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Plaketten-Skandal: Deckt Aufsichtsbehörde seit Jahren illegale ÜO-Machenschaften?

25.05.2012 14:55 Uhr
Plaketten-Skandal: Deckt Aufsichtsbehörde seit Jahren illegale ÜO-Machenschaften?
Miese Geschäfte in Baden-Württemberg: Auch aktuell sollen Prüfer einer kleinen regionalen Überwachungsorganisation gegen 150 Euro die HU-Plakette "blind" vergeben.
© Foto: Presse+PR Pfauntsch Archiv

Der Ende März im Landkreis Esslingen zusammen mit zwei Werkstattbetreibern aufgeflogene und inhaftierte HU-Prüfer scheint nur die Spitze eines Eisbergs zu sein. Die Plakette verteilen offensichtlich auch weitere Sachverständige der württembergischen "Mini"-ÜO noch immer gegen 150 Euro Bargeld. Doch damit noch lange nicht genug...

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"Es ist absolut beschämend, zu sehen, was hier von den Aufsichtsbehörden toleriert wird", schrieb der frühere Technische Leiter und ehemals kommissarische Geschäftsführer der GTÜ, Dietmar Schneider, in seinem Kommentar auf unseren Beitrag vom 18. Mai an gleicher Stelle. Die Überschrift von vergangenem Freitag lautete hierzu: "Plakettenbetrug: Mini-Organisation schadet 99,46 Prozent des HU-Marktes"

Erste "schwarzen Schafe" sitzen in U-Haft

Im Kern der Sache ging es dabei um einen dreisten Fall des HU-Plakettenschwindels, den ein 58-jähriger Kfz-Sachverständiger einer lediglich regional in Baden-Württemberg zugelassenen Kleinst-Prüforganisation zusammen mit mindestens zwei weiteren Werkstattbetreibern begangen hatte: Innerhalb weniger Minuten wurden meist 10 Fahrzeugen "en bloc" frische Prüfplaketten zugeteilt, ohne dass die Fahrzeuge zuvor einer ordnungsgemäßen Hauptuntersuchung zugeführt wurden.

"Rollende Autobomben" als "verkehrssicher" attestiert

Der staatliche (hoheitliche) Auftrag, zu dem die kleine Gesellschaft für das Land Baden-Württemberg legitimiert ist und der als solcher klar innerhalb der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) geregelt wird, wurde damit nach "eigenem Gutdünken" ausgelegt. Das Verwerfliche: Zumeist waren es, wie die Polizei mitteilte, regelrecht "rollende Bomben", die schwere Mängel aufwiesen oder völlig verkehrsunsicher waren und durch die neue Plakette weiter auf den Straßen bewegt werden durften.

Bares statt Werkstatt-Reparatur

"Zwischen 70 und 150 Euro" wurden als Schmiergeld entweder von den Kunden oder den Werkstattbetreibern an den abtrünnigen Kfz-SV für dessen "Leistungen" bezahlt. Rund 100.000 Bargeld hatte der 58-jährige Prüfer bei seiner Festnahme im Handschuhfach seines Autos liegen. Er gab zu, dass das gesamte Geld aus seiner "Prüftätigkeit" stammte. Obgleich die Ermittlungen über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus (wegen der auf 24 Monate "limitierten" Plakettengültigkeit) laut Staatsanwaltschaft Stuttgart schwierig sind, geht man in Ermittlerkreisen davon aus, dass der HU-Schwindel insgesamt deutlich länger ging und wohl weit mehr als 1.000 Fahrzeuge und deren Halter betroffen hatte.

Dramatische Zunahme der Anschuldigungen

Seit der AUTOHAUS-Schaden§manager-Meldung von vergangenem Freitag und der umfassenden Reportage ("Einer tut's, alle trifft's") mit Stellungnahmen der "Alt-Organisationen" (DEKRA Stuttgart/DEKRA Dresden, TÜV NORD, TÜV Rheinland, TÜV SÜD) sowie der Freiberufler-Gesellschaften (FSP, GTÜ, KÜS) im AUTOHAUS-Magazin SchadenBusiness (erschienen am 21.5.2012) nehmen die Anschuldigungen gegen die kleine BW-ÜO massiv zu.

"Aufsichtsbehörde weiterhin untätig"

Einer, der sich dabei getraut, offen die tatsächlichen Verhältnisse anzusprechen, ist der Kfz-Sachverständige und Unfallanalytiker Dipl.-Ing. Dietmar Schneider, der heute eine eigene KÜS-Prüfstelle in Rottenburg führt: "Der Aufsichtsbehörde Baden-Württemberg sind seit Jahren mindestens zwei weitere Prüfer der besagten Überwachungsorganisation bekannt und es liegen konkrete Ermittlungsakten (in einem Fall drei dicke Sammelordner) der Polizei vor", sagte er in seinem Kommentar auf unseren Aufmacherbeitrag im AUTOHAUS-Schaden§manager vom vergangenen Freitag. Gemeint sind dabei HU-Prüfer, die ebenfalls gegen Bargeld die Plakette "prüfungsfrei" zuteilen.

War bereits die Zulassung der Prüfgesellschaft illegal?

