Händlerprognosen: Neuer harter Wettbewerb

Weniger Neuwagenverkäufe, mehr Servicegeschäft und Sorge um Fachkräfte - so kann man die Erwartungen der von uns befragten Unternehmer zusammenfassen. Sie nehmen aber die Herausforderung an und sehen auch Chancen. Petra Wieseler, Geschäftsführerin Autohaus Kreisser, VW-, VW-Nutzfahrzeuge, Audi- und Skoda-Servicebetrieb in Ulm: "Sämtliche Hersteller werden ihre Vertriebskosten weiter senken und versuchen den direkten Zugang zu Kundendaten über die Implementierung von Agenturmodellen auszubauen. Daher wird die Pflege der Kundenbeziehung zum Händler noch wichtiger. Trotz steigender Onlinekäufe zieht die Mehrzahl der Kunden den Kauf im Autohaus dem Onlineabschluss vor. Dies erfordert unsererseits die stetige Anpassung unserer Onlinepräsenz an aktuelle Entwicklungen und die Erhöhung der Wahrnehmung in sozialen Medien. Sollte es für 2024 keine verlässliche Zusage über Fördermittel für den Kauf von Elektrofahrzeugen geben, sehe ich für die Automobilbranche in 2024 eine deutliche Abschwächung bei der Nachfrage von Neufahrzeugen. Durch das anhaltende hohe Zinsniveau wird sich das Interesse auf ältere und günstigere Gebrauchtfahrzeuge konzentrieren und eine Reparatur dem Fahrzeugwechsel vorgezogen werden. Unsere Hersteller werden auch in 2024 versuchen, noch mehr Wertschöpfung zu ihren Gunsten von den Händlern abzuziehen. Durch das mangelnde Angebot an Klein- /Einsteigerfahrzeugen zu einem vernünftigen und bezahlbaren Preis werden viele Kunden einen Gebrauchtwagen kaufen oder über einen Markenwechsel nachdenken und diesen vornehmen. Wir gehen davon aus, dass unsere Kunden ihre Fahrzeuge länger fahren. Unser Service wird noch mehr zum Stabilitätsfaktor. Die Suche nach Fachkräften erfordert aufgrund der zunehmenden Verknappung ein Umdenken im Recruiting und mehr Augenmerk bei der Mitarbeiterbindung. Die Aufnahme von Elektro-Leichtfahrzeugen (Microlino) und weiteren Nischenprodukten ist beispielhaft für die stetige Suche nach ergänzenden Geschäftsmöglichkeiten. Den Kopf in den Sand zu stecken war noch nie das passende Erfolgsrezept, sondern jede Veränderung am Markt auch als Chance zu erkennen und zu nutzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtigen Maßnahmen ergriffen haben und mein Team und ich das Jahr 2024 erfolgreich bewältigen." Jens Wernsing, Geschäftsführer Autohaus Wernsing, Ford-Vertragshändler in Bersenbrück: "Der Nutzfahrzeugsektor wird weiter stark vertreten sein. Bei den Privatkunden erwarte ich einen weiter steigenden Anteil an attraktiven Leasing- und Finanzierungsangeboten mit stark subventionierten Zinsangeboten, um einen finanziell ,sanften' Umstieg vom traditionellen Verbrenner zum BEV zu ermöglichen. Hier wird bei manchen Herstellern auch der Marktdruck aus Produktion, Rental- und Tageszulassungen eine zunehmend große Rolle spielen. Bei unserer Marke Ford können wir endlich wieder voll auf ,Angriff' schalten. Die volle Verfügbarkeit des Transit, gepaart mit einer Palette an neuen Modellen wie dem Courier, Custom und Ranger, wird es uns im Nutzfahrzeugbereich möglich machen, richtig anzugreifen. Mit neuen Varianten wie dem Allrad-Custom und dem Ranger V6 Diesel bringen wir noch mehr Vielfalt auf den Markt. Die Ford Pro-Bausteine werden das Kundenerlebnis ebenfalls auf eine neue Ebene bringen. Im Pkw-Bereich erwarten wir den Explorer als erstes BEV-Volumenmodell mit neuen Kundengruppen. Unsere Herausforderung wird es sein, jede vorhandene Kundengruppe möglichst lange zu halten und diese in die neue, digitale Fahrzeug- und Antriebswelt zu überführen - das gilt gleichermaßen im Service wie für den Verkauf. Und ja, das wird nicht ohne ,Stolpersteine' bei uns und beim Hersteller funktionieren. Jene haben wir aber auch in unserer Vergangenheit als Familienunternehmen immer gemeinsam überwunden." Philip Leuchtenberger, Geschäftsführer Stadac GmbH, BMW und Mini Vertragshändler an fünf Standorten im Raum Hamburg: "Meine Erwartung für die Branche ist ein neuer harter Wettbewerb, nicht nur zwischen den deutschen Herstellern, sondern auch mit den neuen chinesischen Marktpartnern in 2024. Für mein