Audi-Verträge: "Wir kommen gut voran"

AH: Herr Sander, im vergangenen Jahr war man ziemlich euphorisch, dass die Verhandlungen über die neuen Verträge kurz und schmerzlos ablaufen würden. Den Eindruck hat man jetzt nicht mehr. M. Sander: Wir verhandeln intensiv gemeinsam mit Volkswagen und dem Partnerverband. Die Atmosphäre ist konstruktiv und wir kommen gut voran. Dass dies viel Arbeit macht, war eigentlich klar. Wir haben uns jetzt Zeit bis zur Mitte des Jahres genommen. Wir sind gut unterwegs. Keine Margenkürzungen AH: Was sind die Knackpunkte? Wie man hört, geht es um Margenkürzungen, Klauseln zur einseitigen Änderung, Umgang mit Kundendaten und eine Netzreduzierung? M. Sander: Um Margenkürzungen geht es bei uns nicht. Es gibt viele Themen. Allerdings gibt es keinen Knackpunkt, der zum sogenannten "Dealbreaker" werden könnte. Vor einigen Monaten ist das Thema Großkunden sehr emotional diskutiert worden. Gerade dieses Thema werden wir bald abschließen können und dann im Sinne des Handels durchverhandelt haben. Umgang mit Daten AH: Beim Thema Daten ist man noch nicht soweit? Hier geht es dem Handel auch um den bestehenden Ausgleichsanspruch. M. Sander: Es gibt ein klares Verständnis, dass es "meine Daten, deine Daten" in unserer vernetzten Welt nicht mehr geben kann. Wenn ich mich mit einem Kunden beschäftige, müssen beide Seiten über die gleichen Informationen verfügen. Der Kunde würde es nicht verstehen, wenn er dem Händler und uns jedes Mal neu erklären muss, was seine Präferenzen sind. Klar steckt hier die Herausforderung hinsichtlich der Datennutzung und Speicherung im Detail. Aber auch hier sehe ich keinen grundsätzlichen Konflikt. AH: Die Daten sind für den Handel die Lebensversicherung! M. Sander: An den rechtlichen Grundlagen wird sich definitiv nichts ändern und diese halten wir natürlich ein. Heute kann noch niemand von uns genau beantworten, wie sich die Bedeutung von Daten weiterentwickeln wird. Schon jetzt gibt es viel mehr Quellen und Kontaktmöglichkeiten als noch vor zehn Jahren. Wenn wir gegenüber den Kunden professionell auftreten wollen, brauchen Handel und Hersteller den gleichen Blick auf den Kunden. Wir als Hersteller sammeln relevante Informationen über verschiedene Medien. Diese stellen wir dem Handel auch zur Verfügung. Dieser Informationsaustausch muss aber in beide Richtungen funktionieren. Das Grundverständnis dafür ist bei beiden Seiten da. AH: Sie stellen also keine Unzufriedenheit bei den Händlern aufgrund des Verlaufs der Verhandlungen fest? M. Sander: Ich sehe eher eine Verunsicherung, die ich auf Grund der vielen Veränderungen, die unsere Branche gerade erlebt, durchaus nachvollziehen kann. Das Geschäftsmodell der Händler hängt von diesem Vertrag ab. Wir haben immer gesagt, dass wir ein starkes und profitables Händlernetz brauchen. Wir fühlen uns für die Amortisation der Investitionen des Handels verantwortlich. Unsere Partner erwarten zu Recht, dass sich ihre Investitionen rechnen und sie auch in den nächsten Jahren Geld verdienen können. "Behutsame" Anpassung AH: Das Vertragshändlersystem wird bestehen bleiben? M. Sander: Wir werden das alte Modell behutsam an die neuen Bedingungen anpassen und modifizieren. AH: Warum führt man nicht insgesamt ein Agenturgeschäft ein? Das würde vieles vereinfachen. M. Sander: Wir reden über Vertragsvorbehalte, um das Thema Agentur in den kommenden Jahren auszuweiten. Die Agentur funktioniert bei den Großkunden und kann auch in den anderen Kanälen funktionieren. Strategisch geht es sicher in diese Richtung. AH: Künftig wird sich der Kunde verstärkt über sein Smartphone in das System seines Autos einloggen. Damit stehen zahlreiche Daten zur Verfügung. Was passiert damit? M. Sander: Um diese Daten dem Händler zu Verfügung stellen zu können, brauchen wir den neuen Vertrag. Dies ist bisher nicht geregelt. AH: Dann können dem Kunden auch Angebote gemacht werden. Das ist bisher nicht möglich. Wie wird der Handel monetär daran beteiligt? M. Sander: Das beginnt mit zubuchbarer Sonderausstattung, also Funktionen, die am Fahrzeug hängen und bei Bedarf gebucht werden können. Mit den neuen Verträgen werden wir regeln, wie der Handel am Geschäft mit digitalen Dienstleistungen teilnimmt. Es gilt das Prinzip: Wo immer der Handel Leistungen erbringt, wird es dafür auch eine angemessene Vergütung geben. Letter-of-Intent für alle Partner AH: Inzwischen wurden die Verträge gekündigt. Wer erhält einen neuen Vertrag? M. Sander: Alle Händler und Servicepartner haben inzwischen einen Letterof-Intent als Absichtserklärung