Retail 2020: Voneinander lernen

Onlinehandel, Internet-Vertrieb, Multi-Channel: Viele Begriffe für ein Top-Thema, das Retail-Unternehmen intensiv beschäftigt. Dass das Thema viele Facetten hat, auch rechtlicher Art, zeigte eine Veranstaltung der Kanzlei Osborne Clarke. Unter dem Titel "Retail 2020 - Neue Trends im Einzelhandel" gaben Unternehmensvertreter und Anwälte einen Überblick über aktuelle Entwicklungen der Branche - nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit einem breiten Spektrum an Themen von der Emanzipation des Präsenzhandels zur intelligenten Nutzung von Kundendaten. Dass sie damit den Nerv getroffen hatten, zeigten die intensiven Diskussionen unter den zahlreichen Vertretern von Retail-Unternehmen, die der Einladung gefolgt waren. Internet-Vertrieb Die Themen, die derzeit Markenartikelhersteller und -händler unterschiedlichster Couleur beschäftigen, ähneln sich, und doch reagieren verschiedene Branchen ganz unterschiedlich auf die aktuellen Herausforderungen beim Absatz ihrer Markenprodukte. Eines der Top-Themen der Retail-Szene ist nach wie vor der Internetvertrieb. Rechtsanwalt Christoph Boeminghaus eröffnete die Diskussionsrunde mit einer Darstellung der rechtlichen Möglichkeiten im Multi-Channel-Vertrieb. Sein Fazit: "Vertriebsbeschränkungen und Plattformverbote im Internet stehen unter Beobachtung der Kartellbehörden. Deutlich mehr Spielraum bieten der selektive Vertrieb und Cross-Channel-Distribution-Konzepte, bei denen stationärer und digitaler Vertrieb intelligent im Vertriebsnetz kombiniert werden." Die Diskussion zeigte, dass es in den verschiedenen Branchen unterschiedliche Ansätze gibt, den Präsenzhandel zu stärken, ohne den Onlinehandel auszuschließen. Bonusmodelle wie bei Ford sind hier nur ein Beispiel. Im Anschluss hieran ging Alexander Köth von der Minodes GmbH der Frage nach: "Was muss der stationäre Handel tun, um sein Image gegenüber dem Online-Handel zu verbessern?" Während Kunden den Online-Handel häufig als innovativ, veränderungswillig, bequem und individuell wahrnehmen, haftet dem Stationärhandel das Image des Bewährten, Großen und Etablierten an, der von Kunden allerdings nur in der Freizeit in Anspruch genommen wird. Minodes hat eine Methode entwickelt, um das Verhalten der Kunden auf der Fläche zu messen und transparent zu machen. Das Berliner Start-up-Unternehmen nutzt die WLAN-Funktion der Kunden-Smartphones, um anonymisierte Informationen über das Interesse und Kaufverhalten von Kunden im stationären Einzelhandel zu erhalten. Diese Informationen sind für die Ableitung spezifischer Verkaufsmaßnahmen sehr wertvoll und führen zu einer messbaren Erhöhung der Marketingpower. Die aufgezeigten Praxisbeispiele lassen vermuten, dass die Zukunft im Bereich der zielgruppenorientierten Kommunikation liegt. Kundenbindung und Datenschutz Sämtliche neuen Ansätze beruhen auf der intelligenten Nutzung von Kundendaten. Damit drängen sich aber auch unvermeidbar viele datenschutzrechtliche Fragen auf. Diesem Komplex widmete sich Rechtsanwalt Flemming Moos. Jenseits der bekannten Einwilligungserklärungen zeigte der ausgewiesene Datenschutzrechtsexperte interessante Alternativen über Apps der Hersteller oder Händler oder Kundenbindungsprogramme auf, mit denen sich die rechtlichen Klippen umschiffen lassen. Den Aspekt "Coupons, Kundenkarten, Gutscheine" griff Rechtsanwalt Matthias Terlau auf. Kundenbindungsmaßnahmen, insbesondere im Franchise- und Vertragshändlervertrieb, müssen stets mit Blick auf die bankenrechtliche Zulässigkeit abgeprüft werden. Einer BaFin-Erlaubnis bedürfen insbesondere Mehr-Personen-Verhältnisse, bei denen neben dem Shop und dem Kunden weitere Unternehmen wie Hersteller, Bank oder technischer Abwickler eingebunden sind. Die EU-Kommission plant zudem eine neue Zahlungsverkehrsrichtlinie, die die bekannten Kundenkontaktprogramme massiv beeinflussen wird. Die politische Diskussion darüber wird stark von den Banken dominiert, die die vom Handel genutzten Lücken schließen möchten. Das Ergebnis dürfte auch große Auswirkungen auf die Kundenbindungssysteme der Automobilwirtschaft haben. Die Diskussion der Teilnehmer zeigte, dass unabhängig von der Branche viele Hersteller und Händler mit gleichen Herausforderungen konfrontiert sind, aber durchaus unterschiedlich darauf reagieren. Der branchenübergreifende Austausch hierüber erscheint ebenso wichtig wie die Anstrengungen, in der Öffentlichkeit die negativen Auswirkungen der einseitigen Bevorzugung des markenfreien Onlinehandels deutlich zu machen. Eine weitere politisch motivierte Schwächung des Markenhandels wird sonst unweigerlich zu einer Verarmung des Angebots und damit zu neuen Abhängigkeiten führen, die dem Verbraucher mehr schadet als nutzt.

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