Weit über 2.000 K&L-Betriebe sowie Autohäuser konnte die Carbon GmbH seit 2002 von ihrem Miracle-Reparaturkonzept überzeugen. Mit dem Carbon Body Repair, kurz CBR, bietet der Spezialanbieter für die Karosserie-Außenhautinstandsetzung jetzt eine komplette Neuentwicklung. Im AUTOHAUS-Gespräch stellt Carbon-Gründer und Vertriebschef Siegbert Müller das System vor, erläutert die Entstehung und vor allem, was die Neuausrichtung auch für seine Kunden bedeutet.
AH: Beinahe 20 Jahren lang haben Sie auf dem K&L-Markt die Bit-Methode und I statt E mit dem Miracle-System forciert. Wie ist das neue CBR-System entstanden?
S. Müller: Dazu muss ich ein wenig ausholen. Als ich 2001 zum ersten Mal mit dem Miracle-System in Kontakt gekommen bin, war ich sofort restlos begeistert. Zum einen von der Reparaturphilosophie des Japaners Kosei Ishihara, welcher die Bit-Methode Zum anderen von der überragenden Reparaturqualität, die man damit erzielen konnte. Als sich 2002 auf der automecha-nika die Gelegenheit bot, die Distribution in Deutschland zu übernehmen, habe ich natürlich sofort zugeschlagen. In den Folgejahren haben wir dann rund um die vorhandenen Zugkomponenten ein sowohl im deutschen wie auch auf dem internationalen Markt erfolgreiches Reparaturkonzept mit einem hochwertigen Systemwagen, sinnvollen Zubehörteilen und ein umfassendes Schulungsangebot aufgebaut. Die unterschiedlichen Vorstellungen über Marketing, Vertrieb und technische Weiterentwicklungen haben über viele Jahre immer wieder für Reibereien mit unseren japanischen Freunden gesorgt. So war dann nach der automechanika 2018 einerseits klar, dass wir den eingeschlagenen Weg alleine weitergehen würden, wir andererseits aber nicht einfach noch eine weitere Miracle-Kopie "Made in China" anbieten wollten. Im Carbon-System sollte alle Erfahrung und das Know-how der letzten 20 Jahre in ein völlig neuartiges Reparatursystem münden. Und dafür haben wir dann noch mal richtig Geld in die Hand genommen.
"Ein System, das seinesgleichen sucht"
Ist das CBR-System bereits verfügbar?
S. Müller: Zugegeben sind wir schon etwas blauäugig an die ganze Sache herangegangen. Weil wir schnelle Ergebnisse sehen wollten, haben wir kein Ingenieurbüro engagiert, das erst einmal zwei Jahre lang ein Lastenheft entwickelt, konstruiert und Festigkeitsberechnungen angestellt hätte. So waren bereits 2019 die ersten Formen fertig und die Euphorie groß. Wir haben unterschätzt, wie viel Aufwand es sein würde, über 250 Teile und vierzig Formen zu entwickeln, und voll ins Blaue hineingearbeitet. Nachdem im September 2019 der erste Prototyp fertig war, mussten wir beinahe ein Jahr lang noch testen, nachjustieren und optimieren. Im Endeffekt haben wir und einige Beta-Tester aber jetzt schon ein Jahr Erfahrung mit dem CBR sammeln dürfen. Der Feinschliff hat zwar viel Geld und Zeit gekostet, aber dafür wissen wir heute auch, dass wir ein System haben, das seinesgleichen sucht.
Bis zu 70 % weniger Gewicht
Wo genau liegen die Unterschiede zu Miracle und anderen Systemen?
S. Müller: Was auf den ersten Blick auffällt, sind natürlich das Material Carbon und die carbonfaserverstärkten Kunststoffteile, aus denen die Zugkomponenten gefertigt sind. Diese führen dazu, dass alle Komponenten etwa sechzig bis siebzig Prozent leichter sind als bei anderen Anbietern. Es ist beim Ansetzen und im Umgang mit Strong-, Line- oder Easy-Tool ein himmelweiter Unterschied, ob die Zugbrücke sechs oder nur drei Kilogramm schwer ist. Das niedrige Gewicht und die verbesserte Ergonomie ermöglichen ein wesentlich filigraneres, gefühlvolleres und präzises Richten. Insbesondere beim Arbeiten über Kopf und an Nutzfahrzeugen mit langen Kanten ist das CBR deutlich einfacher anzusetzen, der Anwender braucht wesentlich weniger Kraft und ermüdet kaum. Oder wie unser Techniker Klaus Luz immer sagt: "Wenn man damit einmal gearbeitet hat, nimmt man nichts anderes mehr in die Hand." Das neue, verkürzte Line-Tool für die Wiederherstellung von Kanten in 100 cm und 160 cm Länge verfügt über eine einfach anzusetzende zweite Zugeinheit. Die zusätzlichen Verfahrwege eröffnen bei der Reparatur völlig neue Möglichkeiten, da der Anwender einen Bereich unter Spannung halten kann, während er den angrenzenden Bereich schonend massiert. Mit den neuen, bereits im System enthaltenen Abstützungen, Verlängerungen und beispielsweise den asymmetrischen Stützfüßen am Easy-Tool ist das System in der Praxis jetzt noch flexibler und effizienter einsetzbar.
Attraktive Preise und Upgrades
Viele Betriebe haben schon Miracle oder ein ähnliches System. Wer sind Ihre Kunden?
S. Müller: Natürlich sollen alle Karosserie- und Lackierbetriebe sowie Autohäuser vom CBR profitieren können und wir wollen alle unsere Kunden auf das neue System bringen. Aber Spaß beiseite: Uns ist klar, dass nicht jeder diesen Weg mitgehen wird. Trotz der nachgewiesenen Haltbarkeit und Belastungsfähigkeit von Carbon und CFK-Bauteilen werden einige Skeptiker „Plastik“ schreien, wieder andere die Investition scheuen. Wer aber die Philosophie „I statt E“ in seinem Betrieb lebt und weiß, wie viel mehr an Wertschöpfung er damit erzielen kann, der wird unser Kunde. Das CBR ermöglicht filigranes, hochwertiges Arbeiten, wie man zum Beispiel schon an Details wie unserer neuen Masseklemme sieht. Diese bringt messbare Vorteile, weil sie extrem leicht ist. Wenn ich die aber fünfzig Mal auf den Boden knallen lasse, ist sie irgendwann zerschlagen. So ist das mit dem ganzen System: sehr belastbar, sehr langlebig und damit eben ein Werkzeug für anspruchsvolle Premium-Karosseriebauer.
Was wird eine Neuanschaffung oder ein Upgrade etwa kosten?
S. Müller: Obwohl es bislang keine offizielle Vorstellung des Systems gegeben hat, haben wir international schon zahlreiche Anfragen und auch schon die ersten Arbeitsplätze ausgeliefert, wenn auch unvollständig. Preislich liegen wir trotz der hohen Entwicklungskosten und der Produktion fast vollständig in Deutschland niedriger als bisher. Unsere Bestandskunden können kostengünstig über eine Inzahlungnahme vorhandener Systeme auf das CBR upgraden. Aktuell bauen wir auf unserer Website carbon.ag zudem eine Plattform für Inzahlungnahmen und vollständig aufbereitete, so genannte Refurbished-Gebrauchtsysteme auf. Leif Knittel