In einer im September 2019 veröffentlichten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach beklagten 90 Prozent der befragten 30- bis 59-Jährigen eine zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr. Der Goslar-AK III war offensichtlich der Ansicht, dass dieses subjektive Empfinden mit der Praxis auf den Straßen in hohem Maße korreliert.
"Alleinraser" gilt bereits als Straftäter
Zwar war man sich nicht vollständig darüber einig, inwieweit aggressives Verhalten – z.B. Drängeln, Ausbremsen, dichtes Auffahren und "wilde Raserei"– tatsächlich objektiv messbar sei bzw. ob "Rücksichtslosigkeit, Intoleranz, Ungeduld, Zeitmangel und progressiver Egoismus" tatsächlich den Straßenverkehr dominiert. Unbenommen davon hat der Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit bereits den sogenannten "Alleinraser" zum Straftäter aufgestuft und auch die Beschlagnahme seines Fahrzeuges als Möglichkeit geschaffen, sofern der "Raser" sein Handeln auf Erzielung eine höchstmögliche Geschwindigkeit“ ausrichtet.
Eskalationsstufen bei empfohlenen Sanktionen
Der AK III ging es nach eigenem Bekenntnis um die Schaffung eines "entspannten Verkehrsklimas", weshalb er die Gesamtthematik nicht nur ausleuchten wollte, sondern auch psychologische, juristische und infrastrukturelle Ansätze erörterte.
Nach zweitägigen Beratungen kam es zur nachfolgenden Resolution, die bei den ersten drei Punkten vor allem präventive Maßnahmen vorsieht, ab Punkt 4 dann aber vor allem Sanktionsmaßnahmen vorsieht, die sich steigern bis zur Vergabe von Punkten in Flensburg und der Anordnung einer MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) – im Volksmund besser bekannt als "Depperl-" bzw. "Idiotentest". Hier die sieben Empfehlungen im Wortlaut ihrer Beschlussfassung:
Wenn alle Präventionen nicht helfen...
1. Aggressive Verhaltensweisen im Straßenverkehr gefährden – auch aufgrund neuer Mobilitätsformen – die Verkehrssicherheit. Zur Reduzierung aggressiver Verhaltensweisen sind aufeinander abgestimmte Maßnahmen und ein Miteinander der für die Verkehrssicherheit verantwortlichen Institutionen erforderlich.
2. Im Rahmen einer kontinuierlichen schulischen Verkehrserziehung soll aggressives Verhalten im Straßenverkehr unter sozialen und psychologischen Gesichtspunkten behandelt werden. Diesem Thema ist in den Lehrplänen aller Schulformen deutlich höheres Gewicht beizumessen.
3. Zur Vermeidung aggressiver Verhaltensweisen im Straßenverkehr sollten geeignete präventive Programme (z.B. "Crash-Kurs NRW", "Peer-Programme") sowie Interventionsmaßnahmen für auffällige, aggressive Verkehrsteilnehmer (z.B. Anti-Aggressions-Maßnahmen) umgesetzt, weiterentwickelt und evaluiert werden.
4. Die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten als Reaktion auf aggressive Verhaltensweisen im Straßenverkehr müssen konsequent ausgeschöpft werden. Dazu gehören insbesondere die Beachtung von Mitteilungspflichten (§ 2 Abs. 12 StVG, Nr. 45 MiStra), die Anordnung von Verkehrsunterricht (§ 48 StVO), Seminarteilnahme (§ 153a Abs. 1 Nr. 7 StPO) sowie die Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO).
... sollen Punkte und eine MPU greifen
5. Die Einführung eines eigenen, punktbewehrten Bußgeldtatbestandes für "aggressives Posen" im Straßenverkehr wird empfohlen.
6. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, Fahrerlaubnisbehörden ein Recht zur Einsicht in das Bundeszentral-/Erziehungsregister einzuräumen. Sofern bei einer Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung steht, Anhaltspunkte für hohes Aggressionspotenzial der beschuldigten Person vorliegen, ist durch die Fahrerlaubnisbehörde die Kraftfahreignung mittels MPU zu überprüfen.
7. Im Hinblick auf den ungenauen Wortlaut des Tatbestandes für den "Alleinraser" (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB) genügt eine restriktive Auslegung nicht, um das strafbare Verhalten von ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen abzugrenzen. Es wird empfohlen, diese Norm so abzuändern, dass der erforderliche Renncharakter des Verhaltens deutlich wird. (wkp)