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Blech 2.0: Autobauer müssen sich neu erfinden

07.04.2015 10:09 Uhr
Blech 2.0: Autobauer müssen sich neu erfinden
Martin Winterkorn klingt derzeit oft nachdenklich.
© Foto: Auto-Medienportal.Net/Manfred Zimmermann

Schlägt das Herz der Autobranche bald im Silicon Valley? Wird der Pkw zur App auf Rädern? Was erwarten junge Leute von Mobilität? Solche Fragen treiben die Hersteller um.

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Von Heiko Lossie, dpa

Martin Winterkorn klingt derzeit oft nachdenklich. "In den vergangenen sieben Jahren hat sich unsere Branche stärker und schneller verändert als in allen Jahrzehnten zuvor", sagte er kurz vor Weihnachten bei einem internen Treff mit Führungskräften in Dresden. Die Zeitspanne der sieben Jahre macht der Volkswagen-Chef an Apples iPhone fest, das seit Ende 2007 mobiles Internet in jede Hosentasche bringt. Inzwischen griffen Firmen wie Google und Apple die Autowelt gezielt an, warnt Winterkorn. Die Attacke sei aber "Ansporn, uns noch intensiver mit den Chancen der digitalen Welt auseinanderzusetzen". 

Anlass gibt es genug. Die Gerüchte um ein mögliches "iCar" von Apple versetzen die Autobauer in Aufruhr. Google testet Roboterautos und kauft das nötige Know-How dafür einfach zu, etwa beim Zulieferer Continental. Es geht ums Neuerfinden der Mobilität, nicht mehr ums Neuerfinden des Autos. Gedanken zu dieser revolutionären Kraft ziehen sich durch Winterkorns Reden. Der Autonarr liebt das Blechbiegen. Auf Messen prüft er mit Magneten die Lackschichten der Konkurrenz oder misst die Spaltmaße von Bauteilen. 1977 promovierte der Metallphysiker über die Suche nach feinsten Gaspartikeln in Edelmetallen, und zwar mit der Methode "tiegelfreie Heißextraktion im Ultrahochvakuum".

Nun trifft die Digitalisierung seine Branche. Autos werden Apps auf Rädern. "Technologische Umwälzungen können gerade für die Starken und Erfolgreichen zur Gefahr werden", warnt Winterkorn beim Neujahrsempfang der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. "Selbst in der 'Autostadt' Stuttgart", sagt der Schwabe Winterkorn, "hat sich die Zahl der Pkw-Besitzer unter 25 Jahren in nur einem Jahrzehnt mehr als halbiert: Von 13.000 auf nicht mal mehr 5.000." Auch darum betont er vor der IHK: "Wir machen das Auto mehr und mehr zum rollenden Smartphone." 

Tiefgreifende Veränderungen

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagt: "Digitale Technologien greifen tief in unser Unternehmen ein, in die Welt unserer Kunden und Beschäftigten." Die Wende sei Chance und Risiko zugleich. "In diesen Umbrüchen liegt eine mächtige Innovationskraft", betont Osterloh. Und natürlich will der VW-Konzern das automatisierte Fahren nicht der Konkurrenz überlassen. Das Audi-Flaggschiff A8 wird in der nächsten Generation ab 2017 bis Tempo 60 per Autopilot fahren. "Später sind per Update sogar bis zu 140 km/h möglich", kündigt Winterkorn an. 

Selbst im kleinsten VW-Modell, dem Up, ist die Verbindungsfähigkeit mit den Smartphones inzwischen ein Standardextra. Und das wird weiter wachsen, vor allem über neue Grenzen hinweg. Zur Computermesse CeBIT zeigte VW schon, wie die Zukunft für Autobauer aussehen könnte. Eine in VW-Auftrag programmierte App erklärte Besuchern, wie sie am besten und billigsten zur Messe kommen: Neben dem Carsharing-Anbieter Quicar von VW gab es da außerdem noch Bus und Bahn oder Taxis.

