Mehr denn je setzt der Stuttgarter Schadensteuerer aber auch auf echte Partnerschaft und will bei höher qualifizierten Leistungen auf die Einhaltung eines stabilen Preisgefüges seitens der Werkstätten achten.
Der gesteuerte Schaden bekommt ein neues Regelwerk. Matthew Whittall, Vorstandsvorsitzender der Innovation Group, und der für das Werkstattmanagement zuständige Direktor, Ullrich Bechmann, präsentieren es exklusiv und detailliert den K&L Betrieben, Versicherungen und Flottenmanagern auf dem AUTOHAUS-Schadenforum am 22. und 23. Oktober in Potsdam.
Bei der Unfallschadensabwicklung galoppieren die Instandsetzungskosten allen Beteiligten immer mehr davon. Ohne dass die Werkstätten etwas davon haben und bei gleichzeitig steigenden Aufwändungen für Kfz-Assekuranz und Fuhrparks. Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) wie auch der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) beklagen zu Recht eine gefährliche Rendite-Entwicklung, die zwar mehrere Ursachen, aber am Ende eine Zuspitzung darin hat, dass K&L Betriebe kaum mehr auskömmlich arbeiten, geschweige denn in ihre eigene Zukunft investieren können. Gleichzeitig wächst damit der Druck auf das Schadenmanagement und auch die Versicherungsprämien weiter.
Diesen Teufelskreis – und damit die gefährliche Kostenspirale – will der in Deutschland größte unabhängige Schadenslenker, die Innovation Group, jetzt mit einem neuen Modell aktiv durchbrechen. Das gesamte Konzept soll erstmals und exklusiv dem gesamten Schadenmarkt am 22. und 23. Oktober auf dem AUTOHAUS-Schadenforum in Potsdam erläutert werden.
Tatsächliche Kosten kommen auf den Tisch
Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Veranschaulichung der beiden heute gängigen – und jeweils auch herstellerseitig freigegebenen – Reparaturverfahren für einen typischen Schadensfall, der in der Regel bei Anwendung der "klassischen" (und gleichzeitig AW-kritischen) Instandsetzung sehr kostenintensiv ausfällt. Wie unterschiedlich die Schadenkosten tatsächlich sind, wurde bereits im Vorfeld des Schadenforums in einer Vielzahl von anderen Karosserieschäden akribisch überprüft und verglichen. Die Auswertungen hierzu werden die beiden Unternehmen ICAM-Systems und Audatex AUTOonline in Potsdam präsentieren.
Und zur Live-Veranschaulichung werden zudem zwei völlig identische VW Golf VII mit ebenfalls identischen Seitenwandschäden in einer zusätzlichen Reparaturhalle wieder aufgebaut – einmal per kompletten Austausch und einmal durch Instandsetzen der Seitenwand. Die DEKRA Automobil GmbH, welche auch das Gros der deutschen K&L Betriebe zertifiziert hat, begleitet die beiden Reparaturverfahren bereits seit dem Zeitpunkt, als vorab beide Fahrzeuge gecrasht wurden. Der Kfz-Sachverständige wird in Potsdam zudem seine Expertise sowohl zu den Ersatzteil- und Instandsetzungskosten insgesamt, als auch zu den technischen Vor- und Nachteilen für das Fahrzeug sowie die Auswirkungen auf den Halter in puncto merkantilem Minderwert und (nach Reparatur) jeweils erzielbarem Wiederverkaufserlös abgeben.
Mehr Geld für bessere Leistung
Zusätzlich zur Präsentation des künftig favorisierten Instandsetzungsverfahrens „I vor E“ wird die Innovation Group (IG) auch ihre ab dem kommenden Jahr zusätzlich geltenden "Leistungs-Bausteine" exklusiv der Fachwelt präsentieren. Eine bessere Leistung soll sich gerade für die K&L Fachbetriebe wirtschaftlich auszahlen, ist das erklärte Ziel des Unternehmens.
Im nachfolgenden Interview geben Matthew Whittall und Ullrich Bechmann einen kleinen Ausblick auf das, was die gut 1.200 Partnerbetriebe sowie die IG-Auftraggeber-Versicherer und -Flottenmanagementgesellschaften in Potsdam erwartet:
"Entscheidung fiel uns leicht"
AH: Herr Whittall, Sie standen von Anfang an dem Motto des diesjährigen AUTOHAUS-Schadenforums sehr aufgeschlossen gegenüber und haben zusammen mit Ihren Kollegen und Kolleginnen in Stuttgart viele weitere Ideen in die Veranstaltung mit eingebracht. Warum war das für Sie eine so klare Sache?
