Gastkommentar: Topfschlagen

AUTOHAUS wollte wissen, welche Bedeutung die vielen neuen Online-Zukaufsplattformen für Verkäufer im Alltag haben, und fragte den anonymen Automobilverkäufer Frank nach seiner Meinung. Seit über 15 Jahren als zertifizierter Automobilverkäufer bei einem deutschen Premiumhersteller als Neu- und Gebrauchtwagenverkäufer angestellt, weiß er den Markt sehr gut einzuschätzen. Bereits in der AUTOHAUS-Ausgabe 17 haben wir ihn zum Thema "Verkauf der Zukunft" vorgestellt und festgestellt, dass er vielen Verkäufern aus der Seele spricht. Das tut er vor allem in seinem Blog. Auf der Internetseite www.automobilverkaeuferblog.de schreibt er seit drei Jahren über seine persönlichen Erlebnisse im Handel und kommentiert Entwicklungen in der Kfz-Branche und im Automobilbereich. Er tut dies anonym, um keine negativen Konsequenzen durch seinen Arbeitgeber oder den Hersteller fürchten zu müssen. "Als Internetjunkie ist es mir nicht entgangen, dass sich in den letzten Monaten verschiedene Plattformen mit einem hohen Marketingaufwand in den medialen Vordergrund gespielt haben, die alle nur ein Ziel haben: Sie wollen Gebrauchtwagen vermarkten. Diese Plattformen gehen in direkte Konkurrenz zu dem Leistungsangebot, was ich als Automobilverkäufer über bzw. mit 'meinem' Autohaus anbieten kann - und somit betrachte ich diese Plattformen natürlich prüfend, aber auch aus der Sicht eines Mitbewerbers. Eines sollte klar sein: auch diese Plattformen haben kein Geld zu verschenken. Diese Plattformen können sich zwar marketingtechnisch die gestelzte Behauptung 'wir zahlen Höchstpreise' auf das Internetbanner pinseln, allerdings macht dies heutzutage sowieso jeder. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Einkauf eines gebrauchten Fahrzeugs und gleichzeitiger Verkauf des Neuwagens jemals nicht mit dem Höchstpreis für den Altwagen verbunden gewesen wäre. Jeder Kunde will den Höchstpreis für seinen Gebrauchtwagen. Je mehr Geld der Altwagen bringt, desto weniger muss in den Neuwagen investiert werden - getreu der alten Kaufmannsweisheit: Im Einkauf liegt der Gewinn! Genau hier ist das System, das all diese Anbieter offerieren, aber einfach nicht praktikabel, weil Internet zwar viele Vorteile hat, aber nun mal einfach einen gravierenden Nachteil: die optische und technische Begutachtung. Im Prinzip mache ich in meinem tagtäglichen Doing genau das Gleiche wie die Plattformen, wenn ich am Telefon nach dem 'ungefähren Preis für den Altwagen' gefragt werde. Ich fabuliere irgendeinen Preis, der sich irgendwo zwischen Bauchgefühl und Marktlage befindet, um dann im Nachsatz sofort den vermeintlichen Altwagen-Verkäufer darauf hinzuweisen, dass dieser Preis für einen Altwagen gilt, der sich in einem optisch und technisch einwandfreien Zustand befindet. Etablierte Vorgänge Die Realität sieht leider tagtäglich anders aus. Als Autohaus lassen wir jedes Fahrzeug von Fachleuten durchsehen - ein Prinzip, das sich in den letzten Jahren einfach etabliert hat und für gut befunden wurde, auch weil es einfach Geld spart. Während Niederlassungen oftmals große Sachverständigenorganisationen mit der Begutachtung in den hauseigenen Räumen und Bühnen beauftragt haben und das technische Ergebnis dann in ein eigens ins Leben gerufenes Pricing-Team übermitteln, geschieht dies anderswo auf dem kleinen Dienstweg: Der Werkstattmeister schreibt technische Mängel auf, der Verkäufer begutachtet die Optik des Altwagens, dann wird im Internet auf mobile.de & Co. nach dem Schwesterfahrzeug gesucht und von dem dort offerierten Preis dann der Einkaufspreis ermittelt. Ich nenne dieses ganze Procedere auch gerne "Topfschlagen für Erwachsene". Zunächst werfe ich einen Preis in den Raum oder in den Telefonhörer, den ich eigentlich gar nicht wissen kann, um dann mit meinem Autohaus einen Preis zu ermitteln, der vielleicht so realisierbar