Sachmängelrecht: Leistungshandlung, Leistungserfolg, Nacherfüllung

Mit seinem äußerst umfangreichen Urteil vom 26. August 2020 (Az. VIII ZR 351/19) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) auf 33 Seiten mit diversen Fragen des Nacherfüllungsrechts auseinandergesetzt. Entschieden ist mit diesem Urteil nun die Frage, ob das Gesetz einem Verkäufer bei Mangelhaftigkeit des Verkaufsgegenstandes grundsätzlich zwei Mängelbehebungsversuche einräumt oder lediglich einen solchen Versuch. In seinem Urteil beschäftigt sich der BGH darüber hinaus mit der Angemessenheit von Fristsetzungen und der Unterscheidung von Leistungshandlung und Leistungserfolg im Nacherfüllungsrecht. Der Fall Ein Privatkäufer - der spätere Kläger - kaufte von einem Autohaus - der späteren Beklagten - im September 2017 einen Neuwagen zu einem Kaufpreis von 18.750,00 Euro. Bestandteil des Kaufvertrages waren die rückseitig auf dem Vertragsformular abgedruckten Neuwagen-Verkaufsbedingungen des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. Im Mai 2018 rügte der Kläger Lackierungsmängel an der Motorhaube, der A-Säule und am Heckdeckel. Der Kläger setzte der Beklagten für die Nachbesserung eine Frist von zwei Wochen. Zwei Tage vor Ablauf dieser Frist meldete sich der anwaltliche Vertreter der Beklagten und bot für diese an, dass der Kläger einen Vertragshändler seiner Wahl für die Überprüfung und Nachbesserung der geltend gemachten Mängel aufsuchen solle. Anfang Juli 2018 verbrachte der Kläger das Fahrzeug zu dem von ihm herausgesuchten Drittunternehmen und vereinbarte dort einen Termin zur Durchführung der Nachbesserung, die im Zeitraum 14. August bis 21. August 2019 stattfand. Einige Tage nach Durchführung dieser Nachbesserung reklamierte der Kläger, dass eine vollständige Mängelbehebung nicht vorliege und die teilweise Neulackierung nicht fachgerecht ausgeführt sei. Es wurde nachfolgend ein weiterer Termin vereinbart, wonach bei dem Drittunternehmen die noch vorhandenen Mängel nachgearbeitet werden sollten. Zu diesem vereinbarten Termin erschien allerdings der Kläger entgegen der Absprache nicht. Vielmehr ließ der Kläger mit Schreiben vom 24. September den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären. Die Beklagte akzeptierte den Rücktritt nicht, weshalb der Kläger gerichtliche Hilfe suchte und einen Prozess anstrengte. Vorinstanzen Das Landgericht (LG) Hanau in erster Instanz sowie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in der Berufungsinstanz (Urteile vom 15. Januar 2019 - Az. 9 O 990/18 und vom 14. November 2019 - Az. 16 U 42/19) wiesen die Klage des Käufers jeweils zurück. Sowohl das LG wie auch das OLG waren der Auffassung, dass wegen eines Sachmangels ein Rücktritt vom Kaufvertrag auch dann, wenn dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde, in der Regel erst dann möglich ist, wenn zwei Nachbesserungsversuche des Verkäufers nicht zur Mangelbeseitigung geführt haben. Nach Meinung des OLG Frankfurt war es für eine zeitgerechte Nacherfüllung innerhalb der vom Kläger gesetzten Fristen nicht erforderlich, dass der Nacherfüllungserfolg innerhalb der gesetzten Frist eintritt. Es sei nach ganz überwiegender Ansicht - so das OLG - ausreichend, wenn die bloße Leistungshandlung innerhalb der Frist vorgenommen wird. Mit dem Angebot der Beklagten, dass das Fahrzeug bei einem Drittunternehmen (einem markengebundenen Autohaus) untersucht und nachgebessert würde, habe die Beklagte eine erste Leistungshandlung vorgenommen. Diese erste Leistungshandlung sei zwar noch keine unmittelbare und abschließende Nachbesserungsmaßnahme. Nachdem der Verkäufer jedoch vor einer Nachbesserung das Recht habe, den Kaufgegenstand auf behauptete Mängel zu untersuchen, sei insofern diese Untersuchung ein notwendiger Schritt zur Nacherfüllung. Dies sei im vorliegenden Prozess umso mehr zu berücksichtigen, als die gesetzte Frist von lediglich zwei Wochen "bei lebensnaher Betrachtung" zunächst einmal ohnehin nur für eine Untersuchung der gerügten Mängel ausreichen würde. Entscheidung des BGH Anders als das OLG Frankfurt sah der BGH die Verständigung zwischen dem Kläger und der Beklagten auf den Ort und die Zeit der Untersuchung der behaupteten Mängel nicht als einen ersten Teil einer Leistungshandlung an. Nach Auffassung des BGH lag bei einer solchen Verständigung zwischen den Parteien lediglich ein die Leistungshandlung (= Durchführung von Lackierungsarbeiten) vorbereitender Schritt vor. Unter Bezugnahme auf die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und die Rechtsprechung des EuGH stellt der BGH klar, dass eine Nachbesserung innerhalb