Servicemanagement: Mitarbeiter auf die digitale Reise mitnehmen

Respekt, da trifft sich ein Trio, das über Jahre aktiv in der Serviceszenerie der VW-Händlerorganisation den Servicealltag gemeistert hat und in der persönlichen Entwicklung zu der Auffassung kommt, beruflich eine neue Stufe anzugehen. Ihre Mission: Aftersales-Manufaktur. Sie wissen, wovon sie reden: Michael Schäfer, Boris Dähne und Leonel Martins.AH: Worin liegen für Sie gegenwärtig und in Zukunft die besonderen Herausforderungen im Service?M. Schäfer: Die gegenwärtigen Herausforderungen im Service liegen in den verschiedenen Vorgaben bzw. Standards der Hersteller. Neue Technologien machen hohe Investitionen notwendig. Der geringere Wartungsaufwand je Fahrzeug aufgrund verlängerter Wartungsintervalle, bessere Qualität der Fahrzeuge und zunehmende Elektromobilität tragen nach und nach zu rückläufiger Werkstattauslastung bei.WerkstattauslastungAH: Neue Fahrzeugmodelle sind qualitativ besser, auch E-Fahrzeuge bringen weniger Werkstattauslastung mit sich. Wie kann sich das einzelne Autohaus darauf strategisch einstellen?B. Dähne: Falsch wäre es jetzt, mit einem Abbau des Personals zu reagieren. Die besonderen Chancen der Werkstätten liegen zum einen in bislang ungenutztem Potenzial. Ferner eröffnen sich durch eine konsequente Digitalisierung der Prozesskette zusätzliche Potenziale.ServicerealitätenAH: Sie standen über Jahre in praktischer Verantwortung sowohl als Serviceberater wie als Serviceleiter innerhalb der VW-Organisation. Wie charakterisieren Sie die gegenwärtige Situation im Aftersales-Geschäft von Volkswagen?B. Dähne: Die Volkswagen-Partnerbetriebe konnten jahrelang von dem hohen Marktanteil profitieren. Ein sehr guter Servicekernprozess war in der Vergangenheit ein Kompass, der den Weg zum Ziel zeigte. Volkswagen hat in den letzten Jahren die Digitalisierung alles andere als mit der nötigen Dringlichkeit unterlegt. Komplizierte EDV, die Vielzahl von Anwendungen, die alle Monolithen sind, machen es den Servicemitarbeitern unnötig schwer. Im gesamten Serviceprozess müssen die involvierten Mitarbeiter im ungünstigsten Fall bis zu 300 Klicks erledigen, damit eine revisionssichere Rechnung aus dem Drucker kommt. 80 Prozent der Zeit ist ein Serviceberater mit administrativen Tätigkeiten und nur 20 Prozent mit dem Kunden beschäftigt. Mit dem DMS "Cross" hatten viele die Hoffnung auf Besserung. Das System ist aber so geschlossen und komplex, dass keine wesentliche Verbesserung eingetreten ist. Im Hinblick auf die Terminplanung war es sogar ein Rückschritt.Zukunft der DirektannahmeAH: VW hat die Vorgabe der Direktannahme aus den Standards genommen. Wie sehen Sie den aktuellen Stand der Diskussion um die Direktannahme?L. Martins: Die Dialogannahme feiert demnächst ihr 50-jähriges Jubiläum. Im Tagesgeschäft ist sie nach wie vor nicht die gelebte Praxis. In vielen Fällen treffen wir verwaiste Dialogannahmen als Arbeitsplatz von Prüfdienstleistern an. Konsequent umgesetzt und mit etwas kommunikativem Geschick ist die Dialogannahme aber immer noch ein hervorragender "Deckungsbeitragsbringer". Die Auflockerung der Standards in diesem Bereich ist grundsätzlich zu begrüßen, da es ja vor allem um individuelle Kunden vor Ort und deren Wünsche geht. Im Sinne einer guten Arbeitsvorbereitung, die bekanntlich zu einer guten Produktivität sowie Leistungsgrad führt, ist zumindest die "Monologannahme" verpflichtend. Mithilfe moderner Medien und der Digitalisierung bieten sich jede Menge Möglichkeiten, auch die Monologannahme für den Kunden zum Erlebnis zu machen.ServicedigitalisierungAH: Eine große Chance der Optimierung im Service liegt in der Digitalisierung, vor allem der Serviceprozesse. Wo steht darin die VW-Organisation? Was gilt es zu tun?M. Schäfer: Nach wie vor steht die VW-Organisation in Bezug auf ihre unterschiedlichen DMS und der Vielzahl weiterer EDV-Anwendungen im Zeitalter des "Nokia 3210". Die Monolithen "Cross" und "VAUDIS" (Volkswagen Audi Disketten Informations System) sind