In seinem Tacheles-Kommentar sagte Schneider weiter: "Aber wie so oft stinkt auch hier der Fisch vom Kopf her. Der Geschäftsführer der ÜO (Technischer Leiter, Revisionsleiter – alles in einer Person) fiel schon im Jahr 93/94 beim Landgericht Augsburg auf. Dort wurde ihm kriminelle Energie attestiert. Es ging um die Manipulation von Testergebnissen von AU-Geräten. Zu Lasten der Firma MAHA. Auch bei anderen großen AU-Geräteherstellern soll er versucht haben, obwohl er Angestellter einer AU-Geräte- Zertifizierungsgesellschaft war, mit Beraterverträgen in fünf- bis sechsstelliger Höhe noch die eine oder andere DM für sich persönlich herauszuschlagen. Obwohl all das der Aufsichtsbehörde Baden-Württemberg bekannt war, bekam die ÜO ihre amtliche Anerkennung in Baden-Württemberg."

Gesellschaft und Geschäftsführung seit 1990er Jahren "auffällig"

Die Redaktion von AUTOHAUS-Schaden§manager hatte in der laufenden Woche Gelegenheit, mit einer Reihe von langjährig im deutschen HU-Prüfgeschäft Verantwortlichen zu sprechen. Allesamt bestätigten sie übereinstimmend die Aussagen von Schneider.

Klar wurde dabei auch: Der Gründer und Geschäftsführer der baden-württembergischen Kleinorganisation gilt in der Branche als weithin bestens bekannt, schließlich war er vor seiner Zeit als eigener "ÜO-Unternehmer" bei mehreren der oben genannten, etablierten Organisationen beschäftigt und hatte dort meist auch leitende Funktionen inne. Was unserer Redaktion bereits in den Jahren 1996 und 1997 aus diesen Prüfgesellschaften teilweise noch unter "vorgehaltener Hand" erstmals berichtet wurde, gewann in dieser Woche indes an Präzision, genauso aber an dramatischer Schärfe in der jeweiligen Anschuldigung.

Erpressung, Bestechung – oder beides?

Wechselweise wird beispielsweise aus den Prüforganisationen von "Erpressung" und "Bestechung" berichtet, auf deren Basis es überhaupt zur Zulassung der Mini-ÜO gekommen sein soll. Die Mutmaßungen darüber, dass in der baden-württembergischen Aufsichtsbehörde ebenfalls mindestens ein Beamter saß, der "entweder geschmiert wurde oder gegen den man eventuell ein Druckmittel in der Hand hatte", wurden in der laufenden Woche von diversen Insidern geäußert, die durchweg seit mehr als 20 bzw. 30 Jahren im deutschen Prüfwesen tätig und der Redaktion von AUTOHAUS allesamt auch bekannt sind.

Werden Ermittlungen verhindert?

Offensichtlich haben sich dem Vernehmen nach auch eine Reihe von zum Teil ehemaligen Vorständen und Geschäftsführern mehrerer deutscher Prüforganisationen bereits in den 1990er Jahren nachhaltig dafür eingesetzt, dass den, wie es heißt, "illegalen Machenschaften" der baden-württembergischen Kleinorganisation ein rechtlicher Riegel vorgeschoben wird. Gleichzeitig aber scheinen alle bisherigen Strafanzeigen und Hinweise, die augenscheinlich ganze Ordner füllen, bislang nichts bezweckt zu haben. Auch hier wird neuerlich die Frage aufgeworfen, ob von behördlicher Seite "jemand schützend die Hand" über die Kleinorganisation hält.

Auch aktuell gibt es die HU-Plakette "prüffrei" für 150 Euro!

Ähnlich, wie der vor zwei Monaten zusammen mit zwei 26 und 28 Jahre alten Werkstattbetreibern aufgeflogene 58-jährige Kfz-Sachverständige, so wähnt sich offenbar auch die kleine Prüfgesellschaft selbst nach wie vor sehr sicher in ihrem Tun: Erst vor zwei Tagen ging in unserer Redaktion ein Mail ein (der Absender ist der Redaktion seit fast 20 Jahren bekannt), in dem es heißt, dass in Baden-Württemberg "immer noch" (...) Sachverständige unterwegs sind, von denen man auch (weiterhin) für 150 Euro die Plakette ohne Besichtigung des Fahrzeuges erhalten kann". (Anm. d. Red.: Der Name der Prüfgesellschaft wurde im Mail wörtlich mit aufgeführt.)

AU-Lehrgänge in der halben Zeit

Bemerkenswert sei ferner, so hieß es in dem an uns gerichteten Mail weiter, dass der Geschäftsführer der Organisation (auch dieser Name wurde genannt und ist der Red. bekannt) "immer noch seine AU-Lehrgänge anbietet und betreibt mit der sagenhaften Werbeformel: An einem Freitag zum Lehrgang kommen - und zwei Tage bescheinigt bekommen!"

Der Ruf nach dem ZDK

Das gegenständliche Mail endete mit dem Wunsch, dass zusammen mit dem ZDK in einer öffentlichen Auseinandersetzung zum gegenständlichen Thema sinngemäß diesen Vorgängen ein für allemal Einhalt geboten werde. (wkp)

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