Stellantis-Händler: Ein Notfallplan muss her

Was Stellantis derzeit mit uns macht, ist abenteuerlich." Mit diesen Worten fasst ein Händler die Situation in der Zusammenarbeit mit dem Stellantis-Konzern, zu dem unter anderem die Marken Opel, Peugeot, Citroen und Fiat gehören, zusammen. Die Belieferungssituation werde immer dramatischer und unzuverlässiger. Die Stellantis-Marken gehörten im September zu den größten Verlierern im deutschen Markt: Peugeot mit minus 49,2 Prozent gegenüber Vorjahr laut KBA, Alfa Romeo minus 48,8, Jeep minus 41,2, Citroen minus 38,3. Und dann kündigte auch noch Peugeot Deutschland am 15. Oktober das laufende Quartalsvertriebsprogramm zum 31. Oktober. Mittlerweile gibt es zwar schon ein neues Vertriebsprogramm, das seit dem 1. November gilt und sogar teilweise verbesserte Konditionen bietet. Die Händler aber über eine Woche im Unklaren darüber zu lassen, wie es weitergeht, war zumindest von der Kommunikation her unglücklich. Lieferprobleme auch bei Ersatzteilen Die Bestellprozesse sind durcheinandergeraten, heißt es aus dem Netz. Bei Citroen wurde die Auslieferung von 1.000 Transportern gestoppt, weil beim Hersteller derzeit keiner sagen könne, welche Ausstattung die Fahrzeuge haben. Auch bei den anderen Marken gibt es verstärkt Lieferprobleme - sowohl bei Fahrzeugen als auch bei Ersatzteilen. "Das entzieht einem die Geschäftsgrundlage", so ein Händler. Zielanpassung Trotz der dramatischen Belieferungssituation bestehen die Hersteller zum Teil aber weiter konsequent auf das Erreichen der Qualitäts- und Volumenziele - wobei die Berechnung und Höhe der monatlichen Volumenzielvorgaben "skurril und undurchsichtig" sei, so der Verband Deutscher Citroen-, DS- und Peugeot-Vertragspartner (VCDP) in einem Schreiben an seine Mitglieder, das AUTOHAUS vorliegt. Auch der Verband Deutscher Opel-Händler (VDOH) forderte seinen Hersteller auf, die Zielberechnung offen zu legen. Laut einem Rundschreiben des VDOH, das AUTOHAUS vorliegt, ist es dem Verband aber in Gesprächen gelungen, für den Kalendermonat Oktober eine Zielreduktion von fünf Prozent bei den Pkw- und zehn Prozent bei den Nutzfahrzeug-Modellen zu erreichen. Der VCDP hingegen fordert seit Monaten ein Aussetzen der Zielvorgaben - leider vergeblich, heißt es dort. Letzte Woche räumte Peugeot Deutschland-Geschäftsführer Haico van der Luyt zwar ein, dass es "bei einigen Modellen derzeit zu deutlich längeren Lieferzeiten" komme. Von Zielreduktion war bei Redaktionsschluss aber immer noch nicht die Rede. Handel muss sein Überleben sichern Für den VCDP ist aber eine Grenze erreicht. Er rät den Händlern nunmehr in einen Notfallmodus zu schalten, um die eigene Liquidität und Erträge zu sichern. Verkäufe müssten optimiert und Investitionen zurückgestellt werden. Das sei kein Aufruf zum Boykott, denn der Verband weiß, dass auch Stellantis mit außergewöhnlichen Problemen und Belastungen durch die Covid-Pandemie und den Halbleitermangel zu kämpfen hat. Aber die Vertragspartner müssten ebenfalls mit zum Teil gleichen Problemen und ebenfalls sehr hohen Belastungen kämpfen. Für diesen Ausnahmezustand bräuchte auch der Handel dringend geeignete Maßnahmen, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Die Hersteller würden es vormachen: Festmarge, Verkaufsförderung, Gewerbe-, Leasing- und Rent-Konditionen etc. würden derzeit von diesen sukzessive reduziert und die Fahrzeugpreise im Monats- oder Quartalsrhythmus regelmäßig zum Teil erheblich erhöht. Und: Die Hersteller bauten die raren Chips vorrangig in die hochpreisigen Modelle mit guten Margen ein - nicht unbedingt in die Fahrzeuge, die die Kunden wollen. Opel