ZDK stellt sich neu auf: Zeitenwende beim Verband

Die Branche wird 2022 weiterhin im Krisenmodus arbeiten. Die einzige Prognose in Sachen Vertrieb, zu der sich Präsident Jürgen Karpinski anlässlich der Mitgliederversammlung des Zentralverbandes des Kfz-Gewerbes (ZDK) am 10. Juni in Hamburg hinreißen ließ, lautete: "Wir werden voraussichtlich in diesem Jahr noch weniger Neufahrzeuge verkaufen als im vergangenen Jahr." Und 2021 waren es schon eine Million weniger neue Pkw als 2019.Einzig das Werkstattgeschäft bewegt sich inzwischen wieder auf Vorkrisenniveau, so der Verbandschef. Die Autos werden immer älter, der Durchschnitt liegt jetzt bei zehn Jahren. Reparaturen sind dann häufiger notwendig als bei jungen Fahrzeugen. "Die Arbeit geht uns hier also nicht so schnell aus."Und es gab noch eine für das Gewerbe positive Entwicklung zu vermelden: Auch bei den Elektroautos sei in Zukunft sehr viel zu tun, die Arbeiten seien nur anders als die bisherigen. Ein Stromer habe in der Summe mehr anfällige Komponenten als ein Verbrennerfahrzeug. Und die Arbeiten seien in der Regel sehr aufwändig. Zwar sei eine statistische Auswertung noch nicht möglich, weil es noch nicht genug ältere Elektrofahrzeuge gebe, Erfahrungen mit Unfallwagen würden aber zeigen, dass Reparaturen an Elektrofahrzeugen für Kunden deutlich teurer würden als solche an herkömmlichen Fahrzeugen.Neues PersonalStrukturwandel passiert derzeit aber nicht nur in den Autohäusern, sondern erfasst auch die Aufstellung des Verbands. So wurden in Hamburg zahlreiche Weichen neu gestellt. Die wichtigste ist sicherlich die Wahl des neuen Hauptgeschäftsführers. Auf Axel Koblitz folgt zum 1. Januar 2023 Kurt-Christian Scheel. Der 54-jährige gebürtige Bonner wurde einstimmig von der Mitgliederversammlung gewählt. Der Jurist ist derzeit noch beim Verband der Automobilhersteller (VDA) beschäftigt und wird seine Einarbeitungszeit am 1. November dieses Jahres beginnen. Er kennt natürlich alle Branchenthemen und war in den letzten Jahren in Berlin, aber in den letzten Monaten besonders auch in Brüssel aktiv.Gefragt nach den Gründen für seinen Wechsel zum ZDK, erklärte er: "Für die individuelle Mobilität ist der Handel das entscheidende Element." Damit traf er den Nerv der Mitglieder, die auch besonderen Wert darauf legten, dass er nicht nur von Axel Koblitz in sein neues Amt eingeführt wird, sondern sich auch bei den Innungen, Landes- und Fabrikatsverbänden vor Ort über deren Arbeit informiert.Grün für GrünDie zweite wichtige Personalie war die Wahl des neuen Bundesinnungsmeisters, nachdem Wilhelm Hülsdonk seinen Rücktritt erklärt hat. Der Unternehmer aus Voerde war 17 Jahre lang Bundesinnungsmeister und ZDK-Vizepräsident. Als sein Nachfolger wurde ebenfalls einstimmig Detlef Peter Grün gewählt. Der Inhaber einer freien Werkstatt gilt als besonders technikaffin und kompetent in Fragen rund um die Abgasuntersuchung.Im Vorfeld der Wahl gab es Querelen, da einige Vorstandsmitglieder der Meinung waren, dem Unternehmer fehle das Format für die Aufgabe, besonders was die Vertretung der Interessen des Kfz-Gewerbes beim Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) und beim Zentralverband Deutsches Handwerk (ZDH) angeht, die Hülsdonk noch bis Dezember innehat und die dann ebenfalls auf Grün übergehen soll.Die Streitigkeiten wurden beigelegt, indem festgelegt wurde, dass bei Servicethemen, die auch die Fabrikatsbetriebe betreffen, der Vorsitzende der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen, Thomas Peckruhn, ebenfalls ZDK-Vizepräsident, Grün begleitet.Gravendyk im VorstandWeil Grün bereits im Vorstand war, brauchte es durch seine Wahl zum Bundesinnungsmeister einen Nachfolger