M. Whittall: Die Entscheidung, an der Veranstaltung in Potsdam teilzunehmen, fiel uns tatsächlich sehr leicht. Insbesondere, als wir hörten, dass das Motto "Instandsetzen vor Erneuern" eine der großen Überschriften werden sollte. Wie Sie ja wissen, verfolgt die Innovation Group seit Jahren aktiv im Sinne ihrer Auftraggeber alle Wege, die zu einer Schadenaufwandsreduzierung beitragen können. Da bietet genau dieses Thema in Potsdam eine optimale Plattform. Instandsetzen vor Erneuern eröffnet aber gerade auch der Karosseriebranche die Chance, mit handwerklicher Top-Leistung zu glänzen. Zwar wird über die handwerkliche Leistung seit langem viel gesprochen, aber trotz alledem gibt es noch viel Optimierungspotenzial innerhalb der Branche.
"Steigende Kosten bringen niemandem etwas"
AH: Sie peilen also das Durchbrechen der Spirale an, durch die sich gerade in den letzten beiden Jahren eine deutliche Erhöhung der durchschnittlichen Stückzahlkosten abzeichnet?
M. Whittall: Das ist korrekt. Wir tun das vor allem auch deshalb, weil uns allen die Kosten immer mehr davon laufen und im Grunde weder derjenige, der den Schaden zahlt, noch die Werkstatt, welche den Schaden wieder instandsetzt, am Ende tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil für sich verbuchen kann. Genau das wollen wir künftig ändern, weil wir sonst unweigerlich auf einen Eisberg zusteuern. Wir haben uns deshalb entschlossen, gemeinsam mit der Firma Carbon an zwei gleichwertigen Fahrzeugen die Unterschiede der Instandsetzungswege live vorzuführen und damit auch nachprüfbar zu machen. Und weil das Gesamtkonzept zur Veranstaltung in mehreren Monaten so stimmig geworden ist, haben sich kurzerhand zahlreiche weitere, im Markt hoch renommierte Dienstleister dieser Veranstaltung in Potsdam mit großer Überzeugung angeschlossen.
AH: Für all diejenigen, die bisher Unfallschadensregulierung nur vom Schreibtisch her, nicht aber in der tiefgreifenden Werkstattpraxis – was man hier auch durchaus im direkten Wortsinn verstehen darf – erlebt haben, dürfte die Live-Reparatur auch ein echtes Aha-Erlebnis werden. Ganz nach dem Motto: Digitalisierung von Schadenprozessen funktioniert nur dann, wenn man die nicht-digitalisierbare, handwerkliche Arbeit begriffen hat. Sehen Sie das ähnlich, Herr Whittall?
M. Whittall: Ich bin da ganz Ihrer Meinung. Das ist in der Tat so. Und auch von daher hoffen wir natürlich auf eine möglichst große Teilnehmer- und Zuhörerzahl, um mit möglichst vielen am Schaden Beteiligten aktiv zu diskutieren.
AH: Wie Sie uns in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder erklärt hatten, geht es Ihnen dabei sowohl um Ihre Auftraggeber, als vor allem auch Ihre Partnerbetriebe?
M. Whittall: Absolut, ja. Ich denke, dass wir mit unserem Gesamtkonzept, wozu Ihnen gleich auch noch Herrn Bechmann einige Details vorab verraten wird, so etwas wie die Auflösung des bekannten "gordischen Knotens" gefunden haben, der allen helfen kann. Gerne stehen wir in Potsdam aber auch zu allen sonstigen offenen Fragen zur Verfügung.
Auch regionale IG-Netzwerkentwickler in Potsdam
AH: Können Sie kurz ein oder zwei Beispiele nennen?
M. Whittall: Eine Kernfrage ist für mich, wie wir etwa die Durchlaufzeiten deutlich reduzieren können; eine andere, wie wir uns gemeinsam mit unseren Partnerwerkstätten fit machen für die Zukunft. Um wirklich allen Versicherern, Flotten- und Leasinggesellschaften und Werkstätten auch "breit" Antworten geben zu können, wird die Innovation Group deshalb selbstverständlich mit einem eigenen Stand und mit zahlreichen Teilnehmern aus Stuttgart sowie mit unseren regionalen Netzwerkentwicklern vertreten sein.
AH: Die Innovation Group will ihr Partnernetz künftig in einigen Schwerpunkten aber auch ganz neu ausrichten, Herr Bechmann. Welche Gedanken treiben Sie da an?
U. Bechmann: Es gibt grundsätzlich eine zentrale Fragestellung für unsere Partnerbetriebe und uns selbst: Wie, mit welchen Mitteln und Voraussetzungen können wir gemeinsam den Schadenmarkt von morgen bedienen? Und wie sollten unsere Partnerbetriebe aufgestellt sein, um die modernen Fahrzeuge von morgen zu reparieren?