nicht mehr zeitgemäß. "Cross" lässt die Integration von externen Terminplanern und Dispositions-/Auswertungstools u. Ä. gar nicht erst zu. Bei "VAU-DIS" arbeitet der Nutzer auf einer DOS-Oberfläche und muss sich mithilfe der Funktionstasten durch die Menüs kämpfen. Die Software lässt sich nicht intuitiv bedienen und fordert daher bei neuen Mitarbeitern einen großen Schulungsbedarf. Die Servicemitarbeiter, die sich eigentlich um ihren Kunden kümmern sollten, sind viel mehr damit beschäftigt, sich durch die bis zu 13 komplizierten Programme zu klicken.Diesen Trend gilt es jetzt umzukehren. T-Systems hat dies erkannt und bringt mit "VAUDIS-X" ein modernes DMS, welches externen Partnern offene Schnittstellen zur Verfügung stellt. Gudat Solutions nutzt diese bereits und bietet mit dem "Digitalen Autohaus" eine sehr intuitiv bedienbare Komplettlösung.In unseren Augen ist das "Digitale Autohaus" zurzeit konkurrenzlos, da es alle Prozesse im Aftersales völlig papierlos abbilden kann. Zudem ist jeder Mitarbeiter im Service immer in Echtzeit bestens über den aktuellen Status eines Kundenfahrzeuges informiert.Der ProzessAH: Was raten Sie dem einzelnen VW- Händler für die praktische Umsetzung der Digitalisierung im Service im eigenen Autohaus?B. Dähne: Man darf nicht versuchen, die Digitalisierung auf die bestehenden Prozesse anzupassen. Zunächst müssen die aktuellen Prozesse bis ins Detail analysiert werden, um dann einen autohausindividuellen Prozess zu entwickeln, der zur Digitalisierung und dem einzelnen Autohaus passt. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung ist eine externe Begleitung sinnvoll, die die einzelnen Schritte vor Ort mit dem Serviceteam praktisch implementiert.Papierlose WerkstattAH: Ist die papierlose Werkstatt eine Frage der Betriebsgröße eines Autohauses?L. Martins: Die papierlose Werkstatt ist wirklich keine Frage der Betriebsgröße. Es ist weniger die Größe der Betriebe, die ein Überleben sichert, sondern die Geschwindigkeit, mit der die neuen Herausforderungen bewältigt werden. Eben, die papierlose Werkstatt. Das reicht dann weiter von der Online-Terminvereinbarung, der verlässlichen Auskunftsbereitschaft zum Stand der Reparatur, Echtzeittracking u. a.Der gemeinsame WegAH: Immer wieder ist zu vernehmen, dass Mitarbeiter in der Umsetzung der Digitalisierung große Vorbehalte haben. Wie schafft man die gemeinsame Umsetzung für den digitalen Prozess?M. Schäfer: Grundsätzlich bringt heute jeder Mitarbeiter die Bereitschaft zur Digitalisierung mit. Jeder hat ein Smartphone, nutzt WhatsApp, soziale Netzwerke und surft mobil im Internet. Vorbehalte gibt es in der Umsetzung am Arbeitsplatz. Zum einen sind schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit der Grund, zum anderen, weil ein gewohntes Verhalten abgelegt werden muss. Haben die Mitarbeiter den Vorteil der Digitalisierung erkannt, werden sie bereitwillig den Weg mitgehen. Das Wichtigste ist, dass die Mitarbeiter von Anfang an auf diese Reise "mitgenommen" und unterstützt werden. Es zeigt sich immer wieder, dass die besten Ideen aus den Reihen der Mitarbeiter kommen, die täglich mit den Systemen arbeiten. Veränderungen müssen gemeinsam mit den Mitarbeitern gestaltet werden, damit jeder zu 100% dahintersteht.AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!Die AutohausberaterDie Autohausberater GbR bieten Unternehmen die Entwicklung individueller Aftersales-Prozesse. Michael Schäfer hat über fünf Jahre Deutschlands größten Einzelstandort der Volkswagen-Konzernmarken geleitet. Boris Dähne zeichnete nach Stationen als Serviceleiter und Aftersales Manager mehrere Jahre als Geschäftsführer verantwortlich, zuletzt für 16 Autohäuser. Leonel Martins - 2010 jüngster Kfz-Techniker-Meister und 2011 jüngster geprüfter Serviceleiter Deutschlands - hat nach seiner Zeit als Aftersales- Verantwortlicher bei den Volkswagen-Konzernmarken und JLR ein Start-up im Bereich der Digitalisierung ins Leben gerufen.

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