Ausgabe 01-02/2010: Auf der roten Liste

HandelAuf der roten ListeKreditprobleme E Die Veränderungen beschleunigen sich. Der Autohandel steht bei vielen Banken auf der roten Liste. Das Schicksalsjahr 2010 muss für grundsätzliche Weichenstellungen in den Unternehmen genutzt werden. von Walter MissingDie Wirtschafts- und Finanzkrise ist nicht vorbei, sondern wird sich im gerade begonnenen neuen Jahr unter anderen Vorzeichen fortsetzen. Signifikante Wachstumsimpulse werden voraussichtlich ausbleiben. Die Automobilhersteller stellen sich darauf ein. Sie definieren sich neu und werden in nachhaltig veränderter Aufstellung und Ausrichtung antreten. Die Neuordnung der Industrie ist in vollem Gange – zum zweiten Mal binnen weniger Jahre nach der ersten, in weiten Teilen gescheiterten Welle Ende der neunziger Jahre.Und der Automobilhandel dümpelt weiter vor sich hin? Nein, es hat den Anschein, als würden auch dort Neuordnung und Neuausrichtung Fahrt aufnehmen. Die zu erwartenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschleunigen diesen Prozess. Denn dem Handel, dem die Bundesregierung mit Ausnahme der Premium-Markenhändler im vergangenen Jahr über die Abwrackprämie zu einer Sonderkonjunktur verholfen hatte, steht ein harter Volumenschnitt bevor. Der der Branche gewissermaßen politisch gewährte Aufschub in Bezug auf Anpassung und Veränderung ist definitiv zu Ende und wahrscheinlich wird nicht nur 2010 ein extrem schwieriges Jahr.Zunehmende Komplexität der ProblemeSoweit besteht Einigkeit bei Unternehmern und allen ernst zu nehmenden Experten. Mit zunehmender Dauer der Krise werden die Probleme und ihre Lösung für die verantwortlichen Manager in den Autohäusern komplexer. Es ist nicht nur das rückläufige Geschäft als solches, aus dem die aktuellen Anforderungen erwachsen. Der Jahresauftakt 2010 wird vor diesem Hintergrund zwei Gruppen von Fachleuten besonders beschäftigen: die Kreditspezialisten der Banken, die sich mit den Unternehmen der Automobilbranche und ihrer Entwicklung intensiv auseinandersetzen werden, sowie die Sanierungs- und Restrukturierungsberater, die diese Unternehmen auch unter schwierigen Umfeldbedingungen auf Erfolgskurs bringen sollen.Finanzwirtschaftliche Rahmenbedingungen Besonders hoher Druck wird in den finanzwirtschaftlichen Bereichen entstehen. Dank Abwrackprämie konnten auch die Banken im vergangenen Jahr etwas entspannter agieren. Sie wissen allerdings um den Einmaleffekt der Prämie und werden deshalb schnell wieder zur alten Tagesordnung und zuvor gelebten Praxis der Kreditvergabe zurückkehren und sie verschärfen. Viele Banken sagen nicht nur hinter vorgehaltener Hand, dass sie ihre Kunden aus der Automobilbranche am liebsten loswerden wollten. Die Zahl der Unternehmen, die aus diesem Grund ums Überleben kämpfen müssen, wird dramatisch ansteigen. Restrukturierungsfachleute berichten übereinstimmend, dass Autohäuser mit schwacher Eigenkapitalbasis und dünner Liquiditätsdecke große und – wenn sie nicht sofort pro-aktiv gegensteuern – gegebenenfalls auch unüberwindbare Probleme bekommen werden, ihre Finanzierung zu sichern. Aber auch relativ finanzstarke Händler berichten derzeit darüber, dass die Banken bereits Gespräche mit ihnen über die Rückführung der Kreditlinien suchen. Die Banken werden in den nächsten Wochen rasch auf die Vorlage der vorläufigen Bilanzen für das Jahr 2009 drängen und gestützt darauf sowie auf die erwartete Entwicklung des laufenden Jahres nicht nur neue (schlechtere) Ratings vergeben, sondern auch versuchen, ihr Kreditengagement grundsätzlich zurückzufahren. Spezifika AutomobilhandelViele Unternehmer scheinen sich dessen ungeachtet in Sicherheit zu wiegen. Laut jüngster Umfrage wird die Gefahr einer flächendeckenden Kreditklemme als gering eingeschätzt. Mehrheitlich glaubt man, dass auch künftig Kredite in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Aus den im vergangenen Dezember anlässlich des Wirtschaftsgipfels geführten Gesprächen zwischen der Regierung und Vertretern aus Wirtschafts- und Bankenkreisen wird diesbezüglich auch Zuversicht verbreitet. Die Problemfelder im Autohandel passen jedoch nicht in die diskutierten Raster. Sie gestalten sich so spezifisch, dass sie nicht allgemein auf die Situation des Mittelstands übertragen werden können. Branchengemachte KreditklemmeDa ist zunächst das Branchendilemma, dass immer mehr Banken den Automobil-handel auf die rote Liste gesetzt haben. Die generell schlechte Ertragssituation mit eingeschränkter Kapitaldienstfähigkeit und die traditionell niedrige Eigenkapitalbasis führen per se zu geringen Bewertungen des Handels. Daraus resultierend müssen die Banken neuerdings bei Kreditvergaben einen höheren Anteil ihres Eigenkapitals hinterlegen. Denn je schwächer sich die Verfassung