suchen, um gemeinsam eine Lösung für eine erfolgreiche Geschäftsgestaltung zu finden.* Jens Diehlmann ist Partner bei EY und Global Automotive Finance LeaderKurzfassungZurzeit sind (potenzielle) Automobilkunden den Automobilbanken und Automobilhändlern in der Online-Affinität und beim Bedarf besitzloser Mobilität voraus. Vor diesem Hintergrund sind Automobilbanken und Automobilhändler gefordert, gemeinsam eine integrierte Multikanal-Vertriebsstrategie zu erarbeiten, um sich dem Wandel und den Herausforderungen im automobilen Vertriebssystem erfolgreich zu stellen und Wachstumspotenziale voll auszuschöpfen.Hierfür hat EY basierend auf den Ergebnissen der aktuellen Studie "Multikanalvertrieb - Erfolgsschlüssel für Automobilhandel und Autobanken", eine Toolbox mit einem 7-Stufen-Plan entwickelt, um Synergiepotenziale bei der Umsetzung einer integrierten Multikanal-Vertriebsstrategie zwischen Automobilfinanzdienstleister und Automobilhändler zu erzielen.

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