ist, vielleicht aber auch nicht. Ich behaupte einfach mal, anders können es wirkaufendeinauto.de & Co. auch nicht machen. Vielleicht in Nuancen, aber wenn ein Auto eine Beule hat und das Getriebe undicht ist, dann werden auch diese Ankäufer diese Mängel in Abzug bringen (müssen) - und genau dies birgt natürlich auch ein erhebliches Konfliktpotenzial, gerade weil der Altwagen-Verkäufer all die schönen Nachsätze, die ich ihm beim Benennen seines Höchstpreises sage, wie 'in einem optisch und technisch einwandfreien Zustand', gerne überhört oder nicht wirklich die Kosten für eine Beule oder ein undichtes Getriebe wissen will (bzw. kann). Somit habe ich dann, kurz nachdem das Auto zur Begutachtung auf die Hebebühne gefahren wurde, die tolle Aufgabe, mit Riechsalz in der Hand und dem Defibrillator im Anschlag den 'echten' Höchstpreis zu offerieren. Das wird bei diesen Plattformen sicherlich auch nicht anders sein - vielleicht sogar noch ein wenig drastischer, denn viele dieser Plattformen verkaufen die angekaufte Ware ausschließlich an Wiederverkäufer. Verdient werden muss trotzdem Wir verkaufen angekaufte Ware auch an Wiederverkäufer - also Autohändler, die ihr Geschäft verstehen. Egal, ob man an diese Autohändler die angekauften Fahrzeuge nun über irgendwelche Auktionen vertickert oder dieses 8er-Zug-Modell seit Jahrzehnten praktiziert - eines ist auch bei dieser Form des Weiterverkaufs klar: Der Wiederverkäufer prüft auch die Ware und auch der muss nochmals etwas daran verdienen zwischen Einkauf und Verkauf. Mit anderen Worten verdienen beim Weiterverkauf an Wiederverkäufer zwei Unternehmen. Sie müssen sogar verdienen: Die Gewinnerzielungsabsicht haben sie dem deutschen Finanzamt in der Gewerbeanmeldung sogar mit Unterschrift bestätigt. Wenn nun also diese Plattformen mit Höchstpreisen locken und an Wiederverkäufer die eingekaufte Ware weiterverkaufen, kann der Verkäufer oftmals nur verlieren. Ist der Altwagen in einem guten und verkaufbaren Zustand mit allem, was den Preis nicht schmälert (Farbe etc.), dann wird der Kunde im Autohaus sicherlich- realistisch gedacht - immer den besseren Preis für seinen Wagen bekommen, weil das Autohaus dieses gepflegte Schätzchen an Endkunden verkauft. Nur ungepflegte, reparaturbedürftige, alte und 'unpassende' Altwagen werden von einem Autohaus in der Regel an Wiederverkäufer weiterverkauft. Übrigens: Der Altwagenverkäufer wird auch bei diesen Plattformen sein Auto irgendwann, irgendwo vorführen, zeigen und technisch begutachten lassen müssen. Ähnlich wie ein Rabatt-Tourist kann bzw. sollte er dies dann natürlich auch noch bei mehreren Plattformen machen, um schlussendlich den besten Verkaufspreis zu erzielen. Und beinahe hätte ich es vergessen, aber eigentlich ist es der wichtigste Punkt, warum mich diese Internetplattformen derzeit so ruhig lassen. Es gibt ja auch noch die Automobilhersteller mit ihren tollen Marketingprogrammen, die das ganze Gefeilsche um den Wert des Altwagens ad absurdum führen. Kaum ein Hersteller unterstützt den Ankauf von bestimmten Baureihen nicht mit monetären Zuwendungen für den Altwagen. Je nachdem, was der Kunde als Nächstes kauft, können hier gute vierstellige Beträge vom Hersteller ausgelobt werden - teils für Fremdfabrikate, teils als Loyalitätsmaßname, und genau an diesem Punkt sind dann die Internet-Höchstpreis-Anbieter mit ihrem Geschäftsmodell am Ende. Vielleicht liest dies ja der eine oder andere in den Vertriebszentralen der Hersteller. Denn wenn sie dieses Marketingprogramm auf Gebrauchtwagen ausweiten würden, hätten wir ... aber ich bin schon wieder beim Träumen ..." Kurzfassung Der anonyme Automobilverkäufer Frank erläutert seine Einschätzung zu den zahlreichen neuen Online-Plattformen für An- und Zukauf und warum sie den klassischen Handel nicht revolutionieren werden.

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