eines Kreditnehmers gestaltet, desto höher fällt gemäß der Bafin-Vorschriften die Hinterlegung aus. Daran haben die Banken kein Interesse und selbst höhere Zinsen der Kreditnehmer können dieses Problem nicht kompensieren.HandlungskonsequenzenWie kann die Branche aus diesen hausgemachten Kreditproblemen herauskommen? Den Unternehmen ist anzuraten, sich in weiten Teilen völlig neu aufzustellen. Viele Betriebe sind bereits auf einem guten Weg. Sie nehmen die Unternehmensplanung und -finanzierung, das Controlling sowie das Kosten- und das Liquiditätsmanagement in den besonderen Fokus und richten Strukturen und Prozesse sowie das operative Geschäft konsequent darauf aus. Dennoch sind einer aktuellen Umfrage unter 200 Bankmanagern zufolge nur rund ein Drittel der Unternehmen in der Lage, die schwierige und hochkomplexe Lage eigenständig zu meistern. Bei vielen Sanierungs- und Restrukturierungsberatern mehren sich auch vor diesem Hintergrund die Anfragen von Unternehmen, die sich von außen helfen lassen wollen und denen auch noch effektiv geholfen werden kann.Sanierungsabteilung der BankenWird aber so lange gezögert, bis ein Unternehmen im Sanierungsbereich seiner Bank gelandet ist und von dort zwangsweise zu einem Spezialisten für Sanierungs- und Restrukturierungsberatung geschickt wird, dann ist es oft schon zu spät. Denn dann lassen sich Einzelmaßnahmen wie z. B. eine Standortschließung häufig gar nicht mehr finanzieren. Daher ist jedem Unternehmer in diesen rauen Zeiten anzuraten, die Themen pro-aktiv anzupacken – jetzt und ohne weiteren Zeitverzug.Turn-around ManagementDabei muss jedem klar sein, dass sich ein Unternehmen nicht dauerhaft zum Erfolg sparen kann. Eine Gemeinkosten-Wert-Analyse gehört zwar immer dazu, mit ihr allein ist der notwendige Turn-around eines Unternehmens in der Regel jedoch nicht zu schaffen. Greifen wir doch nur einmal ein Thema heraus: Kein Kostensenkungsprogramm dieser Welt kann die Drohverluste aus den Leasingrückläufern vollständig kompensieren. Um aber nicht falsch verstanden zu werden: Die Einleitung und vor allem die konsequente Umsetzung umfassender Kostensenkungsmaßnahmen war nie so wichtig und so notwendig wie heute. Diese müssen aber einhergehen mit entsprechenden grundsätzlichen Veränderungen in der geschäftspolitischen Ausrichtung des Unternehmens und seiner Struktur- und Ablauforganisation.Das Redesign der Strukturen und der Kernprozesse eines Unternehmens kann dessen Kosteneffizienz nachhaltig beeinflussen, ist aber eine hochkomplexe Ange-legenheit, die das Unternehmen allein kaum schaffen kann. Noch schwieriger zu bewältigen ist die Neuausrichtung der finanzwirtschaftlichen Bereiche eines Unternehmens einschließlich einer Neugestaltung des Liquiditäts- und Bestands-managements, über die unter anderem rückläufige Kreditlinien aufgefangen werden können. Im Normalfall handelt es sich hier um Kürzungen der Kreditlinien bis zu 25%. Auch die Herausforderungen, die im Rahmen eines Restrukturierungsprozesses aus einem stringenten, regelmäßigen Reporting an die Banken erwachsen, werden häufig unterschätzt. Gleiches gilt für die gezielte Planung und Steuerung der internen und externen Kommunikationsmaßnahmen. Erfolgreiche Sanierungs- und Restrukturierungsarbeit erfordert aber gerade diesen ganzheitlichen Ansatz. Er ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für die kurzfristige Stabilisierung und langfristige Gesundung von Unternehmen, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Wenn sich das Management dann noch zum Vorreiter der als richtig und notwendig erkannten Veränderungen macht und die Voraussetzungen für deren konsequente und nachhaltige Umsetzung schafft, wird der Turn-around gelingen.Tempora mutantur nos et mutamur in illis: Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. zLesen SIe hier...... was die Unternehmen zur Bewältigung ihrer finanzwirtschaftlichen Themen tun sollten, um dem Druck der Banken zu widerstehen. KurzfassungDie Veränderungen in der Kfz-Branche beschleunigen sich. Das Schicksalsjahr 2010 muss deshalb für grundsätzliche Weichenstellungen in den Unternehmen genutzt werden. Besonders hoher Druck wird aus den finanzwirtschaftlichen Bereichen entstehen. Viele Banken wollen ihre Kunden aus der Automobilbranche loswerden. Den Unternehmen ist deshalb anzuraten, sich in weiten Teilen völlig neu aufzustellen. VeranstaltungstippWalter Missing wird diesen Themenkreis auf der AUTOHAUS-Veranstaltungsreihe Perspektiven 2010 mit AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat ausführlich behandeln. Wann und wo: 20. Januar bis 5. März in elf Städten in Deutschland, Österreich und der SchweizInformation und Anmeldungen unter www.autohaus.de/akademieHandel

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