Finanzkennzahlen 2019 (Stand 20.12.2019): Contenance bewahren

Das Jahr 2019 war aus Marktsicht im Rückblick im Wesentlichen geprägt durch die Initiative des Volkswagen-Konzerns mit der Reservierungsmöglichkeit des Elektroautos ID.3, der ab Sommer 2020 ausgeliefert werden soll. Seit Mai konnten Interessenten sich das Modell gegen eine Reservierungsgebühr sichern, die Bestellphase läuft seit September 2019. Das auf 30.000 Stück limitierte Vorbestellvolumen ist wohl erreicht worden. Parallel dazu versucht die Politik mit aller Macht die entsprechenden rechtlichen und technischen Voraussetzungen für eine flächendeckende Abdeckung mit der erforderlichen Ladestrominfrastruktur bzw. den Umstieg in die nachfossile Antriebstechnik Elektromobilität zu fördern. Weitere Bausteine sind dabei die Förderung durch Zuschüsse beim Neuwagenkauf, die bis 2025 verlängert wurden, und die begünstigte Dienstwagenbesteuerung für Elektro- und bestimmte extern aufladbare Hybridfahrzeuge, die bis 2030 verlängert und nochmals von 0,5 auf 0,25 Prozent des Listenpreises gesenkt wurde. Was aber mit dem Umstieg auch verbunden ist, zeigen uns die Nachrichten über den Stellenabbau in der Zulieferindustrie. Ob dieser weitestgehend "arbeitsmarktneutral" erfolgen kann, bleibt abzuwarten. Im Fokus der Hersteller-Händler-Beziehungen standen und stehen neue und alte Herausforderungen. Der von Herstellern propagierte Direktvertrieb und neue technische Lösungen (z. B. functions on demand, remote software upgrades) stellen nicht nur auf die Frage ab, wie letztlich die Ertragsquelle "Kunde" künftig aufgeteilt wird. Unseres Erachtens steht am Ende auch die Frage, ob der Ausgleichsanspruch künftig noch Bestand haben kann, wenn die Marktbearbeitung durch die zunehmende Digitalisierung zwischen Hersteller und Handel aufgeteilt oder gar ganz Richtung Hersteller verschoben wird. Automarkt und Elektromobilität Schaut man nun auf die durch die weiterhin guten Rahmenbedingungen - Beschäftigung, Einkommenssteigerungen, Zinsniveau - begünstigten Zahlen des Jahres 2019, die das Kraftfahrtbundesamt monatlich veröffentlicht, so sind per Dezember 3,6 Millionen Pkw neu zugelassen worden. Bei den Besitzumschreibungen hat sich der Wert auf Vorjahreshöhe (rund 7,2 Millionen) eingependelt. Interessant ist, wie sich der Fahrzeugmix bei den Neuzulassungen zusammensetzt. Im Jahresverlauf sind laut KBA 63.281 reine Elektroautos und 45.348 Plug-in-Hybride zugelassen worden. Das waren deutliche Steigerungsraten zum Vorjahr von 75,5 Prozent bzw. 44,2 Prozent, aber eben auf geringem Niveau. Im Rahmen der Bewilligung der Bundeszuschüsse sollte der Absatz von ca. 300.000 Fahrzeugen (Elektro- bzw. Brennstoffzellenautos, bestimmte Plug-in-Hybride) bis Ende 2020 gefördert werden, um die rund eine Million "Elektrofahrzeuge" auf die Straße zu bringen. Da Ende 2018 83.175 Elektro-Pkw und 66.997 Plug-in-Hybridfahrzeuge zugelassen waren, wäre damit Ende 2019 ein Bestand von knapp 260.000 erreicht worden. Ende November 2019 waren ca. 156.000 Anträge nach Angaben des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bewilligt worden. Die Verkündung der kürzlich beschlossenen Erhöhung und Verlängerung der Zuschüsse nach der 3. Änderung der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen steht noch aus. Allerdings wird das Fördervolumen nicht ausgeweitet, sondern der maximale 50-prozentige Teilzuschuss wird aus den bestehenden Mitteln bestritten. Die weiteren 50 Prozent stellen die Hersteller, wobei dieser Zuschuss rechnerisch vom Listenpreis abgezogen wird. Kritikpunkt ist, dass die Hersteller mit dieser Prämie durch die Gestaltung von Bruttolistenpreis und Rabatten eigentlich gar nicht belastet sind. Laut der Statistik des KBA ist der durchschnittliche CO2-Ausstoß zwar kontinuierlich gesunken, betrug aber 2019 durchschnittlich 157,0 g/km je Fahrzeug. Für das Jahr 2020 gilt bereits die neue Grenzmarke von 95 g/km. