Volkswagen: Economy Service ist ein Erfolgsmodell

Volkswagen ist mit dem Aftersales-Geschäft in diesem Jahr zufrieden. Der Economy Service kommt gut, das Konzept soll ausgebaut werden. Lars Eßmann, Leiter Service Deutschland Volkswagen Pkw, erklärt die Details.AH: Herr Eßmann, wie hat sich das Aftersales-Geschäft 2019 entwickelt?L. Eßmann: Wir bewegen uns stabil auf Vorjahresniveau. Das betrifft vor allem den Teilebereich. Der Serviceumsatz im Handel unterliegt generell gewissen Schwankungen, zum Beispiel in Abhängigkeit von durchzuführenden Feldmaßnahmen. Aufgrund der hohen Qualität der Fahrzeuge ist die Zahl der Gewährleistungsfälle rückläufig, das sind positive Nachrichten für unsere Kunden. Wir konnten uns aber aufgrund der Erhöhung der Kundenloyalität steigern und das ist eine gute Entwicklung. Die Wartezeit für unsere Kunden auf einen Servicetermin hat sich von vier bis fünf Wochen auf ca. eine Woche reduziert. Das ist also eine gesunde Entwicklung.AH: Mit dem Konzept Economy Service zielt man auf Fahrer von älteren Fahrzeugen ab. Geht das jetzt auf?L. Eßmann: Auf alle Fälle. Gerade die Stand-alone-Betriebe, das sind jetzt 40, haben beeindruckende Steigerungsraten im mittleren zweistelligen Bereich erzielt. Wenn man den Economy Service engagiert betreibt, ist das ein Erfolgsmodell mit großen Entwicklungschancen. Es gab schon mehrere Ansätze, die Segmente 2 und 3 zu bearbeiten. Diesmal haben wir einen Volltreffer gelandet.AH: Treiber des Servicegeschäfts ist in der Regel der gestiegene Fahrzeugpark, also mehr Autos - mehr Aufträge. Jetzt gibt es deutliche Qualitätssteigerungen und dafür deutlich weniger Gewährleistungen. Gleichzeitig nimmt die Komplexität zu. Was steigert künftig die Umsätze? Die E-Mobilität sicher nicht.L. Eßmann: Bei Neuwagen im Segment 1 wird sich bezüglich des Servicevolumens nicht mehr so viel bewegen, hier werden sich gegenläufige Effekte weitgehend die Waage halten. Vergleichen Sie das Wechseln einer H4 Scheinwerferbirne an der Tankstelle mit dem Austausch eines LED-Matrix-Scheinwerfers. Die Reparaturen werden komplexer, es gibt also höhere Umsatzchancen beispielsweise im Unfallgeschäft. Andererseits sind immer mehr Fahrzeuge mit Assistenzsystemen unterwegs, die Unfälle im besten Fall ganz verhindern oder zumindest die Folgen abmildern können. Zukünftig werden wir außerdem einige Themen mit "Flashen-over-the-air" lösen können. Daher rechnen wir hier insgesamt mit einer relativ gleichbleibenden Entwicklung. Am Ende des Tages geht es also um höhere Marktanteile im Segment 2 und 3, um das Geschäft substanziell auszubauen. Wir richten daher viele Aktionen und den gewährten Bonus zunehmend auf diese Zielgruppen aus. Im dritten Quartal 2019 haben wir beispielsweise mit dem Economy Service rund 35.000 Kunden dazugewonnen. Diese Servicekunden waren 24 Monate und länger nicht mehr bei uns. Diese Zahlen belegen, dass der Economy Service wirklich gut funktioniert.AH: Was ist das Geheimnis beim Economy Service?L. Eßmann: Das ist am Ende die Summe vieler Details. Allgemein würde ich es so beschreiben: Wir haben es unseren Partnern leichter gemacht, sich für Segment-2- und -3-Kunden attraktiv aufzustellen. In der Vergangenheit war es zum Beispiel so, dass sich die in diesem Servicesegment unumgänglichen Nachlässe für die Betriebe doppelt negativ ausgewirkt haben. Denn das schlug sich auch in den Verrechnungssätzen nieder, mit denen ihnen etwa Gewährleistungsarbeiten vergütet wurden. Diesen Mechanismus haben wir mit dem Economy Service entkoppelt. Dadurch entsteht kein Nachteil mehr für den Handel, wenn er mehr ältere Fahrzeuge repariert. Außerdem setzen wir weiter auf hohe Qualitätsstandards, haben aber kostenintensive Vorgaben mit begrenztem Kundennutzen rausgenommen. Das macht es einfacher für den Handel, auf den Economy Service zu setzen. Kunden der Segmente 2 und 3 legen bekanntlich mehr Wert auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.Neue digitale WerbekampagnenAH: Wie sprechen Sie junge Kunden an?L. Eßmann: Mit frischen Inhalten in den richtigen Kanälen. Wir starten mit neuen digitalen Werbekampagnen und arbeiten inzwischen mit Influencern, um junge Kunden noch besser zu erreichen. Wir setzen als Marke inzwischen also verstärkt auf zielgruppenorientierte Onlinewerbung.AH: Soll das Konzept ausgebaut werden?L. Eßmann: Deutlich! Unsere junge Servicemarke kommt, wie gesagt, gut bei Kunden und Handel an. Wir haben eine Reihe von Gebieten ermittelt, die unbedingt mit Economy Service abgedeckt werden sollten. Wir starten jetzt eine Kampagne, um die dortigen Investoren zu motivieren.AH: Gibt es auch eine zweite Teileschiene?L. Eßmann: