Ausgabe 06/2010: Gesetzes-Lawine

Gesetzes-LawineNeue Gesetze 2010 E Eine kleine Auswahl neuer Gesetze aus der Perspektive des Autohaus-Unternehmers. autohaus-juristen rechtsanwälte g. haug & PartnerIn den letzten Arbeitstagen ihrer Regierung entwickelte die Koalition aus CDU/CSU und SPD gerade auch im Hinblick auf die Wirtschaftskrise noch einmal eine umfangreiche Schaffenskraft. Mehr oder weniger zeitgleich wurden in den letzten Tagen der Amtsperiode fast 70 Gesetze verabschiedet, die nunmehr 2010 in Kraft treten oder bereits zum Jahresanfang in Kraft getreten sind. Nachfolgend sowohl für die unternehmerische wie auch persönliche „Betroffenheit“ eine kleine Auswahl:z ArbeitsrechtDas Kurzarbeitergeld kann nach dem Wortlaut des Gesetzes im Normalfall nur für max. 6 Monate in Anspruch genommen werden. Durch Rechtsverordnung wurde allerdings auch für das Jahr 2010 der Bezug von Kurzarbeitergeld auf 18 Monate verlängert. Die Erstattung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen zur Sozialversicherungen wird fortgesetzt. Eine Fortsetzung des verlängerten Bezugs von Kurzarbeitergeld über das Jahr 2010 hinaus – Antragstellungen also ab 1. 1. 2011 – erscheint unwahrscheinlich.Gemäß § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB werden bei Berechnung der Kündigungsfristen Zeiten, die vor der Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres eines Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Diese gesetzliche Regelung ist in den Branchen-Tarifverträgen in Bezug genommen. Der Europäische Gerichtshof hat § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Verstoßes gegen EU-Recht mit der Begründung der unzulässigen Altersdiskriminierung „gekippt“. Die Praxis hat sich hierauf einzustellen, die Kündigungsfristen sind für sämtliche Arbeitnehmer ohne Ansehung des Lebensalters zu berechnen.z ErbrechtAm 1. Januar 2010 trat die Erbrechtsreform in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen betreffen die Pflichtteilsregelung, die Anerkennung von Pflegeleistungen und die Anrechnung von Schenkungen. Bisher zählten Geschenke, die ein Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahren vor seinem Tod machte, bis zum Ablauf dieser zehn Jahre voll zum Nachlass. Allen Pflichtteilsberechtigten stand während dieser zehn Jahre ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Zukünftig mindert sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch jedes Jahr um 10%, bis er nach zehn Jahren vollständig entfällt. Dem Schenkungswillen eines Erblassers wird somit deutlich mehr Beachtung geschenkt. Pflegeleistungen zugunsten eines verstorbenen Erblassers werden seit dem 1. 1. 2010 bei der Verteilung des Erbes künftig stärker berücksichtigt. Nach altem Recht gab es nur einen finanziellen Ausgleich, wenn pflegende Kinder oder Enkel des Erblassers wegen der Pflegetätigkeit auf ein eigenes Berufseinkommen verzichteten. Nunmehr sind Pflegeleistungen auch dann zu berücksichtigen, wenn ein solcher Einkommensverzicht nicht vorliegt.z AnlegerschutzgesetzSeit 1. 1. 2010 gelten die neuen Regelungen zum Anlegerschutzgesetz. Bankberater müssen seitdem den Inhalt eines Beratungsgesprächs strikt protokollieren und dem Kunden vor Vertragsabschluss eine Kopie des Protokolls aushändigen. Die Verjährungsfristen wurden von bisher drei Jahren nach Vertragsabschluss erweitert auf drei Jahre nach Kenntnis von einer Falschberatung. Spätestens und ohne Berücksichtigung einer solchen Kenntnis tritt Verjährung abschließend 10 Jahre nach Vertragsschluss ein. Auch bei telefonischer Beratung ist dem Bankkunden eine Dokumentation zu übersenden.z Kranken- und PflegeversicherungIn Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 zum Mindestschutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau wurde das Bürgerentlastungsgesetz verabschiedet. Seit 1. 1. 