Wettbewerbszentrale: Haftungsrisiko bei DSGVO steigt

KURZFASSUNG: Ein Seminar der Wettbewerbszentrale behandelte juristische Themen der Automobilbranche. Wichtige Neuerungen umfassen das steigende Haftungsrisiko für Unternehmen bei Datenschutzverstößen, die Überarbeitung der Pkw-Label hinsichtlich WLTP, CO2-Kosten und Energieeffizienz sowie die Legalisierung der Produktion und des Vertriebs von Ersatzteilen durch Dritthersteller. Die Location hätte für die zahlreich vertretenen Juristen der Automobilbranche kaum besser gewählt werden können. Im Nationalen Automuseum "The Loh Collection" fanden sich Teilnehmer und Vortragende zwischen Mercedes 300 SL, TMC DeLorean und Co. ein, um über geplante Gesetzesnovellen und andere Neuerungen, die das juristische Fundament der Branche tangieren, zu sprechen. Änderung der Pkw-EnVKV Änderungen werden derzeit beim Thema WLTP forciert. Der "deutsche Sonderweg" bei den Verbrauchsangaben solle beendet werden, erklärt Katrin Lütgenau, Referentin Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die relative Klasseneinteilung soll daher einer absoluten weichen und damit vermieden werden, dass Fahrzeuge aufgrund ihres hohen Gewichts in eine bessere Schadstoffklasse rutschen können. In den Augen des Ministeriums ist dies längst überfällig, schließlich würden bereits jetzt mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Verbraucher das Label für statisch halten, erklärt Lütgenau, indem sie auf eine entsprechende Studie verweist. Ein weiterer kolportierter Änderungspunkt betrifft phasenspezifische Verbrauchsangaben, um welche die künftige Ausweisung der Fahrzeug-Verbrauchsangaben erweitert werden soll. Die phasenspezifischen Werte sollen den jeweiligen Kraftstoff- bzw. Stromverbrauchswert in verschiedenen Fahrszenarien wie "Innenstadt", "Stadtrand", "Landstraße" oder "Autobahn" umfassen. Nachbessern will man auch bei elektrisch betriebenen Modellen. So soll bei Plug-in-Hybriden künftig eine zweite Farbskala Auskunft über den Schadstoffausstoß im reinen Verbrenner-Betrieb geben und die rigorose Einteilung von Elektromodellen in die Schadstoffklasse A ein Ende finden. Künftig soll die Endenergie in die Effizienzbewertung mit einfließen. Für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge und für extern aufladbare Hybridelektrofahrzeuge sollen der Stromverbrauch und die elektrische Reichweite angegeben werden müssen. Diese neuen Pkw-Labels müssen spätestens ab dem 1. Mai 2024 verwendet werden. Das neue Label soll ebenfalls eine Ausweisung der CO2-Kosten enthalten. Hintergrund: Der CO2-Preis soll sich innerhalb der nächsten zehn Jahre fast vervierfachen (Heute: 55 Euro, 2024: 190 Euro) und die Verbraucher sollten auf die damit einhergehende Entwicklung der Kraftstoffpreise hingewiesen werden. Die Ministeriumsmitarbeiterin räumte allerdings ein, dass bei dieser Thematik noch ein hoher Grad an Unsicherheit herrsche und die möglichen CO2-Kosten daher anhand von drei verschiedenen angenommenen durchschnittlichen CO2-Preisen über zehn Jahre ("mittel", "niedrig", "hoch") berechnet werden. Das Pkw-Label enthält entsprechend drei unterschiedliche Angaben zu den möglichen CO2-Kosten bei einer beispielhaften Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern. Das BMWK wird die dieser Berechnung zugrunde liegenden angenommenen künftigen CO2-Preise jährlich überprüfen und gegebenenfalls neue angenommene CO2-Preise bekannt geben. Neue Personenkraftwagen, die offensichtlich nur vorübergehend am Verkaufsort stehen, um an den Käufer, Mieter oder Leasingnehmer übergeben zu werden, sind von der Kennzeichnungspflicht befreit. Um als vorübergehend erkennbar zu gelten, kann das Fahrzeug beispielsweise bereits auf den Käufer oder Leasingnehmer zugelassen sein und ein Nummernschild tragen, auf einem speziellen Abholplatz stehen oder verhüllt sein. Alternativ reicht auch ein Schild, das angibt, dass das Fahrzeug zur Abholung bereit ist. Diese Ausnahme gilt jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum, der in der Regel nicht länger als einen Werktag sein sollte, erklärte Lütgenau, die daraufhin Widerspruch eines anwesenden Vertreters einer großen Autohauskette erntete: "Vollkommen weltfremd" nannte dieser die vom Ministerium kolportierte