angemessener Frist vollständig zu erfolgen hat und damit auch der Leistungserfolg (tatsächliche Mängelbehebung) innerhalb der angemessenen Frist einzutreten hat. Selbstverständlich muss dem Nachbesserungsverpflichteten hierbei so viel Zeit zur Verfügung stehen, dass er bei eigenem ordnungsgemäßem Vorgehen einen vorhandenen Mangel beheben kann. Salopp formuliert darf der Nachbesserungsverpflichtete nicht "trödeln", sondern muss zügig handeln. Hinsichtlich der Frage der einmaligen oder zweimaligen Fristsetzung legte der BGH dar, dass es nach der Vorstellung des Gesetzgebers grundsätzlich genügt, wenn der Käufer einmalig fruchtlos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Nach den Gesetzesmaterialien soll dem Käufer die Geltendmachung eines Fehlschlagens der Nachbesserung in praktischer Hinsicht schließlich erleichtert werden, nicht aber der Übergang zu den sekundären Gewährleistungsrechten (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz) erschwert werden. Nur dann, wenn der Käufer keine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat, bestimmt das Gesetz - so der BGH - in § 440 BGB eine zweimalige Nachbesserung als "Richtgröße" für die Bemessung eines angemessenen Zeitraums für die Nachbesserung; nur für diesen Fall der unterlassenen Fristsetzung besteht also ein zweimaliges Nachbesserungsrecht. Der BGH hob das Urteil des OLG Frankfurt auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung und Verhandlung an das OLG zurück. Ausblick In Zukunft hat sich die Praxis darauf einzustellen, Reklamationen eines Käufers unter Berücksichtigung des hier besprochenen BGH-Urteils zu bearbeiten. Die Ausübung eines Rücktrittsrechts wird für Käufer nicht unerheblich erleichtert. Dennoch kann die Ausübung eines Rücktrittsrechts durch den Gläubiger im Einzelfall gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen. Ein Käufer nämlich, der dem Verkäufer "freiwillig" nach Ablauf einer zunächst gesetzten Frist eine weitere Nachbesserungsmöglichkeit einräumt, verhält sich "widersprüchlich und treuwidrig" - so der BGH -, wenn er später seinen Rücktritt darauf stützt, dass der Verkäufer den Mangel nicht innerhalb der ursprünglich vorgesehenen Frist beseitigt hat. Derartige Absprachen gilt es in der Praxis deshalb beweisbelastbar möglichst schriftlich festzuhalten. Kurzfassung 1. Eine vom Fahrzeugkäufer gesetzte angemessene Frist zur Beseitigung eines Mangels hat der Fahrzeugverkäufer nicht bereits dann gewahrt, wenn er innerhalb der gesetzten Frist die Leistungshandlung (= Vorbereitung oder noch andauernde Maßnahmen zur Mangelbehebung) erbracht hat. Vielmehr muss auch der Leistungserfolg (= tatsächliche Behebung des Mangels) fristgerecht eingetreten sein.2. Die Frist zur Beseitigung des Mangels ist allerdings vom Käufer so zu wählen, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßer Handlungsweise vor Ablauf der gesetzten Frist voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann.3. Hat der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt, die erfolglos abgelaufen ist, muss er dem Verkäufer grundsätzlich keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einräumen, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.4. Ein zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung ist nur dann Rücktrittsvoraussetzung, wenn der Käufer sein Nachbesserungsverlangen nicht mit einer Fristsetzung verbunden hat. Kommentar Wie im vorliegenden Beitrag dargestellt, waren im konkreten Fall in den Kaufvertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK) einbezogen. An entsprechender Stelle der AGB ist Folgendes bestimmt: "Ansprüche auf Mängelbeseitigung kann der Käufer beim Verkäufer oder bei anderen, vom Hersteller/ Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben geltend machen; im letzteren Fall hat der Käufer den Verkäufer hiervon unverzüglich zu unterrichten, wenn die erste Mängelbeseitigung erfolglos war." Das OLG Frankfurt wie auch der BGH führen in ihren Entscheidungen vom 14. November 2019 bzw. vom 26. August 2020 aus, dass diese AGB-Bestimmung nach ihrem Wortlaut von der gesetzlichen Möglichkeit zweier Nachbesserungsversuche ausgeht. Nachdem nun vom BGH mit dem hier besprochenen Urteil vom 26. August 2020 für die Fälle des mit einer Fristsetzung verbundenen Nachbesserungsverlangens einem zweiten Nachbesserungsversuch im Wesentlichen die Grundlage entzogen ist (Ausnahmen wie immer außen vor), steht die Wirksamkeit der vorzitierten AGB-Klausel der Neuwagen-Verkaufsbedingungen des ZDK auf dem Prüfstand.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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