im ZDK-Vorstand. Gewählt wurde ebenfalls einstimmig René Gravendyk, Vorstandsmitglied im Landesverband Nordrhein-Westfalen und einer der beiden Vorsitzenden des ZDK-Ausschusses Ausbildung. Der Unternehmer aus Goch möchte in seinem neuen Amt denn auch vor allem die Themen rund um die Ausbildung voranbringen.Bereits in seiner Sitzung im Februar hat sich der ZDK-Vorstand dafür ausgesprochen, eine Immobilie in Berlin zu suchen. ZDK-Präsident Jürgen Karpinski erläuterte in Hamburg nochmals die Zielsetzung: Man wolle die Lobby- und die Öffentlichkeitsarbeit in der Hauptstadt verstärken und zudem sei es eine sehr sinnvolle Vermögensanlage. Ein sofortiger Umzug sei nicht vorgesehen. Der Verbandssitz in Bonn bleibe sicher noch mehr als eine Dekade erhalten.Die Mitgliederversammlung erteilte einem Gremium aus vier Personen den Auftrag, eine Immobilie in Berlin-Mitte oder angrenzenden Bezirken zu erwerben. Zielgrößen sind eine Nutzfläche von 1.000 Quadratmetern und ein Preis von maximal zehn Mio. Euro. Das Viererteam soll dem Vorstand regelmäßig über den aktuellen Stand der Suche berichten und ihm geeignet erscheinende Angebote vorlegen. Nach Auskunft des Baden-Württembergischen Landesverbands-Präsidenten Michael Ziegler, der zu dem Suchtrupp gehört, gibt es aktuell aber keine in Frage kommende Immobilie.Die derzeit stark gesunkenen Zulassungszahlen erfordern auch vom Verband eine Neuaufstellung der Finanzstruktur. So geht Schatzmeister Michael Kraft davon aus, dass schon 2023 die Mitgliedsbeiträge statt fast 50 Prozent nur noch weniger als 40 Prozent der Einnahmen ausmachen werden. Kompensiert werden soll das unter anderem durch Lizenzgebühren aus der AÜK, der akkreditierten Überprüfung im Kfz-Gewerbe, die alle amtlichen Werkstattuntersuchungen und -prüfungen zusammenfasst.Hinzu sollen in Kürze Einnahmen aus SERMA kommen. Die Abkürzung steht für den Zugang zu diebstahl- und sicherheitsrelevanten Reparatur- und Wartungsinformationen, für den der ZDK ein standardisiertes Autorisierungsverfahren plant. Es soll bis Mitte 2023 umgesetzt werden. Grundsätzlich hieß es aus dem Verband, dass man sich nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre, in denen eine Krise auf die andere folgte, darauf einstellen müsse, dass das zum Dauermodus werden könnte.Einsatz für E-FuelsEin weiteres Zukunftsthema sind für den Verband E-Fuels. Trotz der Entscheidung des EU-Parlaments, die faktisch einem Verbrennerverbot ab 2035 gleichkommt, will der ZDK sich weiter für E-Fuels einsetzen. Denn wer schnelle Erfolge bei der CO2-Reduktion erzielen wolle, müsse den aktuellen Fahrzeugbestand in den Blick nehmen, betonte Karpinski wie schon so oft. Mit E-Fuels oder Biokraftstoffen könnten die derzeit 1,5 Mrd. Pkw weltweit, davon allein in Deutschland rund 46 Mio. Pkw mit Otto- oder Dieselmotor, klimaneutral angetrieben werden. Die bestehende Tankstellen-Infrastruktur könnte dafür weiter genutzt werden. Nicht die Verbrennungsmotoren seien das Problem, sondern der fossile Treibstoff.Um seinem Engagement Nachdruck zu verleihen, startet der Verband ein Gemeinschaftsprojekt mit dem ADAC und dem mittelständischen Uniti-Mineralölverband. Drei Monate lang wird ein Serienfahrzeug im Alltagseinsatz mit synthetischen Kraftstoffen betrieben. Zwischendurch werden vom ADAC immer wieder technische Tests durchgeführt und dokumentiert. Damit will der Verband zeigen, dass E-Fuels schon heute zukunftsfähig sind.KurzfassungNeuer Hauptgeschäftsführer, neuer Bundesinnungsmeister, neues Vorstandsmitglied und ein Teilumzug nach Berlin. Der Verband stellt sich neu auf. Es bleibt aber beim Engagement für synthetische Kraftstoffe.

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