2010 sind hiernach alle Beiträge eines Steuerpflichtigen für sich oder eine ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Person (z. B. Ehegatte oder Kinder) zu einer Basis-Krankenversicherung und Pflege-Pflichtversicherung als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Einen Höchstbetrag gibt es nicht, sodass alle vom Steuerpflichtigen tatsächlich aufgewandten Beiträge als Sonderausgaben angesetzt werden können, solange die Beiträge nicht höher sind als der Basistarif, wie ihn die gesetzlichen Krankenkassen anbieten. Vorhandene gesetzliche Regel- und Ausnahmetatbestände sind zu beachten.z EhegattenMit der Einführung eines „Faktorverfahrens“ soll ein Anreiz für geringer verdienende Ehepartner geschaffen werden, einer steuerpflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Nach diesem Faktorverfahren können sich Doppelverdiener-Ehepaare entscheiden, ob sie die Kombination der Steuerklasse III und V wählen, oder ob sie sich gemeinsam nach Steuerklasse IV mit einem individuell bestimmbaren Vervielfältiger besteuern lassen. Dadurch kann der Steuervorteil eines Ehegattensplittings der beiden Eheleute schon bei der monatlichen Lohnauszahlung und nicht erst später beim Steuerjahresausgleich berücksichtigt werden.z KinderInfolge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom Dezember 2009 ist seit Beginn 2010 der jährliche Kinderfreibetrag von € 6.024,00 auf € 7.008,00 gestiegen. Das monatliche Kindergeld wurde um je 20,00 € erhöht – also auf 184,00 € für das erste und zweite Kind, auf € 190,00 für das dritte Kind und auf je € 215,00 für das vierte sowie weitere Kinder.z Zwangsvollstreckung /InternetversteigerungMit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung und den jeweiligen Landesrechtsverordnungen können seit Anfang Januar 2010 gepfändete bewegliche Gegenstände im Internet versteigert werden. Insgesamt haben sich elf Landesjustizverwaltungen für den Betrieb einer gemeinsamen Online-Versteigerungsplattform entschieden. Die beteiligten Länder sind Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das nordrhein-westfälische Justizministerium als Projektleitung bietet mit www.justiz-auktion.de die Plattform für die Versteigerung im Internet an. Ein Blick auf die Internetseite lohnt sich. Vom Pkw bis zum Herrenduft wird alles angeboten, was Geld bringt. Bislang wird in der Praxis aus Kostengründen häufig von einer Pfändung abgesehen, weil eine Veräußerung in einer Präsenzversteigerung ggf. nicht zu erwarten ist. Dies dürfte sich mit der behördlichen Internetversteigerung deutlich ändern. Es ist im Gläubigerinteresse zu hoffen, dass die Gerichtsvollzieher die Möglichkeit der Internetversteigerung möglichst umfangreich umsetzen werden.z VerbraucherverträgeIn Umsetzung der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie wurde im Juli 2009 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, mit welchem das Bürgerliche Gesetzbuch im Schuldrecht erneut eine Änderung erfährt. Das Gesetz tritt zum 11. 6. 2010 in Kraft. Betroffen sind u. a. die Vorschriften über den Darlehensvertrag, über die Begründung von Schuldverhältnissen und insbesondere über die Widerrufs- und Rückgaberechte bei Verbraucherverträgen. Inwieweit das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinien vom bisher geltenden Schuldrecht abweicht, darf in einem der nachfolgenden Hefte an gleicher Stelle umfangreicher erläutert werden. Die Praxis wird sich jedenfalls auf die Änderungen entsprechend einzustellen haben.Rechtsanwalt Rainer Bopp, kanzlei@raehaug-partner.deKommentar< Auf eine so genannte „kleine Anfrage“ der FDP-Fraktion zur auslaufenden 16. Legislaturperiode gab die damalige schwarz-rote Bundesregierung die Auskunft, dass in der Wahlperiode bis zum Beginn der Sommerpause im Juli 2009 insgesamt 608 Gesetze und 1.638 Rechtsverordnungen erlassen worden waren – pro Sitzungstag des Bundestages also ca. drei Gesetze und ca. acht Verordnungen. Aufgehoben bzw. außer Kraft gesetzt worden waren des Weiteren 449 Gesetze und 1.059 Rechtsverordnungen. Zum Zeitpunkt 7. 7. 2009 umfasste das aktuelle Bundesrecht 1.729 Gesetze mit 45.801 Einzelnormen sowie 2.656 Rechtsverordnungen mit 37.364 Einzelnormen. Hinzu kommen Tausende von Urteilen der Deutschen Ober- und Höchstgerichte, deren Entscheidungen in Auslegung der Gesetze oft genug in der Praxis selbst als Rechtsetzungsakte anzusehen sind. Hinzu kommen eine Fülle von europäischen Richtlinien und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, welche direkten Einfluss auf deutsches Recht haben. Wer soll und kann dies noch überblicken, selbst wenn nicht sämtliche Rechtsvorschriften und Entscheidungen auf den persönlichen oder den Unternehmensalltag durchschlagen? Auf welche und wie viele Aktivitäten von Schwarz-Gelb dürfen wir uns in der 17. Legislaturperiode freuen? >

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