Volkswagen Abgasskandal: Folgen für die Händler

Der VW-Abgasskandal ist in aller Munde. Nach bisherigem Kenntnisstand wurden die TDI-Dieselmotoren EA 189 ab dem Jahr 2009 quer durch die Konzernmarken in 9 bis 11 Millionen Fahrzeuge verbaut, etwa ein Viertel davon dürften auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Wie viele Motoren der Baureihe tatsächlich mit der manipulierenden Software ausgestattet sind, ist nicht abschließend geklärt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht auch andere Hersteller Abgaswerte mit vergleichbaren Manipulationen geschönt haben. Aktuell steht jedenfalls den Händlern und Werkstätten der Marken VW, Audi, Skoda und Seat eine wegen des Aufwandes, der allenfalls kostendeckenden Vergütung und des Imageverlustes besonders unerfreuliche Rückrufaktion bevor. Dabei ist aber noch unbekannt, was VW und die anderen Konzernmarken den betroffenen Kunden und den Werkstätten konkret anbieten werden, damit die Abgaswerte der betroffenen Fahrzeuge ohne die manipulierende Software und ohne Einbußen der übrigen Leistungsmerkmale die versprochenen Schadstoffwerte einhalten. In diesem Zusammenhang stellen sich für den Handel aber eine Reihe weiterer Fragen betreffend die eigene Rechtsposition gegenüber den Kunden. Vertragsstornierungen Unterschiedlich berichtet wird aus der Praxis von der Virulenz des Themas Vertragsstornierungen. Wenn sich Neufahrzeugkunden in Folge der aufgedeckten Manipulationen vor der Auslieferung nicht mehr an ihre Bestellung gebunden sehen wollen, gilt zunächst das Übliche: Ist der Vertrag bereits wirksam zustande gekommen, kann sich der Kunde nicht mit dem "Generalverdacht" wieder lossagen, die Manipulationen der Steuersoftware bei bestimmten Motoren in der Vergangenheit könnten auch bei aktuell auszuliefernden Modellen bestehen. Auch die bloße Vermutung oder die Angst, Abgaswerte könnten regulär nicht eingehalten werden, hilft dem Kunden nicht. Er bleibt an einen wirksam geschlossenen Vertrag gebunden. Anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn ihm vertraglich ein Rücktrittsrecht vorbehalten war oder bereits vor der Lieferung feststehen sollte, dass das auszuliefernde Fahrzeug werkseitig tatsächlich einen Mangel aufweist. Im letzteren Fall kann die Abnahme vom Kunden verweigert und die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeuges verlangt werden. Erst wenn dieses Verlangen nicht erfüllt wird, besteht das Recht zum Rücktritt und gegebenenfalls auch zum Schadensersatz. Für den Gebrauchtwagenkauf gilt das Entsprechende mit der Maßgabe, dass solche Gebrauchtfahrzeuge, die über Motoren mit der manipulierten Abgassoftware verfügen, mangelhaft sind, es sei denn diese Eigenschaft wäre im Kaufvertrag als Beschaffenheitsvereinbarung mit aufgenommen worden. Vor einer Stornierung des Gebrauchtwagenkaufvertrages hat der Kunde erfolglos die Mängelbeseitigung geltend zu machen. Die ersatzweise Lieferung eines anderen Gebrauchtfahrzeuges scheidet regelmäßig aus. Sachmängelhaftung Auch wenn der Händler mit den Manipulationen des Herstellers nichts zu tun hat, wird ihm die eigene Sachmängelhaftung als Verkäufer nicht erlassen. Im Verhältnis zu seinen Kunden hat der Händler als Vertragspartner nach den kaufrechtlichen Vorschriften seinen Kopf dafür hinzuhalten, dass die angegebenen Abgaswerte der betroffenen Fahrzeuge auf manipulierten Messungen beruhen. Da es sich bei den günstigen Abgaswerten und der Zuordnung zu Schadstoffklassen auch um offizielle Werbeaussagen des Herstellers zu den Eigenschaften des konkreten Fahrzeugtyps handelt und der Käufer die Einhaltung dieser Werbeaussagen erwarten darf, haftet der Händler aus seinem Kaufvertrag selbst dann, wenn dort von spezifischen Abgaswerten oder einer Klassifizierung des Fahrzeuges nach Schadstoffeffizienzgruppen gar keine Rede ist (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB). Auch auf einen "Stand der Serie" kann sich der Händler vorliegend nicht berufen. Ist die "Gewährleistungsfrist" noch nicht abgelaufen oder die Sachmängelhaftung nicht wirksam ausgeschlossen, kann der Kunde also auch den Händler persönlich auf Nacherfüllung in Anspruch nehmen und von ihm "die Beseitigung des Mangels" verlangen. Geschuldet ist eine Nachrüstung des Fahrzeuges so, dass die vom Hersteller angegebenen Abgaswerte im entsprechenden Messverfahren regulär erreicht werden und gleichzeitig keine maßgebliche Beeinträchtigung der übrigen Leistungsmerkmale auftritt. Gelingt dies dem Händler nach zweimaligem Versuch nicht, kann der Kunde Minderung des Kaufpreises verlangen oder vom Kaufvertrag zurücktreten. Ein