vorsichtiger Der VDOH äußert sich deutlich vorsichtiger. Opel-Verbandssprecher Peter Müller: "Wir können die Sorgen der Kollegen verstehen und unterstützen alles, was dem Handel hilft." Seiner Meinung nach sollte aber differenzierter vorgegangen werden, da es einige Themen gebe, die sich bei den Marken unterscheiden würden. Im September schlug sich Opel auch noch ganz gut im Markt: "nur" minus 1,2 Prozent gegenüber Vorjahr. Stellantis-Ansage sorgt für Unruhe Neben den aktuellen Problemen sorgen aber auch die Äußerungen von Maria Grazia Davino auf dem IfA-Kongress für große Unruhe im Stellantis-Netz. Die Stellantis-Europa Managerin hatte Mitte Oktober in Nürtingen mitgeteilt, dass für die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Handel ein Agentursystem mit einer Provision von vier bis fünf Prozent angedacht sei. Die Händler sollten außerdem schon einmal überlegen, was sie mit den frei werdenden Flächen in ihren Autohäusern anstellen würden. Die Ankündigung dieser niedrigen Agenturprovision, ohne zu wissen, welche Anforderungen dann wegfallen, sorgt für enorme Unsicherheit. "Stand heute, könnten wir mit so einer Provision unsere Läden dicht machen", so ein Händler. Dringend müssten Aussagen dazu getroffen werden, welche Einsparungen für den Handel möglich sind. Agentur nicht freiwillig Zudem gibt es im Handel Zweifel, ob Stellantis zur Führung eines Agentursystems in der Lage ist. Die Steuerung so vieler unterschiedlicher Märkte aus einer Zentrale in Paris erscheint schwierig. Denn "echt" ist eine Agentur nur, wenn kein Risiko aus den vermittelten Verträgen beim Agenten bleibt, keine marktspezifischen Risiken zulasten des Agenten bestehen und der Agent nicht parallel vom Hersteller auch verpflichtend als Händler eingesetzt wird. ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann vermutet allerdings, dass die Entscheidung des Konzerns für ein Agentursystem nicht ganz freiwillig getroffen wurde. Sie argumentiert, dass die FCA/PSA Fusion von der EU-Kommission genehmigt werden musste. Dies sei unter Auflagen geschehen, die insbesondere den Bereich der leichten Nutzfahrzeuge betreffen. Dort verfügt Stellantis in neun Ländern nämlich über sehr hohe Marktanteile im Bereich von 40 Prozent und darüber. Damit blieben Stellantis nach neuem EU-Recht nur drei Möglichkeiten: Umstellung auf Eigenvertrieb wie bei Tesla, rein qualitativer Selektivvertrieb, bei dem jeder einen Anspruch auf den Vertriebsvertrag hätte, der die Standards erfüllt, oder ein echtes Agentursystem. Das Letztere könnte die Lösung für Stellantis sein. Interessant sei jedoch, so die Expertin, dass der Konzern ein Kommissionsagentensystem, also ein unechtes Agentursystem, angekündigt hat. Wie das ausgestalten werden könne, damit es zu den EU-Vorgaben passt, werde voraussichtlich noch einige Rechtsanwälte und Unternehmensberater beschäftigen. Gemeinsamer Verband gefordert Die von Davino angekündigten Angleichungen im Konzern sollten aber dazu führen, auch die Interessen auf der Handelsseite zu bündeln, fordert Alfa Romeo und Jeep Händlerverbandspräsident Peter Jakob. Ein gemeinsamer Verband der Stellantis-Händler werde gebraucht, um auf Augenhöhe verhandeln zu können. Bisher gibt es insgesamt fünf Händlerverbände für die verschiedenen Marken. Laut Jakob haben bereits Gespräche für die Zusammenführung der Verbände stattgefunden - mit gemischten Ergebnissen. Kurzfassung Die Stellantis-Marken gehörten im September zu den Verlierern im Markt. Die geforderten Ziele sind den Händlern angesichts der Lieferschwierigkeiten ein Rätsel. Hinzu kommen Kommunikationsprobleme.

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