Unsere Kunden im Economy Service können auf Wunsch in einigen Bereichen auf sogenannte Economy Teile zurückgreifen. Diese sind günstiger als Originalteile, dafür nicht ganz so langlebig, machen aber keinerlei Abstriche bei Funktion und Sicherheit.AH: Der Preis soll beim Kunden laut zahlreicher Marktforschungsergebnisse nie an erster Stelle stehen. Ihr Sparkonzept in der Werkstatt belegt anscheinend das Gegenteil?L. Eßmann: Der Preis spielt anscheinend durchaus eine Rolle, das zeigt unser Economy Service. Zugleich aber auch die Qualität. Wir haben Servicekunden befragt, welche Art der Teile sie vorziehen. Die Mehrheit hat sich für Originalteile entschieden. Für uns heißt das, der Verrechnungssatz und die Teileaufschläge sind wichtige Stellhebel, die das Kundenverhalten beeinflussen. Mit dem schlanken Economy-Service-Konzept haben wir dafür die richtigen Antworten geliefert. Kosteneinsparungen erreichen wir allerdings auch durch das neue Format Servicefactory. Hier geht es um größere Werkstätten für alle Konzernmarken ohne direkten Kontakt zum Kunden. Dort können unsere Partner innerhalb ihres Gebiets sehr effizient Serviceumfänge poolen. Das reduziert durch niedrigere Standards den Verrechnungssatz deutlich. Inzwischen gibt es im Konzern über 40 Pilotversuche.ElektromobilitätAH: Wie wird sich die E-Mobilität auf das Geschäft auswirken?L. Eßmann: Natürlich wird es durch die zunehmende Elektrifizierung Veränderungen im Teilemarkt geben. Wir erwarten, dass E-Fahrzeuge insgesamt rund 20 bis 30 Prozent niedrigere Wartungskosten haben werden als konventionelle Fahrzeuge. Ein E-Motor besteht eben nur noch aus rund 200 Teilen, ein konventioneller hat rund 1.200 Teile. Dieser Wandel kommt aber nicht über Nacht. Im Jahr 2030 werden wir im Konzern global einen Anteil von reinen E-Autos am gesamten Fahrzeugbestand zwischen zehn und 15 Prozent haben. Das heißt auch, dass wir dann noch 85 bis 90 Prozent konventionelle Fahrzeuge versorgen werden. Parallel zum technologischen Wandel verändert sich zunehmend auch die Einstellung der Kunden. Das eigene Auto wird möglicherweise etwas an Stellenwert verlieren. Die individuelle Mobilität wird aber weiter eine wichtige Rolle einnehmen.Unser Ziel ist es natürlich, die Organisation auch bei diesen Rahmenbedingungen zukunftssicher aufzustellen. Für die Servicepartner liegt ein Schlüssel darin, die aktuelle Servicestärke in Segment 1 auch auf das Segment 2 zu übertragen. Es geht also um Kundenloyalisierung. Der Economy Service zielt genau darauf ab. Ebenso wie zahlreiche andere Maßnahmen. Ein weiteres Beispiel sind die gemeinsam mit Financial Services aufgelegten Produkte, etwa Wartung & Inspektion oder auch umfassende Allinclusive-Pakete, bei denen für die Kunden vor allem die Nutzung des Autos im Mittelpunkt steht, nicht der Besitz. Der Kunde wünscht sich eine Flatrate und die bieten wir gemeinsam mit Financial Services.AH: Wie managt man die Komplexität, die damit verbunden ist?L. Eßmann: Natürlich sind Veränderungen immer mit Aufwand verbunden. Der Markt wird sicher nicht einfacher. Aber wir können unsere Partner unterstützen, indem wir die Komplexität in der Zusammenarbeit reduzieren. Daran arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen. Beispiele dafür finden wir unter anderem in der Qualifizierung, in der Gewährleistung oder auch in der Zertifizierung. Sehr oft geschieht diese Arbeit auch konzernweit, wovon besonders unsere vielen Mehrmarkenpartner profitieren. Ein plakatives Beispiel für die größere Flexibilität in den Betrieben ist die Dialogannahme, die wir früher sehr stark bei nahezu jedem Serviceereignis eingefordert haben. Heute haben die Unternehmen hier deutlich mehr Freiheiten. Am Ende entscheidet der Kunde, ob er eine Dialogannahme möchte oder nicht. Dabei sollte in den Betrieben klar sein, wie wertvoll dieses Instrument ist - für die Kundenbeziehung ebenso wie für den Umsatz. Wir wissen heute recht genau, wie groß die ungenutzten Umsatzchancen pro Servicedurchgang im Durchschnitt sind. Das gilt vor allem dann, wenn eben keine Dialogannahme stattgefunden hat. Hier haben wir durchaus noch Verbesserungspotenzial.AH: Brauchen wir dann neue Entlohnungssysteme im Service?L. Eßmann: Wir sollten darüber nachdenken, vor allem was die Serviceberater betrifft. Es geht künftig darum, dass die Verkaufsleistung stärker honoriert werden sollte. Einige erfolgreiche Betriebe realisieren das übrigens bereits heute. Wohlgemerkt immer mit der Maßgabe, die Kunden transparent und fair zu betreuen. Am Ende sind sie es, die entscheiden.AH: Herr Eßmann, herzlichen Dank für das Gespräch!

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