VW-Handel: " Wir stehen vor einem Neuanfang "

Der 1. April 2020 bedeutete für die Volkswagen-Händlerschaft eine Zäsur: Neue Händlerverträge und für die neue ID-Ära ein neues Vertriebsmodell. Über die neue ID-Welt sprach AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat mit dem Präsidenten des Volkswagen und Audi Partnerverband (VAPV) Dirk Weddigen von Knapp und Vertriebscoach Gregor Eckert.Die neue ID-GenerationAH: Mit dem neuen ID3, dem ersten rein als Elektroauto konzipierten Fahrzeug von Volkswagen, kommen auf die Volkswagenhändler in Deutschland ab 1. April 2020 markante Änderungen zu. Was sind die aus Ihrer Sicht größten Veränderungen, Risiken und Chancen?D. Weddigen von Knapp: Vorab muss ich anmerken, dass meine Kollegen und ich uns für die Markteinführung des ID3 und der folgenden Elektromodelle als Vertriebsmodell die Agentur gewünscht haben. Wir haben dies dem Hersteller gegenüber mit einer deutlich besseren Rendite-Aussicht begründet und haben in Herrn Jürgen Stackmann, Markenvorstand Volkswagen Pkw für Vertrieb, Marketing und Aftersales, und Herrn Holger Santel, Leiter Vertrieb und Marketing Deutschland, auch die entsprechenden Befürworter gefunden. Wir haben mit der Markteinführung dieses Fahrzeuges die historische Chance, unser Vertriebsverhalten in Deutschland zu verändern. Mit dem ID3 haben wir das erste in Deutschland industriell in Großserie gefertigte Elektro-Automobil, mit einem sehr gefälligen futuristischen Design und einem überzeugenden Innenraumkonzept.Die Erfolge aus der Frühbucheraktion zeigen das große Interesse an diesem Fahrzeug. Abgesehen vom Kauf- und Finanzierungsprozedere wird der Kunde eine große Beratungsleistung einfordern. Wie gehe ich mit dem neuen Antriebskonzept um? Muss ich mein Fahrverhalten ändern oder gegebenenfalls anpassen? Wie lade ich das Fahrzeug? Wo lade ich das Fahrzeug? Wie verhalte ich mich, um die größten Reichweiten zu erzielen? Wie normal kann ich das Fahrzeug in meinem täglichen Pendelverkehr zwischen Wohnort und Arbeit nutzen? Aus dieser Situation heraus und aus dem Neuigkeitseffekt ist der Verkäufer in der Lage, wieder serviceorientierter zu verkaufen. Aufgrund der geringen, aber für den Händler insgesamt auskömmlichen Provision kann der Wagen unter der konsequenten Beachtung dieser neuen Regelung wertstabil verkauft werden.Weitere Chancen bestehen darin, Wall-Boxen und Kabelstränge zu verkaufen beziehungsweise gegebenenfalls auch zu Hause zu installieren. Es kommt immer darauf an, welche zusätzlichen Dienstleistungen innerhalb der Elektromobilität der jeweilige Unternehmer vor Ort für sich als Chance sieht. Das Risiko, das besteht, ist, dass dieses neue Mindset durch den Handel nicht erkannt wird und die historische Chance für einen wertstabilen Verkauf nicht ergriffen wird.Die NeuausrichtungAH: Leider haben vergleichbare Vorstöße in der Vergangenheit eher das Gegenteil im Handel ausgelöst und die Verkäufer haben den Markt mehr denn je über Nachlässe bedient!G. Eckert: Die Gründe für diese Situation sind vielschichtig. Um gegenzusteuern, ist eine flächendeckende Schulungsmaßnahme zur "Preis-Wert-Argumentation" notwendig. Am Ende wurde es meist dem einzelnen Händler überlassen, selbst darauf zu reagieren und seine Verkaufsmitarbeiter entsprechend zu qualifizieren. Das aktuelle Rabattverhalten zeigt aber das Versäumnis dieser Maßnahmen mehr als deutlich auf. Zum anderen ist die Preisverhandlung, verstärkt durch die Preistransparenz auch der digitalen Anbieter, immer noch das sensible Nadelöhr zum Vertragsabschluss, und leider geben noch viele Verkäufer aus Angst, den Kunden zu verlieren, lieber gleich den "letzten Prozentpunkt Nachlass"! Wohin das führt, zeigt die aktuelle Rendite im Neuwagenhandel.Wir verlieren durch die hohen Nachlässe nicht nur unsere letzten treuen "Niedrig-Nachlass-Käufer", sondern in Kürze auch eine noch nicht kalkulierbare Anzahl an Verkäufer/innen. Ich bin seit 1996 mit dem Thema Rabatt- und Nachlassverhalten in der deutschen Handelslandschaft unterwegs und schon immer gehörte ein - sagen wir mal "Jammern und Klagen" über die Provisionssituation und Frustration aus verlorenen Geschäften dazu - aber was ich im Moment aus dem Handel höre, stimmt mich doch mehr als nachdenklich. Viele Verkäufer denken offensiv über einen Jobwechsel raus aus der Autobranche nach. Und einige "Gute" haben wir bereits verloren! Gerade jetzt brauchen wir exzellent ausgebildete und motivierte Vertriebsmitarbeiter, die für ihr Unternehmen die Extrameile gehen!Die abgesenkte Marge setzt GrenzenD. Weddigen von Knapp: Der Grund für die misslungenen Vorstöße in der Vergangenheit liegt in der Fortsetzung des alten Systems. Immer wieder wurde das gleiche Problem mit der alten Medizin bekämpft. Heute stehen