Millimetergenaues Blech

Das klassische Geschäft - es ist ein Heimspiel für Winterkorn. Anfang 2015 zeigt er im VW-Pavillon in der Wolfsburger Autostadt den neuen Kompaktvan Touran. "Das hier", sagt Winterkorn, "können nur wir." Er deutet auf eine feine Kante oberhalb der Türen, die sich noch vor der Wölbung zum Dach wie eine Ziernaht bis zum Heck des Autos zieht. Dort findet sie, trotz der Unterbrechung an der Kofferraumklappe, auf dem angedeuteten Heckspoiler ihre Fortsetzung, und zwar millimetergenau.

Blech derart präzise zu biegen, gilt bei VW als Paradebeispiel für den vollendeten Karosseriebau. Und der Metallphysiker Dr. Winterkorn ist dort zu Hause. Einer seiner Nachfolger wird vielleicht einen Doktortitel haben für App-Programmierungen.

Branchenexperte Stefan Bratzel, der zu Managementfragen in der Branche forscht, betont: "Es geht ja um die Verheiratung von Vernetzung und Auto", sagt Bratzel. Mobilität werde neu definiert - und Autos seien nur ein Baustein in den fusionierten Welten zwischen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und dem Transport dabei.

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KOMMENTARE


VW

07.04.2015 - 12:32 Uhr

Millimetergenaue Biegungen und Kanten sind toll. Haltbare Benzinmotoren wären aber besser....


Peter Becker

07.04.2015 - 18:59 Uhr

"Google testet Roboterautos und kauft das nötige Know-How dafür einfach zu, etwa beim Zulieferer Continental."Da ist die Autoindustrie doch selbst Schuld, jahrzehntelang galt es als schick, soviel Knowhow wie möglich auszulagern, an externe Dienstleister zu geben. Da haz man es eben nicht mehr selbst so im Griff, welches Wissen und Erfahrung weiterverkauft wird. Aber auch Google, Apple & Co. werden sich noch über die Komplexität im Automobilbau wundern, es gibt dabei noch mehr als Apps und digitale Verknüpfungen...Das Zauberwort wird wohl Joint Venture heißen, soweit ich weiß, arbeitet Ford in den USA z.B. schon mit Microsoft zusammen.


wylly

07.04.2015 - 19:49 Uhr

Merkt eigentlich keiner, was hier wirklich passiert. Autofahren ist unproduktive Zeit. Wenn die Karre alleine weiß, wo sie hin muss, kann man prima im Auto mit Multimedia Business machen. Und überhaupt - Ziel ist doch nicht die Vernetzung des Autos, sondern die totale Überwachung. Diese Technologieidee kommt wieder mal aus den USA mit ihrem hysterischen Anspruch alles wissen zu wollen. Was passiert denn mit den Daten, die dann ermittelt werden, wenn das Auto alleine fährt? Hat sich schon einer mal die Frage gestellt, womit Google sein Geld verdient und 40.000 Leute bezahlt. Bestimmt mit den paar Werbebannern auf dem Startbilkdschirm; oder vielleicht doch eher mit dem Verkauf der Daten an die NSA.So ein Fahrzueg kommt mir definitiv nicht in die Garage - dann fahre ich Classic Car.


Na und

08.04.2015 - 13:35 Uhr

Ich frage mich, wer auf eine millimetergenaue Kante im Blech wert legt. Für mich hat das jedenfalls Prio 100. Wichtiger ist ein geringer Verbrauch, der nicht nur auf dem Papier steht, Sicherheit, Straßenlage usw. Sogar die Qualität des Radio ist für mich wichtiger.


MH

08.04.2015 - 14:23 Uhr

M.E. gibt es keinen Grund für Hysterie oder gar Angst vor Google etc. Auch in 50 Jahren wird es noch eher mehr Bedarf an "echter" Mobilität geben. Und so einfach ist es sicher auch für einen virtuellen Riesen nicht, ein Fahrzeug selbst zu bauen. Wir wissen alle, dass im Automobilbau von A-Z sehr viel know-how steckt, das sich die Automobilkonzerne über Jahrzehnte erarbeitet haben. Ich sehe in der Vernetzung des Fahrzeugs mehr Chancen als Risiken. Auch beim Thema selbstfahrende Automobile würde ich die Kirche im Dorf lassen. Das wird das "Selbstfahren" nicht ablösen. Es gibt auch in 50 Jahren noch viele, die gerne selbst fahren und dabei durchaus Spaß empfinden. Ferner gibt es noch viele Frage, wer bei Unfällen die Verantwortung übernimmt.


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