Ausgabe 05/2013: Melkkühe der Nation

Melkkühe der Nationbesteuerung – Werden Arbeitnehmer und (mittelständische) Unternehmer von der Politik im Stich gelassen? Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGWas seit Langem bekannt ist, wurde nun kürzlich auch von unserem Bundesfinanzminister Herrn Schäuble der Presse gegenüber beklagt: International agierende Konzerne können offensichtlich auch ganz legal der Besteuerung ihrer Gewinne in den „Hochsteuerländern“ entgehen. Solche Konzerne zahlen nach einer entsprechenden Erhebung im Schnitt nur 5 Prozent ihres Gewinnes an Ertragsteuern. Demgegenüber läge diese Besteuerungsquote bei nur inländisch tätigen Unternehmen bei 30 Prozent. Politische Fehleinschätzung?Nach unserer täglichen Praxis sind die vom Bundesfinanzminister genannten 30 Prozent betreffend den breiten Mittelstand in Deutschland eher untertrieben – um dies höflich auszudrücken. Aus der täglichen Praxis können wir die Zahl 30 Prozent in keiner Weise bestätigen. Unsere Rechnung sieht vielmehr so aus: Selbst wenn man den Soli und die Kirchensteuer nicht hinzurechnen würde, obwohl dies letztlich auch (zumindest der Soli) echte Zwangsabgaben sind, würde jeder Mittelständler ab einem zu versteuernden Einkommen von 28.000 Euro als Alleinstehender bereits bei jedem zusätzlich verdienten Euro über 30 Prozent belastet sein. Denn schon bei 28.000 Euro zu versteuerndem Einkommen ist der sogenannte Grenzsteuersatz bei über 30 Prozent angelangt. Natürlich wird diese Aussage Schäubles nicht auf den Grenzsteuersatz abgestellt sein, sondern auf die Steuerbelastung insgesamt. Diese richtet sich sodann nach dem Durchschnittssteuersatz. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 Euro liegt jedenfalls auch der Durchschnittssteuersatz bereits um einiges höher als 30 Prozent, auch ohne Soli und Kirchensteuer.Hohe ZwangsabgabenSo mancher gut verdienende Arbeitnehmer wird sich schon oft gefragt haben, ob seine Pflichteinzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung nicht letztlich eine echte Steuer darstellen. Denn die Leistungen aus der Rentenversicherung stehen in keiner realistischen Relation mehr zu den eingezahlten Beträgen. Ist bei der gesetzlichen Krankenversicherung noch eine Gegenleistung aus der Versicherung ersichtlich, so muss dies bei großen Teilen der Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung bestritten werden. Selbst ohne Krankenversicherung betragen die übrigen Zwangsabgaben bei einem Bruttolohn von 4.000 Euro bei jeder Lohnerhöhung bereits über 50 Prozent (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung). Und selbst mittelmäßig verdienenden Unternehmern geht es keinesfalls besser. Im Gegenteil: Sie können sogar durch unglückliche Wahl der Unternehmensform Durchschnittssteuersätze von weit über 50 Prozent oder gar 100 Prozent erreichen. Dies hatten wir an dieser Stelle bereits in AUTOHAUS 18/2012 dargestellt. Der breite Mittelstand, Arbeitnehmer wie Unternehmer, sind die Zahlmeister der Nation! Aber besonders mittelständische Unternehmer leiden extrem unter der Kompliziertheit des deutschen Steuer- und allgemeinen Abgabenrechts, denn auch die zwangsläufigen Beraterkosten muss man ebenfalls als zusätzliche „Steuerbelastung“ sehen: Trifft man Unternehmensentscheidungen – von der Firmengründung über Investitionen bis zum Verkauf – ohne entsprechende steuerliche und rechtliche Beratung, kann man schnell durch Kumulation verschiedener Steuern oder die Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben auf eine Effektivbelastung von weit über 50 Prozent kommen. Nimmt man die Beratung in Anspruch, belasten aber auch diese Kosten das Betriebsergebnis.Keine Steuervereinfachung in SichtUmso trauriger ist es, dass eine echte Steuerreform mit Bürokratieabbau in weite Ferne gerückt ist. Im Gegenteil: Selbst Programme von CDU/CSU, erst recht aber von den Oppositionsparteien, lassen Böses erahnen: Pkw-Maut zusätzlich zur Kfz-Steuer? Vermögenssteuer zusätzlich zur Erbschaftsteuer? Regionalisierung von Steuern innerhalb der Bundesrepublik? Alles bedeutet eine Zunahme von bürokratischem Aufwand und von Beratungsbedarf. Und für Steuersenkungen ist sowieso kein Licht am Horizont – so z. B. beim dringend notwendigen Abbau des sogenannten Mittelstandsbauches. In einem stimmen wir Schäuble daher zu: Die BRD ist ein Hochsteuerland! ■Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Finanzminister Schäuble bestätigt, dass internationale Konzerne durchschnittlich nur mit 5 Prozent Gewinnbesteuerung auskommen.2. Damit gesteht er ein, dass der breite Mittelstand – Arbeitnehmer wie Unternehmer – die Melkkühe der Nation BRD sind.3. Die Wahlaussagen der meisten Parteien im Hinblick auf die Bundestagswahl lassen Schlimmes befürchten: Neue zusätzliche Steuern erhöhen auch den Bürokratieaufwand und somit die Kosten für die Bürger.4. Von echtem Bürokratieabbau und Steuervereinfachung sind wir weiter entfernt denn je!Kommentar< Wie wir bereits mehrfach berichtet hatten, müsste man in Deutschland Multimillionär oder Milliardär sein, um die bestehenden legalen Ausweichmöglichkeiten, sei es bei der Ertragsbesteuerung über langjährige Immobilieninvestitionen im Privatvermögen oder aber bei der Erbschaftsteuer durch legale Gestaltungslösungen im Betriebsvermögen, nutzen zu können. Mittelständische Arbeitnehmer und Unternehmer, die ihr Geld bei einer Versicherung angelegt oder ihr Vermögen ganz im eigenen Unternehmen gebunden haben, sind kaum in der Lage, diese legalen deutschen Steuerschlupflöcher zu nutzen oder gar – wie internationale Unternehmen – in Steueroasen auszuweichen. Wo bleibt der Aufschrei einer breiten Mittelschicht, eine Entlastung zumindest in der Form einzufordern, dass der Staat nicht noch ständig durch die Inflation Mehrsteuern kassiert. Selbst die nur 25%ige Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte ist ein Hohn, wenn bei 2 % Guthabenzinsen und einer Inflationsrate von über 2 % diese Abgeltungsteuer bereits eine Vermögensteuer darstellt. Ähnlich geht es jedem Arbeitnehmer und Unternehmer, wenn bei wachsendem Lohn und Gewinn in Höhe des Inflationsausgleichs dann aber der Fiskus auf das Einkommen den progressiven Steuertarif anwendet. Und dann haben kürzlich alle Parteien aus rein politischem Kalkül die sowieso nur geringfügig angedachte Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauches im Vermittlungsausschuss auch noch scheitern lassen. Armes Deutschland! >Recht + Steuern

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