wir vor einem Neuanfang. Wir haben keinen großen Margen- und Bonustopf, aus dem wir heraus den Kunden bedienen können. Nachlässe in zweistelliger Höhe sind überhaupt nicht mehr darstellbar, weil wir über eine kleine Provision verfügen und nicht mehr.Entscheidend ist allerdings die Frage, wie der Unternehmer mit der Veränderung umgeht. Der Kunde, der ein Elektroauto kauft, weiß von Anfang an, dass die Unterhaltung dieses Fahrzeugs um ein Vielfaches billiger ist als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Ein Verbrennungsmotor hat 3.000 Teile, während ein Elektromotor kaum bewegliche Teile hat. Ein Elektroauto braucht auch kein aufwändiges 8-Gang Komfort Automatikgetriebe. Der Bremsenverschleiß ist beim Elektrofahrzeug gegen Null gehend, wenn vernünftig gefahren wird. Die Rekuperation leistet einen Großteil der Bremsleistung. Damit entfallen Bremsklötze und Bremsscheiben als Verschleißteil. Kein Auspuff, kein Ölwechsel, kein Ölfilter, kein Luftfilter, kein Getriebeöl - diese Erlöse brechen unweigerlich weg. Deswegen muss im Neuwagengeschäft, in dem über viele Jahre kein Geld mehr verdient wurde, wieder Geld verdient werden, und das ist mit dem ID3 beginnend und einem neuen Mindset möglich.Das VAPV AktionspaketAH: Herr Weddigen von Knapp, Sie haben ein Paket vorbereitet, mit dem der VAPV die Händler bei dem Kurswechsel unterstützen wird, was genau können wir uns darunter vorstellen?D. Weddigen von Knapp: Gemeinsam mit der Eckert Group aus München haben wir eine Kooperation gegründet, um den Partnern des VAPV ein perfektes Programm für dieses entscheidende Thema anzubieten. Das Angebot besteht aus einem mehrteiligen Paket an Qualifizierungsmaßnahmen. Es beginnt mit der individuellen Beratung zur Strategie und baut auf individuellen Möglichkeiten zur Umsetzung vor Ort auf. Es enthält spezifische Inhouse-Angebote von speziellen Preis-Stabilität-Trainings bis hin zum Coaching der Verkäufer unmittelbar am Arbeitsplatz. Für das Team von Herrn Eckert haben wir uns entschieden, weil wir die Ergebnisse der Arbeit selbst erleben konnten und auch aus der Branche bestärkt wurden. Viele Handelskollegen arbeiten bereits erfolgreich mit Herrn Eckert zusammen.AH: Herr Eckert, was bedeutet das konkret?G. Eckert: Die Lösung für den Händler heißt, weg vom "zerstörerischen Intrabrandwettbewerb" hin zum "Präferierten Volkswagen-Partner vor Ort", der mit loyalen Kunden - übrigens die Steigerung von Zufriedenheit oder Begeisterung - und außerordentlichen Erträgen auch zukünftig erfolgreich seinen Weg fortsetzen wird. Hier sind wir frei in der Ausgestaltung der Maßnahmen, der Unternehmer vor Ort entscheidet eigenverantwortlich, welche Aktivitäten für "sein eigenes Unternehmen" die erforderlichen Margen garantieren. Da sich die Bandbreite der Möglichkeiten durch die Gestaltung der neuen Verträge eher enger entwickeln wird, können wir als Effekt einer möglichst flächendeckenden Umsetzung eine deutliche Harmonisierung für die gesamte Handelslandschaft voraussetzen.AbstrahlfunktionD. Weddigen von Knapp: Ich möchte hier noch insofern ergänzen, als dass wir uns seitens des Verbandes über die neue Verkaufsstrategie der Elektrofahrzeuge auch einen Abstrahleffekt im Verkauf von Verbrennerfahrzeugen erhoffen. Mit der von Herrn Eckert geschilderten Strategie, wieder hin zum präferierten Volkswagen Partner vor Ort mit exzellenten Dienst- und Serviceleistungen, erhalten die Verkäufer wieder Zutrauen für den wertstabileren Verkauf dieses Handelsproduktes, was sich zusammensetzt aus dem verkauften Fahrzeug und der Leistung des Handelsbetriebes, der alles aus einer Hand offeriert.Wenn es so einfach wäre, im Internet ein Fahrzeug zu kaufen, warum kommen dann die Käufer ins Autohaus zum Kaufabschluss? Weil sie das Vertrauen zum Inhaber, zum Verkäufer, zum Serviceberater schätzen, und weil sie einen persönlichen Wohlfühlcharakter haben, wenn sie ihr Fahrzeug zu ihrem Händler bringen.Neben der Elektromobilität werden Fahrassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren bei den zukunftsorientierten Kunden sehr schnell zu einer Entschleunigung im Fahren führen. Es werden sich andere Wünsche auftun, die Zeit im Auto zu gestalten. Hier ist die Fantasie des Autohauses gefragt, mit welchen Beratungsleistungen und Entertainmentangeboten man den Kunden über den Kaufprozess hinweg begleiten möchte.AH: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!KurzfassungMit der Markteinführung des elektrischen ID3 und dem Agenturmodell sehen Dirk Weddigen von Knapp und Gregor Eckert die Chance, das Vertriebsverhalten in Deutschland nachhaltig zu verändern und vom Verkauf über Rabatte und dem damit einhergehenden Intrabrandwettbewerb wegzukommen.

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