erhalten, dass wir weiter mit ihnen zusammenarbeiten möchten. Die Einführung der neuen Verträge ist nicht mit einer Netzreduzierung verbunden. Der neue Vertrag tritt ab 1. April 2020 in Kraft. AH: Bis wann sollen die neuen Verträge unterschriftsreif sein? M. Sander: Ich rechne bis zum Spätsommer. AH: Wird jeder Händler künftig die vollständige Modellpalette verkaufen können? M. Sander: Für uns steht ganz klar fest: Über Nischenmodelle hinaus wird es kein beschränktes Portfolio im Verkauf geben. Beispielsweise wird unser erstes vollelektrisches Modell, der Audi e-tron, auch von allen unseren Partnern vermarktet werden. Es wird auf keinen Fall dazu kommen, dass ein Kunde sich fragen muss, bei welchem Händler er welches Modell überhaupt bekommen kann. Grundlage für Online-Vertrieb AH: Es wird Kunden geben, die sich im Internet ein Auto kaufen oder leasen wollen. Wie lautet Ihre Antwort darauf? M. Sander: Wir haben gemeinsam mit und für den Handel eine Audi-eigene Plattform entwickelt, über die Kunden "Audi Gebrauchtwagen:plus"-Modelle jetzt online kaufen können. Hier werden wir ab dem dritten Quartal auch Leasing anbieten. Mit den neuen Verträgen schaffen wir die Grundlagen, um Online-Vertriebskanäle nutzen zu können, und regeln, wie der Handel am digitalen Geschäft beteiligt ist. Klar ist: Der Handel wird immer eingebunden sein - beispielsweise bei der Beratung, bei der Fahrzeugübergabe, im Aftersales-Bereich - und wird entsprechend aktivitätenbasiert vergütet. AH: Denken Sie dabei eher an Leasingoder Mietlösungen? M. Sander: Wir haben hier noch keine Erfahrungswerte. Ich gehe aber davon aus, dass das Thema Leasing sicher eine große Rolle spielen wird. Wir werden aber die gesamte Bandbreite anbieten. AH: Was erwarten Sie von Heycar? Gibt es eine friedliche Koexistenz mit der Audi-GW-Börse? M. Sander: Natürlich! Wir haben unsere eigene markenexklusive Börse. Wer gezielt einen Audi sucht, hat hier seine erste Anlaufstelle. Heycar verfolgt als Multimarkenbörse einen anderen Ansatz. Wir unterstützen die neue Audi Gebrauchtwagen-Plattform, die wir mit dem Handel für Kunden und Händler entwickelt haben. Dieselrestwerte AH: Wie wirkt sich die Dieselrestwertmisere auf den Handel aus? Nur rund zwei Drittel der Leasingrückläufer sind abgesichert. Die FS AG hat schon Rückstellungen gebildet. M. Sander: Fahrzeuge mit Restwertabsicherung bieten dem Handel Sicherheit. Für die anderen Fälle bieten wir umfangreiche Verkaufsprogramme für alle Euro-5- und Euro-6-Modelle an. Diese werden gut angenommen. Wir sehen derzeit nur bei Euro-5-Modellen leicht erhöhte Standzeiten. Diese Situation wird sich aber Mitte des Jahres aufgelöst haben. Unser Problem ist, dass es keine Klarheit darüber gibt, welcher Diesel als sauber gilt und welcher nicht. Wir brauchen hier unbedingt Sicherheit von Seiten der Politik. AH: Wird es auch in diesem Jahr eine Entschädigung wie 2017 geben? M. Sander: Trotz der schwierigen Ausgangslage haben wir 2017 im deutschen Handel erneut sehr gut abgeschlossen. Uns geht es daher darum, das Fahrzeuggeschäft angesichts aktueller Herausforderungen nachhaltig zu steuern. Die Händler waren durch die Diskussion um Diesel und Fahrverbote im Kundendialog deutlich stärker gefordert als sonst. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Details nicht öffentlich diskutieren. Knapp zwei Prozent Rendite AH: Wie viel hat der Handel 2017 verdient? M. Sander: Wir liegen bei der Umsatzrendite um knapp unter zwei Prozent, damit fällt der Wert etwas geringer aus als 2016, wir liegen aber immer noch über dem Branchenschnitt. AH: Was erwarten Sie 2018? M. Sander: Wir sind sehr gut gestartet und haben einen hervorragenden Auftragsbestand. Im Rahmen unserer Modelloffensive erwarten uns viele tolle neue Produkte: A7, A6, Q3, A1, Q8 oder der Audi e-tron. Auch bei den Gebrauchtwagen läuft es derzeit aufgrund unser Kampagnen gut. AH: Wann wird es neue Betriebstypen geben? M. Sander: Wir denken darüber nach, beispielsweise die Servicefactory zu realisieren. Diese ermöglicht es uns, profitable Servicekapazitäten aufzubauen, die wir in den kommenden zehn Jahren durch den höheren Fahrzeugpark noch brauchen werden. Wir sprechen von einer Million Servicestunden, die benötigt werden. Das sind ca. 12 Prozent mehr als bisher. Diese Kapazität muss jetzt effizient aufgebaut werden. Hier hilft der Betriebstyp Servicefactory ohne Kundenkontakt sicher. AH: Herr Sander, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Ralph M. Meunzel

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