Ausgabe 22/2012: Klarstellung

KlarstellungSchadenersatz bei Nichtabnahme – BGH bestätigt 15-prozentige Schadenspauschale in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen.AUTOHAUS-JURISTEN Rechtsanwälte G. Haug & PartnerWill ein Käufer sein Fahrzeug nicht (mehr) abnehmen und ohne berechtigten Grund vom Vertrag zurücktreten, so ist der Streit meist vorprogrammiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer nicht auf Erfüllung bzw. Abnahme klagt, sondern den pauschalen Schadenersatz nach Ziffer V. Nr. 2 der Allgemeinen Neuwagen-Verkaufsbedingungen geltend macht. Dieser beträgt 15 Prozent des Kaufpreises, wenn nicht der Verkäufer einen höheren Schaden nachweist oder der Käufer nachweist, dass ein geringerer oder überhaupt kein Schaden entstanden ist.Die Wirksamkeit dieser Klausel ist seit jeher heftig umstritten. So wird zum einen das für allgemeine Geschäftsbedingungen maßgebliche Transparenzgebot mit der Behauptung ins Feld geführt, es sei unklar, welcher Schaden (Nichterfüllungs- oder Verzugsschaden) überhaupt pauschaliert werde. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass auch dem juristischen Laien mit Blick auf die Höhe der Pauschale klar sein muss, dass diese „Abstandszahlung“ auch den entgangenen Gewinn mit umfasst.Eine deutlich größere Angriffsfläche bietet da schon § 309 Nr. 5 BGB, wonach eine Schadenspauschale nicht den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigen darf. Nachdem insoweit auf den branchenüblichen Durchschnittsschaden abzustellen ist, werden immer wieder die seit Jahren gesunkenen Händlermargen bemüht, um den 15-prozentigen Pauschalbetrag auszuhebeln. So auch in einem Rechtsstreit beim Landgericht Saarbrücken und der anschließenden Revision beim Bundesgerichtshof.Verweigerte AbnahmeAusgangspunkt war ein Neuwagen-Kaufvertrag, bei dem der Käufer wider Erwarten nicht in den Genuss der sogenannten Abwrackprämie gekommen war. Nachdem die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben hatte, dass der Kaufvertrag nicht unter dieser Bedingung abgeschlossen worden war, ging es in der Berufung nur noch um die Frage, ob die über die Verkaufsbedingungen wirksam einbezogene Klausel gegen § 309 Nr. 5 BGB verstößt oder nicht. Der auf 15 Prozent Schadenersatz verklagte Käufer hatte insbesondere eingewandt, dass die Nachfrage seinerzeit größer als das Angebot gewesen war und dem Autohaus durch einen anderweitigen Verkauf des Fahrzeugs überhaupt kein Schaden entstanden sei. Nach dem Wortlaut der damals verwendeten Klausel war jedoch nur ein niedrigerer Schadenersatz für den Fall vorgesehen, wenn „der Käufer einen geringeren Schaden nachweist“.Dieser Sichtweise ist das Berufungsgericht allerdings mit Blick auf den objektiven Empfängerhorizont entgegengetreten. Der Wortlaut des § 309 Nr. 5 b) BGB verlange nur, dass dem anderen Vertragsteil ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Die Zulassung des Nachweises müsse danach in der Klauselformulierung zwar ausdrücklich angesprochen sein. Mit welchen Formulierungen dies zu geschehen habe, insbesondere ob der Klauselverwender sich dabei zwingend des Gesetzeswortlauts bedienen müsse, lasse der Gesetzestext dagegen offen.Die von der Klägerin verwendete Klausel, die auf eine Empfehlung des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e. V. Stand 1/2002 zurückgeht, lässt den Vertragspartner bei zutreffender Auslegung die Möglichkeit offen, auch den Nichteintritt eines Schadens nachzuweisen. Insbesondere sei der Wortlaut der Bedingung dahingehend zu verstehen, dass der Nachweis eines geringeren Schadens im Sinne eines Schadens von Null möglich ist. Denn dass die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens zugleich den Nachweis einschließt, dass überhaupt kein Schaden entstanden ist, liegt nach dem Wortlaut der Klausel und dem Zweck der Nachweismöglichkeit aus der Sicht eines verständigen, juristisch nicht voll gebildeten Vertragspartners auf der Hand.BranchenüblichkeitWeiterhin hat das Landgericht ausgeführt, dass die 15-prozentige Pauschale auch nicht die im Neuwagenhandel branchentypischen Durchschnittsgewinne überschreitet. Der hiergegen gerichtete Einwand, wonach die Gewinne im Autohandel schon seit Jahren erheblich geschrumpft wären, sei demgegenüber nicht zu folgen. Diese Auffassung stützt sich auf die seit der Aufhebung des Rabattgesetzes vor mehr als zehn Jahren in Gang gekommene „Rabattschlacht“ und auf eine Studie der FH Gelsenkirchen, die das Ausmaß dieser Preisnachlässe empirisch