Zeitspanne von einem Tag. Eine solche Frist lasse sich in der Praxis nicht umsetzen. DSGVO: Europäisches schlägt deutsches Recht Für den Handel ebenfalls interessant war der Vortrag von Andreas Wigger (Juristischer Referent BfDI), der auf eine Änderung beim Datenschutz verwies. Konnte bisher nur belangt werden, wer selbst Pflichten verletzt, kommt mit der nun getroffenen Entscheidung ein weiteres Risiko hinzu. Um Dienstleistern die Möglichkeit zu geben, Daten für ihren Auftraggeber verarbeiten zu dürfen, bediente man sich bisher des Konstrukts des Auftragsverarbeiters. Dieser wurde, sofern er sich wie eine Abteilung des Unternehmens unterordnete und behandeln ließ, aus juristischer Sicht auch wie eine solche behandelt. Lediglich im Falle einer Mandatsüberschreitung, indem er beispielsweise personenbezogene Daten für eigene Zwecke verarbeitete, wurde er selbst zur Verantwortung gezogen. Im Dezember kam es am Landgericht Düsseldorf allerdings zu einem Urteil, welches europäisches Recht dem deutschen überordnet. Indem nun die unionsrechtliche DSGVO durchschlägt, ergibt sich für Unternehmer eine zusätzliche Gefahr, denn damit haftet im Falle eines Datenschutzverstoßes nicht die handelnde bzw. unterlassende natürliche Person, sondern der Normadressat, bei dem es sich auch um eine juristische Person handeln könne, wie aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2023 (C-807/21) hervorgeht. Es können künftig also nicht nur Verstöße von Mitarbeitern geahndet werden, sondern auch Verstöße von Auftragsverarbeitern. Es kommt nicht auf Vertreter oder Geschäftsführer an, sondern es reicht, wenn eine im Auftrag des Unternehmens handelnde Person den Verstoß begangen hat. Deshalb kann gegen ihn eine Geldstrafe gemäß Artikel 83 der DSGVO verhängt werden, auch wenn die Verarbeitung nicht direkt von ihm, sondern von einem von ihm beauftragten Auftragsverarbeiter durchgeführt wurde. Der Verantwortliche ist auch für die Datenverarbeitung, die in seinem Auftrag durchgeführt wird, verantwortlich. Dies setzt keine direkte Handlung oder sogar Kenntnis seitens der Leitungsorgane einer Firma oder Organisation voraus. Diese können folglich auch dann belangt werden, "wenn der Auftragsarbeiter im Rahmen meines Mandats selbst Mist baut", erklärt der Experte. Das werde dann als eigene schuldhafte Tat der juristischen Person definiert. Unterm Strich bedeuten die Urteile, dass das Haftungsrisiko für Unternehmen sowohl für die Schadenersatzansprüche als auch für die Bußgelder damit deutlich erhöht wird. Das Fazit des Ministeriumsmitarbeiters überrascht daher kaum: "Man muss also darauf achten, mit wem man in welcher Form zusammenarbeiten will", so Wigger. Allerdings erstreckt sich die Haftung nicht auf Fälle, in denen der Auftragsverarbeiter die personenbezogenen Daten für seine eigenen Zwecke verarbeitet hat oder sie auf eine Weise verarbeitet hat, die nicht mit den vom Verantwortlichen festgelegten Rahmenbedingungen oder Verarbeitungsmodalitäten übereinstimmt. Es gilt auch dann nicht, wenn vernünftigerweise anzunehmen ist, dass der Verantwortliche dem nicht zugestimmt hätte. Diese Verschiebung des Haftungskonzepts, hin zu Unionsrecht, könnte mittelfristig auch in andere Bereiche des Deutschen Gesetzes diffundieren. Designrecht Abseits davon gibt es auch beim Geschäft mit den Ersatzteilen eine Änderung. Was in der Vergangenheit eine Grauzone war, wird nun auf ein solides juristisches Fundament gestellt, indem Dritthersteller Ersatzteile wie Kotflügel oder Scheinwerfer herstellen und vertreiben dürfen, ohne befürchten zu müssen, von den OEMs verklagt zu werden. Bisher hatten die Hersteller zwar das Recht, sofern sie ein eingetragenes Patent auf ihr Design angemeldet hatten, dass dieses nicht nachgebaut werde; in der Praxis hat sich allerdings eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller bewährt, die es Drittherstellern ermöglichte, nachgebaute Teile zu veräußern. Weil diese freiwillige Selbstverpflichtung allerdings auf keinem soliden juristischen Fundament stand, handelte es sich um eine Art Damoklesschwert, unter das sich kaum ein Dritthersteller setzen wollte. Entsprechend wenig bewegte sich der Markt für freie Ersatzteile in Deutschland. Trotz der nun geschaffenen Öffnung des