Ausgabe 11/2007: Mehr Marken, mehr Profit?

Mehrmarken-Management / Folge 2: Kernkriterien für die Aufnahme weiterer Fabrikate sind Rentabilitäts-prognose und Businessplan. Mehr Marken, mehr Profit?Von Manfred SchlegelDie Analyse des Marktpotenzials und der Wettbewerbssituation steht im Mittelpunkt des Businessplanes. "Unterm Strich muss es sich lohnen!" Dieses Grundgesetz der Betriebswirtschaft gilt auch für den Mehrmarkenbetrieb. Befasste sich die erste Folge dieser Serie (vgl. AUTOHAUS 7-2007, Seite 56) mit der strategischen Ausrichtung und der Wahl der richtigen Marke, geht es in diesem Beitrag um die Prognose der Rentabilität und um den Businessplan. Die Verbesserung der finanziellen Situation sollte bis auf wenige strategisch begründete Ausnahmen immer zentrales Entscheidungskriterium für das Projekt Mehrmarkenbetrieb sein. Die Komplexität der Kalkulation für mehrere Marken erfordert die kalkulatorische Berücksichtigung von mindestens zwei Sachzusammenhängen: Erstens ist in vielen Fällen davon auszugehen, dass der Mehrmarkenbetrieb in einem Gebiet geplant wird, in dem Wettbewerb besteht. Zweitens wird von möglichen Synergieeffekten auszugehen sein, unabhängig davon, welche Marken miteinander verbunden werden. Diese Größen dürfen bei der Plankalkulation für das Vorhaben "Mehrmarkenbetrieb" nicht vernachlässigt werden.Marktpotenzial ermittelnAls Basis der Kalkulation ist das Marktpotenzial im Einzugsbereich des geplanten Standortes zu ermitteln. Grob kann von einem Motorisierungsgrad von 0,5 Fahrzeugen pro Einwohner ausgegangen werden. Der ermittelte Fahrzeugbestand ist mit dem durchschnittlichen Marktanteil der Marke zu verknüpfen. Somit ist das Bestandspotenzial ermittelt. Genauere Zahlen haben das KBA oder der jeweilige Hersteller/Importeur. Für den Vertrieb kann je nach Wiederkaufrate das Verkaufspotenzial ermittelt werden. Für den Service werden von den erfragten Bestandszahlen die Fahrzeuge, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit Markenservice in Anspruch nehmen werden (Fahrzeugalter jünger als 3-5 Jahre), herangezogen. Multipliziert mit den durchschnittlichen Reparaturstunden per anno und dem angestrebten Stundenverrechnungssatz lässt sich das Marktpotenzial in Form der Anzahl der Fahrzeuge, der Anzahl der verkaufbaren Servicestunden und des Erlöses ermitteln. Das ermittelte Marktpotenzial muss auf Basis der vorherrschenden Wettbewerbssituation korrigiert werden. Dabei ist fest verwurzelten Händlern einer Marke regelmäßig eine hohe Loyalität seitens ihrer Kunden zu unterstellen, was sich entsprechend stark auf deren Berücksichtigung als Wettbewerber auswirkt. Chance: BetriebsübernahmeEine besondere Situation bzw. Gelegenheit stellt die Möglichkeit der Übernahme eines Wettbewerbers dar. Hier hat der Übernehmende folgende Vorteile:1.Entspannung der Wettbewerbssituation2. Übernahme der Betriebs- und Geschäftsausstattung3.Gute Chance zur Übernahme des KundenstammesKalkulatorisch formuliert, verringern sich die Kosten für das Marketing und die Kundengewinnung sowie für den Erwerb einer neuen Geschäftsausstattung. Zudem kann die Planungssicherheit durch das relativ genau kalkulierbare Marktpotenzial erhöht werden. Chance und Risiko birgt die Übernahme des Personals. Man kann einerseits schnell hochqualifizierte Mitarbeiter erhalten. Dabei empfiehlt es sich jedoch, mit jedem Mitarbeiter dessen Kompetenzen und Eignungen hinsichtlich der künftigen Entwicklungsoptionen zu analysieren.Synergien ermittelnSynergien zu realisieren wird häufig neben der Sicherung der Betriebsauslastung und dem Ausbau des Portfolios als Hauptziel der Aufnahme weiterer Marken genannt. Deshalb müssen die Synergiemöglichkeiten und deren Realisierbarkeit auf den Prüfstand. Auf Letztere wird im nächsten Teil des Beitrages, wo es um die Führung der Marken geht, speziell eingegangen. Vorab sei verdeutlicht, dass derzeit im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen 70 Prozent der Unternehmen hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben. Einen maßgeblichen Anteil tragen dazu die nicht realisierten Synergien bei. Synergiepotenziale stecken nicht nur in der gemeinsamen Nutzung der Betriebs- und Geschäftsausstattung wie Bremsenprüfstand, Telekommunikationsanlagen oder Werkstattausrüstungen. Die größten Möglichkeiten, Synergien zu nutzen, ergeben sich im personellen Bereich durch effiziente und effektive Organisation des Betriebes. Potenzielle "Synergiezerstörer" stecken in der (nach GVO eigentlich verbotenen) Vorschrift oder "Empfehlung" der Hersteller bezüglich EDV-Ausstattung.Im Rahmen der Planung der Aufnahme weiterer Marken ist der Unternehmer gefordert, mögliche Synergien mit ihren Potenzialen und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit zu formulieren. Zu ergänzen ist die Aufstellung um die Voraussetzungen bzw. notwendigen Schritte, um die gewünschten Synergieeffekte zu realisieren (siehe unten Tabelle "Synergieplanung").Kosten darstellenNeben den Kosten für den regulären Betrieb eines Autohauses verursacht vor allen Dingen die