erforscht habe. Derartige Überlegungen lassen jedoch außer Acht, dass sich die Angemessenheit der Schadenspauschale nicht allein über den entgangenen Gewinn bestimmt. Insbesondere müssen auch die gestiegenen Vorhaltekosten und sonstige Aufwendungen des Autohauses berücksichtigt werden.Bei der danach vorzunehmenden Schadensberechnung sind die 15 Prozent auf der Basis des Bruttokaufpreises zu bezahlen. Dass für die Berechnung der Schadenspauschale der Nettokaufpreis maßgeblich sein soll, lässt sich weder aus Ziff. 5. Nr. 2 der Verkaufsbedingungen herauslesen, noch ergibt sich dies aus anderen Umständen. Von daher gehört die Mehrwertsteuer als rechtlich unselbständiger Bestandteil zum Kaufpreis, weil darunter üblicherweise im Handel der Bruttokaufpreis zu verstehen ist. Das Berufungsgericht hat gleichwohl die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage zugelassen. RevisionsentscheidungDer BGH hat diese Vorlage zum Anlass genommen, den seit Jahren andauernden Streit um die Schadenspauschalierung höchstrichterlich zu klären (Beschluss vom 27. Juli 2012 zu Az. VIII ZR 165/119). Danach kommt es entgegen den Revisionsangriffen nicht darauf an, ob die Umsatzsteuer nur dann als Schadensposten geltend gemacht werden kann, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Insbesondere müsse die Frage, welche Schadenspositionen die Pauschale bilden, von der Frage unterschieden werden, wie diese einzelnen Positionen quantifiziert werden und auf welchen Preis man bei dieser Quantifizierung abstellt. Auch verstößt die Klausel nicht gegen das Transparenzgebot, weil mit der Verwendung des Begriffs „Kaufpreis“ für den Kunden hinreichend klar sei, dass damit nur der vertraglich vereinbarte Gesamtkaufpreis inkl. MwSt. gemeint sein kann.Erfreulicherweise hat der BGH in diesem Zusammenhang auch klargestellt, dass die Schadenspauschale von 15 Prozent des Kaufpreises angemessen und die Klausel deshalb am Maßstab des § 309 Nr. 5 BGB auch mit Blick auf die seit Jahren erheblich zurückgegangenen Gewinne im Autohandel unverändert wirksam ist. Eine Änderung der BGH-Rechtsprechung lasse sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 14. April 2010 herauslesen, weil es dort um die Angemessenheit einer zehnprozentigen Schadenspauschale für die Nichtabnahme eines Gebrauchtwagens gegangen sei, die nicht ohne weiteres auf den Neuwagenhandel übertragen werden könne.Rechtsanwalt Walter Sattler, Kanzlei@raehaug-partner.de www.haug-partner.deKurzfassung 1. Die in den allgemeinen Verkaufsbedingungen enthaltene Klausel zum pauschalierten Schadenersatz im Falle der Nichtabnahme verstößt nicht gegen das Transparenzgebot, weil mit dem Begriff „Kaufpreis“ eindeutig der Bruttokaufpreis inkl. MwSt. gemeint ist.2. Die 15-Prozent-Klausel im Neuwagenbereich ist unverändert und trotz gesunkener Händlermargen wirksam, soweit dort bestimmt ist, dass der Schadenersatz höher oder niedriger anzusetzen ist, wenn der Verkäufer einen höheren Schaden nachweist oder der Käufer nachweist, dass ein geringerer (oder überhaupt kein) Schaden entstanden ist.3. Unter dieser Voraussetzung bestehen auch gegen die Wirksamkeit der 10-Prozent-Klausel im Gebrauchtwagenbereich keine Bedenken.Kommentar< Die nebenstehend besprochene BGH-Entscheidung passt in die seit Wochen andauernde Diskussion über die branchenschädlichen Verlautbarungen von Herrn Prof. Dr. Dudenhöffer. Man stelle sich nur vor, der dortige Beklagte oder das Gericht hätten den vom Center Automotive Research (CAR)veröffentlichten Rabatt-Index zur Messlatte für den branchenüblichen Durchschnittsschaden erhoben. Dass diese „Rabattschleuderei“ an der Realität vorbeigeht und einen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet, hat nicht nur Burkhard Weller in seinem offenen Brief an den Automobil-Professor mit erfrischender Deutlichkeit festgestellt (vgl. AUTOHAUS online vom 30.10.2012).Unabhängig davon werden vertragsbrüchige Käufer Dudenhöffers Steilvorlage dankbar aufnehmen, um „nachzuweisen“, dass der Händlerschaden im Einzelfall weit unter 15 Prozent mit Tendenz gegen Null liegt. Von daher führen seine unverantwortlichen Rabattäußerungen nicht nur zu einer Verunsicherung der Verbraucher, sondern auch der Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat allerdings im Gegensatz zum CAR durchaus erkannt, dass die branchenüblichen Margen von vielerlei Faktoren abhängen und deshalb kein Anlass zu einer Änderung seiner Rechtsprechung besteht. >

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