Werkstätten sollen mehr Reparaturstunden verkaufen können
AH: Also auch hier wieder die Kardinalfrage der betriebswirtschaftlichen Rentabilität?
U. Bechmann: Zweifelsfrei ja. Die verrechneten Stunden in der Unfallreparatur sind seit Jahren rückläufig. Derzeit liegen wir bei knapp elf Stunden für jeden K&L-Auftrag. Der Anteil der Ersatzteilkosten ist im gleichen Zeitraum aber deutlich gestiegen.
AH: Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen dafür? Und was wollen Sie tun?
U. Bechmann: Die Steigerung der ET-Kosten liegt nicht nur an der Sensorik, sondern gerade auch an den überproportional gestiegenen Kosten im Außenhautbereich. Für den Bereich Sensorik und Elektronikkompetenz setzen wir auf Ausbildung, auf den Zugang zu Herstellerinformationen und auf geeignete Hardware. Für den Bereich Karosserie-Außenhaut möchten wir die Instandsetzung statt Erneuern deutlicher professionalisieren. Stichworte sind hier: regelmäßige Mitarbeiterschulung durch Fachleute und professionelle Werkzeuge. Dies vor allem auch im Sinne unserer Auftraggeber zur Schadenaufwandsreduzierung, aber auch im Sinne der Werkstatt, die verstärkt ihre professionelle Handwerksleistung verkaufen sollte.
Wie man seinen SVS steigern kann
AH: Das ist aber noch nicht alles bei dem, was Sie bzw. die Innovation Group ab 2019 vorhaben?
U. Bechmann: Richtig. Es gibt weitere, für uns sehr wichtige Faktoren, die zur Leistungsfähigkeit einer Werkstatt von morgen gehören.
AH: Können Sie diese auszugsweise benennen?
U. Bechmann: Einige der Schwerpunkte unserer geplanten Leistungsbausteine in 2019 werden sein:
• Sicherstellung der Kundenzufriedenheit und der Reparaturqualität mit tagesaktueller Information an die Betriebe,
• Ausbildung von Mitarbeitern in der Werkstatt und im kaufmännischen Bereich sowie Unterstützung von Verbänden und/oder Innung,
• Neben Karosserie und Lack sollte keinesfalls der Elektronikbereich vernachlässigt werden (Tester, Herstellerzugang, Elektromobilität usw.),
• Außenhautinstandsetzung professionalisieren in allen Bereichen (Multifunktionsarbeitsplatz, Mischbauweise, Aluminium…). Regelmäßige Mitarbeiterschulung und aktive Bereitschaft zum Thema I vor E (Schulung, prof. Werkzeuge),
• Elektronikkompetenz und Elektromobilität, markenübergreifende und direkte Datenzugänge zu den Herstellern mit entsprechender Software und Know how,
• Möglichst viele Fahrzeuge reparieren mit geringen Stornierungsquoten der vermittelten Aufträge,
• Anmutung und Erscheinungsbild (hierzu gehören u.a. eine ordentliche Außen- und Innendarstellung des Betriebes, die Fahrzeugannahme und -rückgabe, ein moderner Internetauftritt (Smartphonefähige Seiten, usw.),
• Fokus auf die wesentlichen Dinge im Karosserie & Lack & Mechanik-Bereich (gemeint ist bei Mechanik aber ausschließlich der Bereich Mechatronik, welcher für den Karosseriebereich notwendig ist).
AH: Alleine dieser auszugsweise Wunschzettel ist lang. Viele Betriebe schaffen das bereits heute, andere müssen da noch hart dran arbeiten...
U. Bechmann: Unser klares Ziel ist: Das Alles muss bezahlbar bleiben und dennoch die Rendite der Betriebe nachhaltig sichern. Unsere Auftraggeber sehen natürlich diese Hürden. Aber ich kann Ihnen dazu versichern, dass wir auch mit unseren Auftraggebern hierzu bereits in einem konstruktiven Austausch stehen. Das Verständnis wird sicherlich weiter wachsen, wenn wir darüber in Potsdam aktiv gemeinsam sprechen und auch sämtliche Fakten zusammen mit weiteren Dienstleistern auf den Tisch legen können.
AH: Was bedeuten die künftigen Leistungsbausteine für die Partnerbetriebe der Innovation Group konkret?