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert je zugelassenem Fahrzeug, wobei Elektrofahrzeuge bis 2022 für die Autobauer zunächst noch doppelt angerechnet werden, so dass bereits ein neu zugelassenes Auto mit reinem Elektroantrieb mehrere Zulassungen mit CO2-Werten über 95 Gramm pro Kilometer kompensieren kann. Ob alle Hersteller dieses Ziel erreichen, scheint schwer vorstellbar. Und dann gibt es noch den Kunden, der das Batteriefahrzeug auch annehmen muss. Betrachtet man den höher CO2-produzierenden SUV, ist der Anteil an den Neuzulassungen auf nun fast 30 Prozent über alle SUV-Segmente hinweg angestiegen - besonders stark in den letzten Monaten des Jahres 2019. Es wäre nur rational, wenn die Hersteller durch Zulassungen und zulassungsfördernde Maßnahmen möglichst viele Fahrzeuge noch in 2019 zuzulassen beabsichtigten, um diese bei der Berechnung in 2020 nicht berücksichtigen zu müssen. Um ihre Händler zu bewegen, dem Hersteller Strafzahlungen zu ersparen, sehen neue Bonusvereinbarungen ab 2020 unter anderem eine sog. Elektroquote oder CO2-Quote für den Absatz von Neuwagen vor. Ansonsten droht dem Hersteller eine Strafzahlung von 95 Euro je g/km bei Überschreiten des CO2-Ausstoßes. Dabei kämen auf Basis des 2018 erzielten Flottenverbrauchs Strafzahlungen in Milliardenhöhe auf die Hersteller zu: Nach Angaben von JATO Dynamics (https://jato.blog/2019/06/16/co2-grenzwertab-2021-2/) betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß 2018 rund 120 g/km. Das Jahr 2020 bringt damit für den Handel enorme Herausforderungen und Unsicherheiten. Nicht nur, was die Kundennachfrage angeht, sondern auch, ob die Hersteller die Elektromobilität quantitativ und qualitativ vergleichbar dem Verbrennungsmotor werden anbieten können. Und um sich in dieser unübersichtlichen Marktlage Freiheiten gegenüber dem Handel zu bewahren, sehen neue Verträge auch noch eine einseitige, kurzfristige Vertragsanpassung durch die Hersteller vor. Neu- und Gebrauchtwagen Die im Vorjahr noch mit WLTP-Umstellung im September 2018 belasteten Marken konnten mit den Auslieferungen in 2019 den Rückstand aufholen; Marken, die damit in 2018 weniger Probleme hatten, haben in 2019 eher Marktanteile verloren. Die Steigerung im Neuwagenabsatz betrug rund fünf Prozent per Dezember 2019. Durch die höherpreisige Ausstattung der Fahrzeuge bzw. den Facelifts mit mehr Assistenzsystemen steigt auch der Durchschnittspreis der Neuwagen weiter. Dass es trotzdem noch zu einer Steigerung im Deckungsbeitrag III gekommen ist (Bruttoertrag ist prozentual vergleichbar geblieben), liegt auf der einen Seite in einer offensichtlich verbesserten Kostensituation in den Autohäusern sowie mehr Verkäufen pro Verkaufsberater. Offensichtlich ist es insbesondere größeren Händlern und Handelsgruppen gut gelungen, ihren Gewinn in dieser Sparte dadurch zu steigern. Auf der anderen Seite sind von Herstellern mehr Verkaufshilfen und Wettbewerbsprämien ausgelobt worden, damit die Fahrzeuge noch in 2019 verkauft bzw. zugelassen werden. Anhand der konstanten Größe der händlereigenen Zulassungen gegenüber 2018 lässt sich vermuten, dass das auch gelungen ist. Auch die Flottenkunden scheinen ihre Zurückhaltung wegen der Fahrverbote aufgegeben zu haben, ist auch deren Anteil um neun Prozent gestiegen. Insgesamt ist damit 2019 eigentlich recht befriedigend verlaufen. Auch der Absatz über Leasing läuft ohne Auffälligkeiten, allerdings gehen mehr und mehr Händler dazu über, sich von der Rücknahmeverpflichtung zumindest zum Teil über die angebotenen Programme freizukaufen. Hier spielt die Erwartung eine Rolle, dass durch die Umstellung auf die Elektromobilität eine Vermarktung künftig schwieriger werden wird. Zum Thema Leasing ist auch ein Blick in die Gebrauchtwagenabteilung zu werfen. Offensichtlich ist über zusätzliche Risikovorsorge im Vorjahresabschluss oder über Herstellerunterstützung ausreichend Puffer geschaffen worden, um die Fahrzeuge in 2019 vermarkten zu können. Der Bruttoertrag aus Leasinghereinnahmen kommt zwar nicht an den Bruttoertrag aus den übrigen Hereinnahmequellen heran, hat sich aber gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Insgesamt konnte der Gebrauchtwagenverkauf im Deckungsbeitrag III zulegen. Das Werkstattgeschäft Während der Fahrzeugvertrieb durch die Situation der Hersteller beeinflusst ist, stellt sich dies im Aftersales ganz anders dar. Dies ist offensichtlich eine Spielwiese der Hersteller, um durch Eingriffe in die Bonusstruktur und das Preissystem den eigenen Ertrag zu Lasten der Händler optimieren zu wollen. Das hängt aber vermutlich im Wesentlichen von den Bonifizierungskriterien (Umsatz, Marge, Volumen) auf Herstellerseite ab, die der ertragsorientierten Sichtweise des Handels nicht entsprechen. Ein anderer Grund liegt aber