Zukunft des Automobilservice: Automatisierung, Umstrukturierung und Optimierung

Autohäuser und Werkstätten stehen tiefgreifenden Veränderungen gegenüber. Dabei lässt sich der hohe Veränderungsdruck sowohl auf technische als auch auf gesellschaftliche Entwicklungen zurückführen. Große Unsicherheiten sind zudem aktuell auf die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts und die noch nicht überwundene Corona-Problematik zurückzuführen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der die Betriebe insbesondere bezüglich des Servicegeschäfts zu umfangreichen Umorientierungen und Anpassungen zwingt.Neue Informations- und Kommunikationskanäle in der Kundeninteraktion, neue Technologien für die Wartung, Reparatur und Instandsetzung, sinkende Umsatzgrößen im Werkstattbereich durch die Elektromobilität, aber auch neue Wertschöpfungspotenziale durch das Connected Car sind nur einige konkrete Beispiele für den hohen Veränderungsdruck innerhalb der Geschäftsmodelle in Werkstätten und Autohausbetrieben (Abb. 1). Punktuell ansetzende Maßnahmen werden nicht ausreichen, die Betriebe ganzheitlich in die Zukunft auszurichten. Es sind vielmehr systemische Ansätze zur Automatisierung, Umstrukturierung und Umorganisation notwendig, um wertschöpfungs-, ertrags-, kosten- und personalseitig die Zukunft der Werkstatteinheiten abzusichern.DigitalisierungDie Umsetzung einer Automatisierungsstrategie betrifft sowohl die Digitalisierung der Kundeninteraktion, der Leistungserstellung und des Leistungsprogramms. Es geht also um eine gesamtheitliche Ausrichtung des Geschäftsmodells im Servicegeschäft auf das Zeitalter der Digitalisierung. Während digitale Elemente in der Kundeninteraktion die Anforderungen hinsichtlich einer 24/7-Erreichbarkeit und zusätzliche Kontaktpunkte bietet, ist die Optimierung der Leistungserstellung auf die digitale Ausrichtung der internen Prozesse gerichtet. Neue Leistungselemente - beispielsweise Services und Functions on Demand - erfordern darüber hinaus neue Geschäftsmodelle, die Wertschöpfung und Ertrag sicherstellen.Einzelne digitale Elemente in den Servicebetrieben der Zukunft werden zudem geeignet sein, hochqualifiziertes und knappes Personal von administrativen und unterstützenden Tätigkeiten sowie von zeitintensiven Kundenkontakten zu entlasten. In diesem Zusammenhang sind exemplarisch die automatisierte Diagnose, der digitale Fahrzeugscan, der Einsatz humanoider Roboter bei Begrüßung und Fahrzeugannahme sowie die Identifikation von notwendigen Serviceereignissen bezüglich des einzelnen Kundenfahrzeugs zu nennen. Hierbei wird nicht zuletzt die Künstliche Intelligenz eine Schlüsselrolle bezüglich der digitalen Elemente einnehmen.Reibungslose AbläufeDigitale Technologien und Anwendungen können dazu beitragen, sowohl die Kostenund Ertragsseite als auch die Leistungsqualität und das Kundenbeziehungsmanagement zu optimieren. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass es nicht um Digitalisierung um jeden Preis geht, sondern um den Zusatznutzen, den solche Elemente für Kunden und den Serviceanbieter gleichermaßen bietet. Zudem sind die Prozesse so auszurichten, dass die Digitalisierung sowohl schnittstellenseitig als auch organisatorisch zu reibungslosen - also seamless - Abläufen auf Betriebs- und Kundenebene gleichermaßen führen kann.Kompetenzzentren schaffenEs ist aufgrund der technologischen Weiterentwicklung der Fahrzeuge in einem weiteren Schritt notwendig, über die bereits etablierten Karosserie- und Lackierzentren hinaus weitere Kompetenzzentren (Center of Competence CoC) zu schaffen.Die Diagnose und Instandsetzung hochkomplexer Fahrzeugsysteme sowie die Aufbereitung und Konditionierung von Traktionsbatterien werden beispielsweise neue Strukturen erfordern, die kosten- und kompetenzorientiert in zentralisierten Serviceeinheiten münden werden. Dies wird sich auch in spezialisierten Werkstatteinheiten für weitere Bereiche, beispielsweise für die Fahrzeugaufbereitung, Smart-Repair-Einheiten oder für Fahrzeugveredelung und -tuning, im Rahmen von so genannten Service Factories zeigen. Darüber hinaus könnten neue Mobilitätsangebote - etwa im Hinblick auf Smart- und Micro-Mobility - innovative Betriebskonzepte mit neuen Kompetenzfeldern erfordern. .Prof. Dr. Stefan Reindl ist Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt sowie Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA).

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