M. Whittall: Das ist nicht in einem Satz zu beantworten. Ich gehe deshalb gerne nochmals einen Schritt zurück und gebe ihnen einen Einblick in die Idee, die dahinter steht: Moderne Partnerwerkstätten leisten heute schon viel. Neben einer guten Reparatur geben sie den Kunden eine Ersatzmobilität. Die Einhaltung verschiedener Prozesse erleichtert aber auch das „Leben“ der Versicherer. Zudem sollen die Unfallkunden möglichst schnell bedient werden. Dass hier seitens der Werkstattverbände die Frage aufkommt, wer das alles bezahlen künftig bezahlen soll, verstehen wir. Es liegt für uns auf der Hand, dass für gute Leistung auch faire Preise bezahlt werden sollen. Und genau deshalb bringen wir künftig noch viel mehr Transparenz in die Preisverhandlungen.
Ein Basisstundensatz und zahlreiche "Ausbaustufen"
AH: Nur Transparenz oder auch einen besseren Preis?
M. Whittall: Wir werden einen regional abhängigen Basissatz einführen als Richtwert für unsere Preisverhandlungen. Dazu kommen dann einige vordefinierte Bausteine mit objektiv meßbaren Kriterien. Und jetzt sage ich an dieser Stelle schon mal vorab: Je mehr Bausteine der Betrieb künftig erfüllt, desto höher ist dann auch sein Stundensatz. Wir werden die Bausteine in Potsdam genau erklären. Nehmen wir als Beispiel die Instandsetzungsquote: Einen Betrieb, der in der Lage ist, viele Außenhautschäden optimal instand zu setzen statt Neuteile einzubauen, genau den möchten wir belohnen!
AH: Wenn wir Sie hier richtig verstehen, werben Sie bei Ihren Auftraggebern nicht nur für das favorisierte Reparaturverfahren I vor E und Ihre neuen Leistungs-Bausteine, sondern auch um Unterstützung in Ihrem Vorhaben für mehr Schulung, die technisch "bessere" Instandsetzung und professioneller im Markt aufgestellte Partnerbetriebe, die Sie dafür künftig auch besser entlohnen wollen?
U. Bechmann: So könnte man das beschreiben, ja. Die Partnerbetriebe sollen mit all den Leistungs- und zukunftsorientierten Modellen auch wirtschaftlich ertüchtigt werden.
Grenzen einer Partnerschaft
AH: Sie wollen de facto also in die "Höherqualifizierung" Ihrer Partnerbetriebe auch aktiv mit investieren. Nun fällt uns in diesem Zusammenhang spontan ein Interview ein, das wir vor einigen Jahren mit den beiden Eurogarant-Vorständen Thorsten Fiedler und Peter Börner geführt hatten. Darin hatten sich die beiden Herren aus Anlass eines seinerzeit neuen Schadensteuerers unmissverständlich darüber beklagt, dass ein Newcomer besser bedient werde als der verlässliche und langjährige Auftraggeber. Konkret ging es dabei um deutlich höher geforderte Auftragsprovisionen, ohne selbst an der Qualifizierung der Werkstätten beteiligt gewesen zu sein. Sehen Sie nicht bei Ihrem aktuellen Vorhaben eine ähnliche Gefahr?
U. Bechmann: Ohne Frage wäre es sehr kontraproduktiv, wenn unsere Leistungs-Bausteine und zukunftsorientierten Modelle von unseren eigenen Partnerbetrieben dazu genutzt würden, um Wettbewerber mit einer höherwertigeren Leistung zu gleichzeitig günstigeren Preisen zu bedienen. Und dazu sage ich in Übereinstimmung mit Matthew Whittall auch ganz deutlich: Das Kopieren und der einfache Zugang unserer Arbeit für Dritte wird zumindest Gesprächsbedarf auslösen.
M. Whittall: Mit diesen Betrieben sehen wir in der Zukunft keine Partnerschaft. Wir setzen von unserer Seite her ganz klar auf Transparenz, Objektivität und Kooperation. Unsere Kunden und Partnerwerkstätten wissen genau, welche Faktoren besonders wichtig und wertvoll sind. Und es geht nicht nur um ein funktionierendes Netzwerk heute und jetzt! Wenn wir nicht die Investitionen in notwendige Technologie, Schulung oder Ausbildung fördern – was wir sehr aktiv tun wollen und in unserem Gespräch auch deutlich geworden sein sollte –, dann werden wir schnell Probleme mit "Fremdrechnungen" bekommen, weil die Partnerbetriebe immer mehr auf fremde Hilfe von Autohäusern angewiesen wären.
AH: Herr Whittall, Herr Bechmann, wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch und freuen uns mit Ihnen, Ihren Partnerbetrieben und Auftraggebern auf eine sicherlich hoch spannende Veranstaltung am 22. Und 23. Oktober in Potsdam!
Das Gespräch führte AUTOHAUS Schadenmedien-Chefredakteur Walter K. Pfauntsch