Ab 2023 keine reinen Verbrenner mehr: Mit neuen Modellen in die Zukunft

Vincent Ricoux ist seit April der neue Chef von Nissan in Deutschland. Er kennt den Markt bestens, denn zuvor war er hier Vertriebs- und Marketingleiter.AH: Nissan hat vor Kurzem neue Produkte und Antriebstechnologien angekündigt. Welche Fahrzeuge kommen wann nach Deutschland?V. Ricoux: Wir dürfen nicht vergessen, dass einige komplett neue Fahrzeuge schon da sind: Zuerst der Qashqai, der erst in der zweiten Jahreshälfte angekommen ist. Der neue Townstar ist ebenfalls gerade erst als Kastenwagen und Hochdachkombi auf dem deutschen Markt gelauncht worden. Das ist ein typisches Beispiel für ein Fahrzeug, das uns hilft, ein neues Marktsegment abzudecken und damit neue Kunden zu gewinnen. In den kommenden Monaten bringen wir gleich sechs wichtige Modellneuheiten bzw. Antriebsvarianten auf den Markt. Zunächst einmal kommt der vollelektrische Nissan Ariya. Die Vorverkaufsphase hat bereits am 1. April begonnen. In den ersten drei Wochen wurden schon 350 Kaufanträge für dieses Fahrzeug generiert. Dann kommt der Juke Hybrid, der jetzt auf 140 PS kommt. Diese Fahrzeuge bieten für uns und unsere Händler weitere Verkaufsmöglichkeiten und Potenzial. Später im Jahr kommt der Qashqai mit e-Power.Das ist eine komplett neue und einzigartige Antriebstechnologie, bei der nur der Elektromotor die Räder antreibt - wie bei einem rein elektrischen Fahrzeug eben. Den Strom für die kleine Antriebsbatterie wiederum generiert ein kleiner Verbrennungsmotor während der Fahrt. Darauf folgen rein elektrische Antriebe für die Townstar-Modelle und der komplett neue X-Trail ebenfalls mit e-Power oder Mildhybrid sowie mit optionalem 4x4. Nicht vergessen sollten wir dann unseren neuen Camper Primastar Seaside, den wir zusammen mit dem renommierten Hersteller Dethleffs bauen. Wenn man das alles betrachtet, wird der Showroom unserer Händler nach dem Sommer komplett anders aussehen als vor einigen Monaten. Wir haben dann die ganze Palette vom B-Segment mit dem Micra bis zum Ariya, ergänzt durch unsere komplette Nutzfahrzeugpalette.Ab 2023 keine reinen Verbrenner mehr AH: Und welche Modelle fallen weg?V. Ricoux: Kein weiteres Nissan-Modell wird in Deutschland ersatzlos gestrichen. Zugunsten einer neuen Ära in der Mobilität verzichten wir allerdings auf Investitionen in Euro-7-konforme reine Verbrenner. Dadurch werden ab 2023 neue Pkw nur noch mit teil- oder vollelektrischen Antrieben in Europa eingeführt. Bereits in Vorbereitung und mittelfristig auf dem Plan ist ein neuer, vollelektrischer B-Crossover. Zudem haben wir bereits einen Nachfolger des Kleinwagenklassikers Micra angekündigt, der erneut von unserem Allianzpartner Renault gefertigt und dann ebenfalls ausschließlich mit 100 Prozent elektrischen Antrieben auf den Markt kommt. Wie wir unseren Partnern bereits mitgeteilt haben, endet die Produktion der aktuellen Generation des Micra wie geplant im Dezember 2022. Folglich müssen wir eine gewisse Zeit ohne ein Angebot im klassischen Kleinwagen-Segment überbrücken. Diese Lücke gilt es möglichst klein zu halten und mit Strategien zu füllen, um die Micra Kunden zu halten, zum Beispiel mit einer Verlängerung der Leasing-Verträge oder mit attraktiven Alternativangeboten, wie beispielsweise dem Juke.AH: Zurzeit ist in der Branche ein großes Problem, dass die Förderung für Plug-in-Hybride Ende 2022 enden soll und viele Fahrzeuge bis dahin nicht geliefert werden können. Wie sieht das bei Nissan aus?V. Ricoux: Für uns ist das kein Problem. Wir haben keine Plug-in-Hybride. Wir setzen auf elektrifizierte Systeme ohne Stecker und reine Elektrofahrzeuge.Ziel 2022: 40.000 EinheitenAH: Wie sieht es derzeit bei der Lieferfähigkeit aus?V. Ricoux: Vom Ukraine-Krieg sind wir nur in sehr geringem Umfang betroffen. Was uns trifft, ist die Covid-Situation in China. Unseren Tiefpunkt, was Lieferfähigkeit angeht, hatten wir im Oktober. Seitdem geht es bergauf. Ob das so weitergeht, kann ich nicht sagen. Wir gehen aber davon aus, dass wir mehr Volumen bekommen werden als 2021. Unser Ziel sind 40.000 Einheiten in 2022. Die nächsten Wochen werden uns einen Hinweis geben, ob das machbar ist.2,4 Prozent HändlerrenditeAH: 40.000 ist deutlich weniger, als Nissan hierzulande schon verkauft hat. In den letzten Jahren sind die Nissan-Zulassungen stark eingebrochen. Wegen weniger Fahrzeugverkäufen wollen die Händler eine Reduktion der Anforderungen an CI und Mitarbeiter. Was planen Sie