Erfüllung der Hersteller-Standards Kosten. Abhängig von der Marke können diese Kosten enorme Dimensionen annehmen. Man denke nur an den Vorführwagenbestand und die Marketingausgaben. Ebenfalls werden bei der Kostenkalkulation die im letzten Schritt ermittelten Synergiepotenziale entsprechend kostenmindernd berücksichtigt. Als wesentliche Kostenarten sind Personalkosten, Fahrzeugbestand, Abschreibungen, Marktbearbeitungskosten und Betriebsstoffe zu nennen. Ergänzend sei auf die Musterkostenrechnungen des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) hingewiesen. Sie umfassen alle im Automobilhandel und -service anfallenden Kosten und wurden vom Institut für einige Automobilmarken erstellt. Bei der Kostenkalkulation für die Aufnahme einer weiteren Marke hilft die Tabelle "Kostenkalkulation". Sie berücksichtigt zum einen die notwendigen Investitionen als auch die laufenden Kosten (inkl. Abschreibungen). Bei gemeinsam genutzten Ressourcen ist zu überlegen, mit welcher Intensität die einzelnen Marken diese nutzen. Dieser Faktor ist maßgeblich für die Aufteilung der Kosten auf die einzelnen Marken. Im Vorgriff auf die Investitionsrechnung erscheint es effektiv, diese ebenfalls im Rahmen der Kostenerfassung durchzuführen.Gewinn oder nur Deckungsbeitrag?Das Erlöspotenzial ist neben der Beurteilung der strategischen Zielerfüllung auf Basis des Portfolios die wichtigste Entscheidungsgröße, ob die Aufnahme einer weiteren Marke betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint. Zur Errechnung des Ertragspotenzials werden die im letzten Schritt kalkulierten laufenden Kosten vom ermittelten Umsatzpotenzial bzw. Deckungsbeitrag I subtrahiert. Ist es wahrscheinlich, dass die Aufnahme der zusätzlichen Marke profitabel sein wird, kann direkt zum nächsten Schritt, die Investitionsrechnung, übergegangen werden. Prognostiziert die erste Errechnung des Ertragspotenzials dagegen Verlust, so gibt es weitere kalkulatorische Möglichkeiten. Zunächst ist zu prüfen, ob die Aufnahme einer zusätzlichen Marke zu einer Erhöhung des Deckungsbeitrags im Unternehmen führt. Dazu werden alle fixen Kostenpositionen aus der Kostenkalkulation entfernt. Diese ermittelten variablen Kosten werden nun zur Deckungsbeitragskalkulation von dem bereits ermittelten Umsatzpotenzial abgezogen. Das Ergebnis stellt den Deckungsbeitrag dar. Er gibt an, welchen Betrag die Aufnahme der Marke zur Deckung der Fixkosten beitragen würde. Unter Umständen kann sich also trotz prognostizierter Verluste unter Vollkostenaspekten eine gesamtbetriebliche Verbesserung des Ergebnisses einstellen. Dies ermöglicht der zusätzlich durch die neue Marke generierte Beitrag zur Deckung der Fixkosten. Leistet eine weitere Marke jedoch lediglich einen Beitrag zur Deckung der Fixkosten, ist grundsätzlich vor der Aufnahme dringend zu warnen und das Vorhaben nur unter größter Vorsicht fortzuführen. Kontrolliert investierenFür die Aufnahme einer weiteren Marke sind vor allen Dingen zur Erfüllung der markenspezifischen Standards zum Teil – je nach Marke – hohe Investitionen zu tätigen. Als drittes Kriterium nach dem Markenportfolio und den Ertragspotenzialen können sich auch die notwendigen Investitionen zum K.O.-Kriterium für die Auswahl einer bestimmten Marke entwickeln. Nicht wenige Marken haben ihre Standards so hoch angesetzt, dass eine Investition nur in stückzahlträchtigen Märkten (Mittelzentren und größere Städte) Sinn macht.Die im vorherigen Kapitel durchgeführte Kalkulation umfasst neben den laufenden Kosten auch eine Aufstellung der notwendigen Investitionen. Anhand dieses Betrages und des geschätzten Marktpotenzials der zu betreuenden Fahrzeuge kann nun das Investitionsvolumen pro potenziellem Fahrzeug errechnet werden. Von dieser Summe sind für die weitere Überlegung die Investitionen für die Vorführfahrzeuge abzuziehen. Aufgrund der großen markenspezifischen Unterschiede lassen sich hier keine allgemeinen Aussagen oder Vergleiche bilden. Übersteigt die notwendige Investition ohne Vorführer 400 Euro pro potenziellem Fahrzeug im Markt (Bestand), ist von einer Investition grundsätzlich eher abzuraten. Nur wenn die vorangegangene Ertragsrechnung überdurchschnittlich hohe Renditen verspricht und/oder weitere strategische Gründe für eine Investition sprechen, sollte das Vorhaben an dieser Stelle weiterverfolgt werden.Liquidität sichernDer Liquiditätssicherung kommt in Phasen hoher Investitionen eine besonders wichtige Rolle zu. Im schlechtesten Falle könnten die notwendigen Ausgaben zur Aufnahme der neuen Marke zur Zahlungsunfähigkeit des gesamten Unternehmens führen. So weit darf es keinesfalls kommen. Besser ist es, mit den Herstellern einen Investitionsplan zur Erfüllung der Standards zu vereinbaren. So können manche aufwändigen, aber nicht unbedingt erforderlichen Investitionen unter Umständen etwas verschoben werden. Es empfiehlt sich, gemeinsam mit den Herstellern und den Banken einen Investitionsplan zu erstellen. Und dieser muss sich "unter dem Strich" lohnen.

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