Ausgabe 10/2014: Mit Börsen kann man leben

Die Diskussion um Neuwagenplattformen ist nach wie vor heiß. Ihnen wird vorgeworfen, die Preise im Markt zu verzerren und den Handel in den Ruin zu treiben. Anders sehe das bei Neuwagenbörsen aus, so Robert Rademacher, Präsident des Verbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Im Gespräch mit AUTOHAUS verrät er seine Einschätzung zum Online-Vertrieb und gibt eine Prognose dazu ab, wo der Handel in zehn Jahren stehen könnte. AH: Stellt der Online-Handel wirklich eine Gefahr für den stationären Handel dar? R. Rademacher: Wenn man es richtig macht, dann ist der Online-Handel keine Gefahr für den stationären Handel, sondern eine Chance. Hat ein Händler ein interessantes Warenangebot, dann kann er durch das Internet seine Absatzmöglichkeiten verbessern - unabhängig vom stationären Handel. Von daher sehe ich zunächst keine Gefahr. Es kommt aber wie gesagt sehr darauf an, wie er das macht. AH: Und wie könnten Neuwagenhändler den Vertriebskanal Online noch besser für sich nutzen? R. Rademacher: Für jeden Handelsbetrieb sollte es selbstverständlich sein, über einen eigenen Internet-Auftritt zu verfügen. Ebenso sollten Handelsbetriebe ein konsequentes Suchmaschinen-Marketing betreiben: So darf es nicht sein, dass bei Eingabe eines bestimmten Fabrikats oder Modells in eine Suchmaschine jemand anders als der örtliche Händler dieses Fabrikats oben auf der Trefferliste erscheint. Und ganz wichtig ist auch: Wird man als Händler online kontaktiert, so muss man sicherstellen, dass auch postwendend reagiert wird. Die Reaktionszeiten sind oft noch viel zu lang. AH: Sollten Neuwagen-Plattformen im Netz den Handel noch stärker einbeziehen? R. Rademacher: Warum sollten wir uns so etwas wünschen? Neuwagen-Plattformen sind eine Ausgeburt des Online-Handels, die so überflüssig ist wie ein Kropf. Diesen Plattformen stehe ich deshalb ablehnend gegenüber, weil sie im Unterschied zu Neuwagen-Börsen kein Spiegelbild des Marktes, sondern ein Zerrbild desselben sind. Während in Börsen die Anbieter identifizierbar sind und ihre Fahrzeuge deshalb zu den Preisen anbieten, die sie auch stationär fordern, sind in Neuwagen-Plattformen die Anbieter anonym und bieten dort - unter dem Deckmantel der Anonymität - Fahrzeuge weit unter ihrem stationär geforderten Preis an, um so über den Absatz von Zusatzmengen höhere Boni zu erlangen. AH: Was ist bei Neuwagenbörsen anders? R. Rademacher: Bei den Börsen ist der Fahrzeuganbieter klar identifizierbar. Die angegebenen Preise sind ein Spiegelbild des realen Marktgeschehens im stationären Handel, sozusagen ein virtueller Marktplatz. Wenn der Händler leistungsstark ist und ein gutes Marketing, insbesondere Online-Marketing betreibt, dann erlangt er die gewünschte Aufmerksamkeit im engeren Einzugsgebiet. Hier gibt es keine Dumpingpreise wie bei den Plattformen. Aus diesen Gründen erachte ich Neuwagenbörsen als begrüßenswert. AH: Was wären die Folgen eines rabattorientierten Online-Vertriebs? R. Rademacher: Eine sehr hypothetische Frage. Denn zu einem ausschließlich rabattorientierten Online-Vertrieb wird es nicht kommen. Es wird einen Teil Käufer geben, die online kaufen wollen, aus Bequemlichkeit oder weil sie nicht mit Verkäufern feilschen wollen. Die Entwicklung wird aber dahin gehen, dass man gleichermaßen günstig wird kaufen können - online wie stationär. AH: Wie sieht Ihrer Einschätzung nach der Handel in zehn Jahren aus? R. Rademacher: Nach meiner Einschätzung wird sich der Autohandel in den nächsten zehn Jahren nicht mehr verändern als in den zehn Jahren zuvor. Aber auch da ist ja nicht gerade wenig passiert. Immerhin hat die Zahl der Kfz-Unternehmen von 12.000 auf 8.000 abgenommen. Der geringere Rückgang der Betriebsstätten weist eindeutig auf den laufenden Konzentrationsprozess hin. Dieser Prozess wird anhalten. So bitter er für manche auch sein mag, das Kfz-Gewerbe insgesamt wird gestärkt aus ihm hervorgehen. AH: Herr Rademacher, herzlichen Dank für das Gespräch.

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