Ausschluss des Rücktritts wegen eines nur geringfügigen Mangels hat jedenfalls dann auszuscheiden, wenn die unmanipulierten Abgaswerte die manipulierten erheblich übersteigen. Die Grenze der Erheblichkeit wäre zu definieren. Für die Nichteinhaltung angegebener Kraftstoffverbrauchswerte hat die Rechtsprechung bereits Vorgaben getroffen. Ob eine Übertragung der 10%-Grenze vorliegend hilfreich wäre, ist Tatfrage der vergleichenden Messergebnisse unter genormten Bedingungen. Dem Händler drohen bei fehlgeschlagener Nacherfüllung auch Schadensersatzansprüche. Dies allerdings nur für einen in der zeitlichen Folge entstehenden Schaden. Neben Reparaturkosten wäre hier auch an Ansprüche wegen möglichem Verlust von Steuervorteilen zu denken. Für zurückliegende Zeiträume vor fehlgeschlagener Nacherfüllung haftet der Händler nicht, da er zwar ein mangelhaftes Auto verkauft, die ursächliche Pflichtverletzung des Herstellers aber nicht zu verantworten hat. Gebrauchtwagengeschäft Wer noch betroffene Gebrauchtfahrzeuge auf dem Hof stehen hat, sollte den Verkauf bis zur durchgeführten Rückrufaktion zurückstellen oder im Kaufvertrag klar das Manko des Fahrzeuges bezeichnen: "Abgasskandal-Fahrzeug" wäre hier deutlich, aber sicher nicht den Kaufpreis stützend. "Rückrufaktion wegen werkseitig manipuliertem Abgasverhalten läuft/steht bevor" oder "Abgaswerte lt. Herstellerangabe unzutreffend" sind u. a. denkbare Alternativen. In jedem Fall besteht in Anbetracht der bekannten Thematik eine Prüfpflicht des Händlers und eine Hinweispflicht, wenn von ihm angebotene Gebrauchtfahrzeuge "Skandalfahrzeuge" sind. Geht man davon aus, dass die Hersteller alsbald taugliche Lösungen anbieten, bliebe für den Händler insoweit lediglich das Problem, Fristsetzungen unkulanter Kunden trotz des allgemeinen Ansturms und zu erwartender Lieferzeiten in angemessener Zeit zu bedienen und so nicht die Tür für Rückabwicklung, Minderung und Schadensersatz zu öffnen. Rückgriff Die Rückgriffmöglichkeiten des Händlers beim Hersteller bestimmen sich im Rahmen des Neuwagengeschäfts weitgehend nach den vertraglichen Vereinbarungen. Die dem Händler seinerseits grundsätzlich gegen den Hersteller zustehenden gesetzlichen Sachmängelhaftungsansprüche sind hier eingeschränkt reguliert bis hin zu den reduzierten Vergütungssätzen des Herstellers. Die vertragliche Regulierung von Rückgriffansprüchen aus Geschäften mit Verbrauchern bei Rücktritt, Minderung oder Nacherfüllung darf den Händler aber in der Gesamtbetrachtung gegenüber der gesetzlichen Regelung wirtschaftlich nicht schlechter stellen. Vertragliche Bestimmungen, die die Ansprüche des Händlers hier einschränken, sind unwirksam, wenn sie dafür nicht einen gleichwertigen Ersatz einräumen (§ 478 BGB). Kausale Schäden aus Gebrauchtwagengeschäften können nur unter dem Aspekt der unerlaubten Handlung im Hinblick auf den Betrug bei den Abgasmessungen geltend gemacht werden. Hier besteht aber grundsätzlich die Möglichkeit zur "Exculpation", d.h. der Hersteller könnte sich entlasten, wenn er von den Manipulationen auf der Ebene der Geschäftsleitung nichts wusste und die Tätigkeiten der verantwortlichen Mitarbeiter immer ausreichend kontrollierte. Hier darf man auf das Ergebnis der laufenden Ermittlungen gespannt sein. Kurzfassung 1. Der Abgasskandal bringt für die betroffenen Händler und Servicebetriebe nicht nur eine gigantische Rückrufaktion, sondern auch eigene Verantwortlichkeiten gegenüber dem Kunden im Rahmen der vertraglichen Sachmängelhaftung.2. Vertragsstornierungen sind grundsätzlich nicht möglich. Vorrangig ist bei Neufahrzeugverträgen die mangelfreie Lieferung und bei Gebrauchtfahrzeugen die Nacherfüllung auch vor Auslieferung geltend zu machen.3. Die Rückgriffmöglichkeiten des Händlers gegen den Hersteller sind durch die vertraglichen Regelungen weitgehend beschränkt. Bei Verbraucherverträgen sind solche Beschränkungen aber unwirksam, wenn sie den Händler gegenüber der gesetzlichen Regelung schlechter stellen. Kommentar Laut ARD-Deutschlandtrend gehen 81 Prozent der Befragten davon aus, dass der Abgasskandal die gesamte Branche und nicht allein VW betrifft. Mehrfach war in der Presse bereits zu lesen, dass Praxistests auch für Fahrzeuge anderer Hersteller stark von den offiziellen Messwerten abweichende Schadstoffkonzentrationen ergeben haben. Solche Tests wurden bislang aber als nicht repräsentativ bezeichnet. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob bislang lediglich die Spitze eines Eisberges sichtbar geworden ist.Rechtsanwalt Walter Sattler

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