Urteil: Kundenzufriedenheitsbefragung per E-Mail

Kundenzufriedenheitsbefragungen gehören heute zum Repertoire vieler Unternehmen. Dies gilt ausgewiesenermaßen auch für die Kfz-Branche. In den Verträgen mit den Herstellern werden den Händlern Kundenzufriedenheitsumfragen sogar vorgeschrieben und deren Ergebnisse zum Gegenstand von Bonifizierungen und Margensystemen erhoben. Auch unabhängig von derartigen Verpflichtungen aus Händlerverträgen sind der Kontakt zum Kunden und das Wissen um dessen Zufriedenheit von erheblicher Bedeutung für ein Unternehmen. Denn nur ein zufriedener Kunde ist auch ein wiederkehrender Kunde. Im digitalen Zeitalter werden Kundenbefragungen naturgemäß auch per E-Mail durchgeführt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem jüngsten Urteil vom 10.07.2018 (Az. VI ZR 225/17) mit der rechtlichen Zulässigkeit einer mittels E-Mail durchgeführten Kundenzufriedenheitsbefragung befasst. Kundenzufriedenheitsbefragung als definitionsgemäße Werbung Der Begriff der Werbung - so der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 15.12.2015, Az. VI ZR 134/15) - umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist neben der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung einschließlich Imagewerbung erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der EU-Richtlinie 2006/114/EG vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung "jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern". Danach dienen Kundenzufriedenheitsbefragungen zumindest auch mittelbar dazu, die befragten Kunden an sich zu binden und künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Kundenzufriedenheitsbefragungen stellen also definitionsgemäße Werbung dar. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Werbung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, "im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden" - so der Bundesgerichtshof im Urteil vom 19.12.1995 (Az. VI ZR 15/95). Hieraus folgt das Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer. Es folgt des Weiteren daraus die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt daher vor Belästigungen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. Unerwünschte Werbung stellt eine solche belästigende Kontaktaufnahme dar. Hierzu hatte sich der BGH bereits vor Beginn der E-Mail-Werbung im Hinblick auf die Briefkastenwerbung positioniert. Dem Eigentümer oder Besitzer einer Wohnung, der sich durch einen Aufkleber an seinem Briefkasten gegen den Einwurf von Werbematerial zur Wehr setzt, gestand der BGH (Urteil vom 20.12.1988 - Az. VI ZR 182/88) wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen Unterlassungsanspruch zu. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze wurden von der Rechtsprechung auf unerwünschte Telefon-, Telefax- und E-Mail-Werbung nun ausgedehnt und angepasst. Datenschutzrichtlinie EK Es würde verwundern, wenn es nicht auch für E-Mail-Werbung eine einschlägige europarechtliche Vorschrift gäbe. Eine solche Vorschrift findet sich in der Richtlinie 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (kurz: Datenschutzrichtlinie EK) wieder. Nach Art. 13 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie EK ist unter der Überschrift "unerbetene Nachrichten" Folgendes bestimmt: "Die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für Zwecke der Direktwerbung darf nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden." Fall und Urteil des BGH vom 10.07.2018 Die spätere Beklagte bot über eine Internet-Plattform ein elektronisches Gerät an. Der spätere Kläger erhielt die Zusendung des Geräts über ein zwischengeschaltetes Unternehmen zunächst ohne Rechnung. Bei der Bestellung hatte der Kläger naturgemäß seine E-Mail-Adresse angegeben. Irgendwelche Hinweise oder Ankündigungen im Hinblick auf die Verwendung seiner E-Mail-Adresse durch die Beklagte wurden dem Kläger nicht mitgeteilt. Einige Zeit nach Zusendung des Kaufgegenstandes erhielt der Kläger zusammen mit der Rechnung eine E-Mail mit folgendem Inhalt: "Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie Ihre Rechnung im PDF-Format. Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne-Beurteilung zu geben." Der Kläger betrachtete diese E-Mail als Belästigung und als Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und erhob Unterlassungsklage. Überraschenderweise wurde die Klage in den ersten beiden Instanzen abgewiesen. Erst der BGH entschied in der Revision, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zusteht. Nach Auffassung des BGH stellt die Verwendung von elektronischer Post für Werbungszwecke ohne Einwilligung des Empfängers einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre dar und damit sehr wohl einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Eine Kundenzufriedenheitsbefragung in einer E-Mail ist Werbung, und zwar auch dann, wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein vorher gekauftes Produkt erfolgt. Der Unternehmer, der eine E-Mail-Adresse eines Kunden im Anschluss an einen Produktverkauf zu Werbezwecken nutzen will, hat bei der ursprünglichen Erhebung und Verwendung der E-Mail-Adresse des Kunden dessen Einwilligung für eine Kundenzufriedenheitsbefragung einzuholen, dem Kunden aber zumindest die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zu widersprechen. Anderenfalls - so der BGH - liegt ein grundsätzlich rechtswidriger Eingriff durch das Unternehmen vor. Zwar entschied der BGH "lediglich" über die Bestellung eines kleinen elektronischen Gerätes. Es ist jedoch in rechtlicher Hinsicht keine Differenzierung für eine Kundenzufriedenheitsbefragung im Anschluss an einen Fahrzeugkauf gerechtfertigt. Kurzfassung 1. Der Begriff der Werbung umfasste gemäß der Rechtsprechung des BGH nach allgemeinem Sprachgebrauch sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Zur Werbung gehört definitionsgemäß somit auch eine Kundenzufriedenheitsbefragung.2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Einzelnen das Recht, "im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden". Unerwünschte Werbung wie z. B. eine Kundenzufriedenheitsbefragung bedeutet eine belästigende Kontaktaufnahme und stellt deshalb einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.3. Der Unternehmer, der eine E-Mail-Adresse seines Kunden zu Werbezwecken nutzen will - auch im Anschluss an einen Produktverkauf -, hat bei der ursprünglichen Erhebung und Verwendung der E-Mail-Adresse die Einwilligung des Kunden für eine Kundenzufriedenheitsbefragung einzuholen, dem Kunden aber zumindest die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zu widersprechen. Kommentar In dem im vorliegenden Beitrag besprochenen Fall wurde das beklagte Unternehmen letztlich verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro - ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer - zu unterlassen, an die E-Mail-Adresse des Kunden eine Bitte um Teilnahme an einer Kundenzufriedenheitsbefragung zu senden. So wichtig es in der digitalen Welt auch ist, Kontakt zum Kunden zu halten, so wichtig ist es gleichermaßen, die Fülle der gesetzlichen Vorschriften genau zu beachten. Vertragsformulare sind im Hinblick auf werbliche Maßnahmen vollständig und inhaltlich richtig zu gestalten. Ebenso ist zu überprüfen, dass die Kunden im Einzelfall die erforderlichen Erklärungen auch tatsächlich abgegeben haben, anderenfalls die unangenehmen Konsequenzen eines Unterlassungsverfahrens drohen.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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