auch in Absprachen der Hersteller mit Großkunden oder Versicherern, zu welchen Preisen diese beliefert bzw. Reparaturen durchgeführt werden. Während zu beobachten ist, dass im Service der Deckungsbeitrag III gehalten bzw. leicht gesteigert wird (die Werkstattauslastung dürfte leicht sinken), sinkt im Teilebereich der Deckungsbeitrag und zum Teil auch der Umsatz. Bei den Großlägern ist zu beachten, dass sich auch hier die Kostendegressionseffekte bemerkbar machen. Hier ist es gelungen bei gleichbleibendem oder aufgrund Marktbereinigung steigendem Umsatz den Ertrag doch stärker zu steigern. Der Reifenumsatz verharrt leicht unter Vorjahreshöhe und das ertragsstarke Öl kann nochmals leicht zulegen. Viele Marken gehen dazu über, den Vertrieb an markenfremde Werkstätten zu unterstützen. Aber offensichtlich ist die Markteintrittsbarierre zu hoch, da trotz gestiegener Umsätze die Bruttoertragsrate hier sinkt. Ein Problem ist nach wie vor, dass es den Herstellern nicht gelingt, nach Ablauf der Garantiezeit die Fahrzeuge bei sich zu behalten. Der Grund liegt hier auch in den Serviceverrechnungsstundensätzen, die aber aufgrund der hohen Abwesenheit wegen Training und bezahlter Abwesenheit erforderlich sind. Die Eigenkapitalsituation Das Eigenkapital, insbesondere die Eigenkapitalquote ist zum einen ein Beurteilungskriterium für eine Kreditaufnahme, aber auch für eine Krisenbeurteilung. Ein schrumpfendes Eigenkapital, gar auch negativ werdend, erfordert dann weitere Maßnahmen der Geschäftsführung (Fortführungsprognose, Sanierungsgutachten). Ein Blick in die Datenbank des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) zeigt für 2019 und 2018, was Insolvenzanträge in der Kfz-Branche angeht, ein vergleichbares Bild: Anträge Januar bis September 2019: 460, Januar bis September 2018: 451). In 2019 hat insbesondere das Fahrzeuggeschäft bei den Handelsbetrieben die Umsatzrendite von 1,2 Prozent auf 1,4 Prozent steigen lassen. Das ist zwar erfreulich, aber für eine Reserve nicht ausreichend, wenn man an die Herausforderungen für 2020 und 2021 denkt. Auch ist zu beachten, dass in 2020 einige Verträge auslaufen und man nur hoffen kann, dass ein planvolles Vorgehen des Inhabers gewährleistet ist. Zum Jahresende kommen natürlich auch die sich wiederholenden Prozeduren des Herstellers zum Tragen, noch die Einheiten bis zum Jahresende ausliefern zu wollen. Dabei sollte man darauf achten, dass die höherpreisigen Fahrzeuge ggfs. auch eine Kreditlinienanpassung der Bank erfordern. Die Aussichten für 2020 Das uns im Vorjahr noch beherrschende Thema der Fahrverbote spielt aktuell in der Presse und in der Kaufentscheidung keine große Rolle mehr, zudem ja auch der Europäische Gerichtshof jüngst in Sachen Zwangshaft von Politikern bei der Nichtumsetzung von Gerichtsurteilen zur Luftreinhaltung grundsätzlich Entwarnung gegeben hat. ZDK sowie andere Verbände gehen für 2020 von rund 3,26 Millionen Pkw-Neuzulassungen aus, was einen Rückgang von 9,2 Prozent bedeutet. Was die E-Mobilität angeht, dürften hier ca. 160.000 bis max. 200.000 Zulassungen anstehen. Die Besitzumschreibungen werden mit 7,1 Millionen vergleichbar auf Vorjahreshöhe erwartet. Herausfordernd für die Händler wird die Umrüstung in Werkstatt und Ladeeinrichtungen für die Elektromobilität (Kosten ca. 20.000 bis 50.000 Euro für einen Einmarkenstandort). Hinzu kommt die Investition in Know-how in Vertrieb und Werkstatt. Wer weiß, was hier auch an Investitionen in Sicherheitseinrichtungen ansteht. Zudem wird sich die Frage stellen, ob der Kunde solche Fahrzeuge auch akzeptiert. Grundsätzlich von Interesse wäre die Vertriebssteuerung der Hersteller: Wie gedenken sie den Mix aus Verbrennern und Elektroautos an den Mann zu bringen? Man stelle sich den Händler vor, der ab Januar 2020 vorausschauend seinen eigenen Mix und die Auswirkungen auf seinen Bonus berechnen muss. Es ist nicht auszuschließen, dass eine mangelnde Lieferbarkeit das Gebrauchtwagengeschäft befeuern kann, da Wechselunwillige mangels Angebot noch mal auf einen Gebrauchtwagen wechseln (müssen). Weitere Herausforderungen werden die Vertragsregelungen zwischen Handel und Hersteller bezüglich Vertriebsmodell und Wartung/Reparatur der Elektrofahrzeuge einschließlich der Regelungen von Restwerten bei Leasingrückläufern sein.

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