Marktes wird zunächst einmal nicht viel passieren. Denn: Die Reparaturklausel wird nur für Ersatzteile wirksam, deren Design nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle angemeldet wurden. Für vor diesem Zeitpunkt eingetragene Designs gilt weiterhin der bisherige Design- bzw. Bestandsschutz. Die Übergangsfrist für bestehende Modelle, "also das, was Stand jetzt auf dem Markt ist, beträgt acht Jahre", erklärt Roman Brtka (Rechtsanwalt Bird & Bird). Die positive Wettbewerbswirkung und damit verbunden die Aussicht auf günstigere Ersatzteile wird also noch mehrere Jahre auf sich warten lassen. Virtuelles Probesitzen im Metaverse Einige Jahre wird es wohl auch noch dauern, bis die zunehmend in den Markt drängenden VR-Brillen in selbigem angekommen sind. Jan Starcke, Global Automotive Client Lead bei Meta, griff das Thema Datenschutz im Zusammenhang mit der neuen Technologie der VR- und AR-Brillen auf, indem er darauf verwies, dass die Brillen von Meta die im Zuge der Nutzung erhobenen Daten "ausschließlich lokal speichern" würden. Nachfolgend wurde der Fokus dann allerdings weniger auf juristische Untiefen der Thematik als auf deren Anwendung in der Praxis gelegt. Einer der Partner, mit denen Meta derzeit das Potenzial der neuen Technologie im professionellen Umfeld abklopft, ist die deutsche Lufthansa. Dort tragen Techniker die Brille derzeit in einem Pilotprojekt, um auszutauschende Bauteile zu erkennen. "Das erhöht die Geschwindigkeit massiv", erklärt Starcke. Auch eine große Hotelkette macht gerade ihre ersten Gehversuche mit der neuen Technologie und schickt die VR-Brillen Mitarbeitern zu. Im Rahmen einer Online-Schulung sollen damit "bestimmte Szenarien durchgespielt werden", erklärt Starcke, der es in diesem Zusammenhang nicht versäumte, die Brücke zur Autoindustrie zu schlagen. Dort könne man die Brillen nutzen, um beispielsweise ein Raumgefühl zu erzeugen. "Wo sind die Schalter, wie ist der Dachhimmel gemacht - das alles geht mittlerweile sehr real", zählt der Experte die Möglichkeiten der Visualisierung auf. Während VR-Brillen in der Lage sind, die Realität gänzlich auszublenden und derartige Visualisierungen zu vollbringen, ist die Augmented-Reality-Technik dafür geeignet, die Durchsicht einer Brille zu bewahren - und gleichzeitig die Realität mit Informationen zu ergänzen. Damit könnten sich die Kunden im Showroom beispielsweise Informationen zu den Fahrzeugen direkt anzeigen lassen. "Wenn ich ein Fahrzeug anschaue, würde das die Brille erkennen und weitere Informationen dafür bereitstellen", so der Experte. Auch für die schnelle und effiziente Abwicklung von Kundenfragen könne man die Technologie einsetzen. Viele Automobilhersteller experimentieren mit der Technologie bereits. Mini hat sich beispielsweise daran versucht, "den Showroom ins Wohnzimmer" zu bringen. Gründe genug also für die Handelsbetriebe, sich mit der Technologie auseinanderzusetzen, meinte Jan Starcke. Fälle der Wettbewerbszentrale Zuletzt war es an Andreas Ottofülling, einige Fälle der Wettbewerbszentrale kurz vorzustellen, von denen der ein oder andere für den Handel interessant sein dürfte. Der Jurist ging in seinem Vortrag auf Rabattaktionen für die Hauptuntersuchung ein, die, so das Ergebnis des vorgestellten Falles, auch dann nicht gewährt werden dürfen, wenn der Nachlass nicht vom Prüfinstitut selbst, sondern von einem Tochterunternehmen ausgelobt wird. Bis zum Oberlandesgericht Bamberg habe man in diesem Zusammenhang prozessiert, erklärt Ottofülling. Klar ist: "Das Entgelt, das für die HU erhoben wird, darf nicht rabattiert werden." Vorsicht ist in den Augen des Experten auch bei Anzeigen geboten, die sich auf die Reichweite eines Elektroautos beziehen. Im Zuge dessen verwies Ottofülling auf die Anzeige eines Elektroauto-Herstellers. Dort wurde mit der Reichweite des Modells mit der größten Traktionsbatterie geworben, während sich der in der Anzeige aufgerufene Preis auf das kleinste Modell des Herstellers bezog. Bei einem weiteren Fall wurde die "obligatorische Zustellung" eines Fahrzeugangebots auf der Verkaufsplattform Mobile.de nicht in den Gesamtpreis inkludiert. Das "Berufungsverfahren laufe gerade", erklärte der Jurist.

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