da?V. Ricoux: 40.000 ist weniger als das, was wir in 2015/2016 verkauft haben. Aber man muss das in Relation setzen. Wir und auch unsere Händler machen das, um unsere Kunden zu bedienen, um Geld zu verdienen und die Zukunft unserer Marke zu sichern. Mit den 30.000 Einheiten im Fiskaljahr 2021 haben unsere Händler mehr verdient als in den letzten fünf, sechs Jahren. Das zeigt sich auch an der Händlerrendite. Sie lag 2021 bei 2,4 Prozent. Das durchschnittliche Ergebnis eines Nissan-Händlers belief sich damit auf 172.000 Euro - das ist der beste Wert seit 2016 und höher als 2015. Das heißt, es geht darum, wie wir die Autos verkaufen und auf welchen Kanälen. Wir fokussieren uns schon seit geraumer Zeit auf die profitablen Kanäle. Aktuell haben wir einen Privatmarktanteil von 2,22 Prozent. Das zeigt, dass unsere Händler mit unserer Unterstützung in 2021 ihre Struktur angepasst haben, um ihre Renditen zu schützen. Das heißt, es geht hier nicht um Pläne, sondern das sind bereits Tatsachen. 60 Prozent unserer Händler haben schon die neue CI, 80 Prozent werden es noch dieses Jahr sein. Okay, wir müssen noch 20 Prozent der Partner überzeugen, aber das wird uns auch noch gelingen. Was die Schulungen angeht, halte ich es für nötig, dass die Mitarbeiter über die neuen Produkte Bescheid wissen. Wenn wir jetzt komplett neue Modelle und neuartige Antriebe einführen, brauchen wir auch mehr Schulungen. Generell sind wir aber im permanenten Austausch mit unserem Händlerverband und reagieren auch auf Kritik.Produkte höher positioniertAH: Die Händler fordern eine verbesserte Preispositionierung. Wie sehen Sie das?V. Ricoux: Das Wichtigste im Moment sind nicht günstige Preise, sondern die Produktion zu sichern. Selbstverständlich müssen wir uns so positionieren, dass wir wettbewerbsfähig bleiben, aber wir müssen auch die Kosten abdecken. Ich sehe nicht, dass wir derzeit ein Preisproblem bei Nissan haben. Unsere Produkte sind hochwertiger, die Palette wird höher positioniert als früher, damit gehen auch höhere Preise einher. Mit dem Ariya (ab 47.490 Euro, Anm. d. Red.) bringen wir ein Fahrzeug auf den Markt in einer Preiskategorie, in der wir mit Ausnahme des GT-Rs nicht präsent sind. Höhere Preise bringen aber auch Vorteile für den Handel, hier kann mehr verdient werden.Marke sichtbarer machenAH: Und fehlendes Marketing wurde beanstandet. Hat sich da etwas verbessert?V. Ricoux: Im Gegensatz zu anderen Marken haben wir auch in den schwierigen Monaten der Pandemie nie aufgehört, Werbung zu machen. Für unsere neuen Produkte wie den Qashqai haben wir selbstverständlich geworben. Seit Anfang 2022 haben wir zudem den Werbedruck deutlich erhöht, weil wir wieder mehr Produktion bekommen haben. Wir wollen die Marke in Deutschland wieder sichtbarer machen, um damit die Einführung der neuen Produkte vorzubereiten. Ein Beispiel für unsere neue Werbestrategie ist die Partnerschaft mit Warner Bros. zum Start des Kinofilms The Batman, bei der wir den Juke platziert haben. Wir werden weiterhin stark in den Bereich Media investieren: Wir brauchen das als Marke und wir müssen unsere neuen Produkte unterstützen. Zudem arbeiten wir an einer neuen Kommunikationsstrategie, die sich auf die Marke Nissan konzentriert und das Image stärkt.Online bedeutet mehr ChancenAH: In der Branche wird derzeit viel über Online-Vertrieb gesprochen. Wo steht Nissan und was sind die nächsten Schritte?V. Ricoux: Wir haben schon einige Bausteine, so ist zum Beispiel unser Händlerbestand sowohl im Neuwagen- als auch im Gebrauchtwagenbereich online verfügbar. Ein Auto online kaufen kann man bei uns noch nicht. Da sind wir dran. Aber der Händler wird weiterhin zentraler Bestandteil des Verkaufsprozesses sein. Er behält den Kontakt mit dem Kunden und liefert das Auto aus. Online bedeutet mehr Chancen für uns und für die Händler, Kunden zu akquirieren. Das hat aber keinen Einfluss auf unser Geschäftsmodell.AH: Bei vielen Marken wird derzeit die Einführung eines Agentursystems diskutiert. Welche Pläne hat Nissan?V. Ricoux: Direktvertrieb und Agenturmodell sind in absehbarer Zeit keine Themen für uns. Was langfristig kommt, kann ich nicht sagen. Es gibt aber keine Pläne für eine Änderung in den nächsten zwei Jahren.AH: Vielen Dank für das Gespräch!KurzfassungNissan setzt auf neue Produkte und innovative Antriebstechnologien für eine elektrifizierte Zukunft. Das Geschäftsmodell des Handels soll sich nicht ändern.

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