Ausgabe 17/2013: Die Hagel-Markise

Die "Autowelt Simon" kauft europaweit Neuwagen ein und vertreibt über ihren Hauptsitz in Emmering bei München und weitere Filialen bundesweit per anno ca. 6.000 Einheiten an gewerbliche (ca. 35 %) und private Kunden (65 %). "Rund 1.500 bis 2.000 Neuwagen haben wir ständig auf Lager", erläutert Geschäftsführer Rudolf Simon, Millionenwerte, die auf dem gut gesicherten Hof stehen, mit dem Klimawandel aber einen immer gefährlicher werdenden natürlichen Feind von oben bekommen: den Hagelschlag. "Wir hatten 2008 und 2011 zwei massive Schadensereignisse durch Hagel", berichtet Simon, "das führte zu Auseinandersetzungen mit dem Versicherer, wir haben uns eine andere Assekuranz gesucht, mit der wir im Zuge des Abschlusses einer neuen Autohaus-Police auch Maßnahmen zum Hagelschutz vereinbart haben."Als versiertem Bauprofi - Simon ist seit Jahrzehnten auch in der Baubranche aktiv - war es für ihn kein Problem, die passende Hagelschutz-Lösung zu finden: "Hauptkriterium neben der Funktionalität war für uns der Preis, es sollte eine möglichst kostengünstige Lösung werden." Fündig wurde Simon nach Internetrecherche und Angebotsvergleichen in Südtirol: Hier haben die beiden Jungunternehmer Michael Gasser und Manuel Tamanini aus Terlan mit ihrer Firma Frutop GmbH in knapp zehn Jahren europaweit gut 1.500 Hagelnetz-Anlagen errichtet, anfangs nur für Obstbauern, in jüngster Zeit aber auch für den Autohandel. "Wir haben das Hagelnetz nicht erfunden", erklärt Michael Gasser bescheiden, "aber wir haben ein System mit fünf Modulen entwickelt, so dass wir unseren Kunden schlüsselfertige Lösungen von der Beratung und Projektierung über die Errichtung bis hin zu Service und Wartung anbieten können." (mehr zum System, für das Frutop 2010 den TIS Innovation Award erhielt, auf www.frutop.it)Herzstück SollbruchstelleNach Projektdefinition und -planung wurden in Emmering im Herbst 2012 in ca. 16 Tagen von vier Frutop-Monteuren rund 8.000 m² Freifläche mit der Hagelnetz-Anlage überspannt (s. Kasten). Wer jemals ein Steilwandzelt aufgebaut hat, kennt das Prinzip Stütze-Verspannung-Verankerung, nach dem auch ein Hagelnetz errichtet wird. Allerdings erfordern dessen gewaltige Dimensionen ein erprobtes System und viel Montage-Know-how: Aufstellen der Spannbetonstützen, Setzen der Verankerungen, Säulenfixierung, Netzmontage und -fixierung und viele weitere Details müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein und beherrscht werden, damit das Werk seiner Aufgabe nachhaltig gerecht wird.Und die sieht im Falle des Hagelfalles so aus: Die auftreffenden Hagelkörner werden von der Elastizität des HD-Polyethylen-Hagelnetzes wie in einem Sprungtuch aufgenommen und sammeln sich jeweils in der tiefer liegenden Traufe zwischen zwei Firstseilen. Die komplette Anlage besteht aus einzelnen Netzbahnen, die jeweils über ein Firstseil verspannt und in der Traufe-Zone mit der jeweils nächsten Netzbahn verknüpft werden. Diese Verknüpfung geschieht durch Verbindungsteile (siehe Foto), die ein Herzstück des Systems bilden: Diese Kunststoffteile sind Verschluss und Sollbruchstelle in einem, denn sie müssen in den sehr seltenen Fällen, wenn das Gewicht der sich in der Traufe sammelnden Hagelkörner zu groß werden sollte, rechtzeitig "sollbrechen" und die Hagelkörnerlast kontrolliert nach unten durchrutschen lassen, um die Stabilität der Gesamtkonstruktion nicht zu gefährden. "Durch die dann nur noch geringe Fallhöhe der Hagelkörner sind Beschädigungen der parkenden Fahrzeuge so gut wie ausgeschlossen", erläutert Gasser, wenngleich er einschränkt: "Bei Elementarereignissen darf man niemals nie sagen: Wenn Hagelkörner handballgroß werden oder der Hagelschlag eine Stunde dauert, dann kommt jedes Schutzsystem an seine Grenzen."Sommer- und WinterstellungNeben dem Hagelschutz bietet das Hagelnetz auch 20-prozentigen Lichtschutz, im Obstbau sicher wichtiger als beim Autolack, der sich über ein bisschen Entspannung an der UV-Front aber auch freuen dürfte. Außerdem schützt das Netz die Fahrzeuge auch vor Vogelkot. Bei der Frage der Lebensdauer der Frutop-Hagelnetzanlage ist das Netz das schwächste Glied in der Konstruktion, aber selbst dieses taxiert Gasser auf 15 bis 25 Jahre.Rund 80.000 Euro hat die Autowelt Simon für ihre 8.000 m² große Hagelnetz-Anlage investiert, wobei man zusätzlich auf einige "Sonderausstattungen" Wert gelegt hat, "beispielsweise haben wir alle Betonstützen mit Kunststoff ummanteln lassen, um so Beschädigungen beim Rangieren vorzubeugen", so Rudolf Simon.Neben den Baukosten muss er auch mit regelmäßigen Wartungskosten kalkulieren: Es gibt eine "Winterstellung" der Anlage, bei der die Netze wie eine Markise zum Firstseil hin aufgerollt werden, um der Schneelast zu entgehen, und eine "Sommerstellung", in der die wieder ausgespannten Netzbahnen vor Hagelschlag schützen. Den Umstellservice von Sommer auf Winter und umgekehrt besorgen Frutop-Mitarbeiter, dafür muss die Autowelt Simon jeweils 1.500 bis 2.000 Euro berappen, im Jahr also rund 3.500 Euro. In Summe und über die Zeitachse eine nicht unerhebliche Investition, die Rudolf Simon aber mit drei schlagenden Argumenten rechtfertigt: "Wenn Sie das auf Stellplätze bzw. Fahrzeugdurchläufe runterrechnen, ist das kaufmännisch vertretbar. Zum anderen lassen die Assekuranzen uns über kurz oder lang gar keine andere Wahl, als einen Hagelschutz zu installieren, und da geht es nicht nur um Prämienhöhen, sondern um die Versicherungsfähigkeit überhaupt! Und drittens tun wir uns auch selbst etwas Gutes: Wenn Sie einmal miterlebt haben, wie viel Zeitverlust, Ärger und Störung des normalen Geschäftsbetriebs Ihnen ein großer Hagelschaden bereiten kann, dann wissen Sie einen guten Hagelschutz doppelt zu schätzen."Hagelschutz Autowelt SimonAutowelt Simon, Reginawerk 4, 82275 Emmering (www.autowelt-simon.de)Hagelnetz-System von Frutop (www.frutop.it)Montagezeit: ca. 2 WochenÜberspannte Fläche: ca. 8.000 m²Damit geschützte Stellplätze: 500 - 550Baukosten (netto): ca. 80.000 EuroService/Wartungskosten pro Jahr: ca. 3.500 Eurorospektive Lebensdauer: mind. 15 - 20 Jahre

Ausgabe 17/2013: Die Hagel-Markise

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