Autohaus sehe ich Wachstumschancen innerhalb der eigenen Standorte, aber auch große Herausforderungen für das Thema Mitarbeitergewinnung." Adrian Glöckner, Geschäftsführer Glöckner Automobile mit den Marken Alfa Romeo, Jeep, Fiat, Fiat Professional, Abarth, Lancia, Chrysler, Ram und Dodge sowie VW Service an drei Standorten in Dresden und Leipzig: "Das Jahr 2024 wird mit Sicherheit wieder ein spannendes Jahr. Die größte Unsicherheit wird das Konsumentenverhalten sein. Sind die Autokäufer zurückhaltend, kaufen noch schnell ein Auto mit traditionellem Antrieb oder investieren sie in moderne Technologien? Bei Fiat wird die Erfolgsgeschichte mit dem 500 und 500E weitergehen. Bei Jeep haben wir ein breites Angebotsspektrum mit vielen Chancen, neue Modelle und Varianten beim Jeep Avenger machen uns optimistisch. Bei Alfa Romeo wird der Weg zur Agentur weiter gestaltet werden und der Alfa Romeo "KID" ergänzt die Palette nach unten. Ganz spannend auch die Neueinführung der klassischen Marke Lancia in Deutschland. In unserem Autohaus werden wir uns auf kontinuierlichen Ausbau bei der Digitalisierung und auf Effizienzsteigerungen konzentrieren." Dr. Steffen Riess, Mercedes-Benz, Smart & BYD Händler, zwölf Standorte mit Hauptsitz in Tuttlingen: "Im Ausblick auf 2024 sehe ich eine Straße mit herausfordernden Kurven und ungewissen Abzweigungen für die Automobilbranche. Die Auftragseingänge und -bestände deuten im Neufahrzeugmarkt darauf hin, dass es in Deutschland - nicht zuletzt wegen der Rezession und der Preissensibilität - in Summe verhaltener wird, und dies wird zweifelsohne viele von uns vor besondere Aufgaben stellen. In diesem dynamischen Terrain spüren wir immer noch die Zurückhaltung gegenüber Elektroautos, inzwischen jedoch weniger aus technischen, sondern eher aus finanziellen Gründen. Als Autohaus ist es unsere Mission, diese Zurückhaltung zu durchbrechen, indem wir nicht nur das volle Spektrum und Potenzial der Autos anbieten, sondern auch die Chance der Elektromobilität vermitteln - Aufklärung und individuelle Beratung sind dabei unsere Werkzeuge. Mit Sorge blicken wir auf den Personalmangel. Es war für begabte Mitarbeiter nie einfacher, Teil des Mercedes-Benz-Netzes zu werden, vor allem im Service. Das ist Chance für engagierte Menschen, die mit uns den Weg in die automobile Zukunft gestalten wollen. Trotz dieser turbulenten Zeiten bleiben wir optimistisch. Wir setzen auf solide Finanzierung und bisherige Profitabilität, um nicht nur den Kurs zu halten, sondern auch weiter zu wachsen. Die kommenden Jahre sind zweifellos anspruchsvoll, aber sie sind auch eine Bühne, auf der wir mit Resilienz und Kreativität die automobile Zukunft mitgestalten werden." Gerhard Rabus, Geschäftsführer Autohaus Rabus mit den Marken Nissan an vier Standorten im Raum Schwaben und in Memmingen zusätzlich mit Isuzu: "Die weltweiten Krisen werden uns 2024 auch weiterhin begleiten. Leider verunsichern alle Themen rund um die gestiegenen Kosten bei Energie, Lebensunterhalt, Wohnraum u.v.m., sowie die plan- und strategielose Politik aus Berlin die Menschen, was einem nachhaltigen Wachstum nicht zuträglich ist. Deshalb sehe ich kein großes Wachstum im Neuwagenbereich, erwarte jedoch aufgrund des älter werdenden Fahrzeugbestandes weiter steigende Chancen im Aftersales. Neue Marken, die nach Europa und Deutschland drängen, und die steigende Verfügbarkeit werden den Preisdruck in der Branche erhöhen. Ebenso lässt mich das Gefühl nicht los, dass viele gute und hart erarbeitete Errungenschaften aus den Krisenjahren für Handel sowie Hersteller immer mehr kurzfristigen Zielen und Zahlen geopfert werden. Nach harten Jahren hat es der Handel bei Nissan wieder geschafft, den Abwärtstrend beim Marktanteil umzukehren. Diesen Trend werden und müssen wir mit den kommenden Sondermodellen und dem neuen Interstar weiter voranbringen. Wir haben sehr gute Autos, super Angebote und gerade bei unseren Nutzfahrzeugen mit fünf Jahren Garantie bis 160.000 Kilometer Laufleistung einen sehr guten Wettbewerbsvorteil. Leider schaffen wir es nicht, diese Botschaft nachhaltig im Land zu verbreiten. Daran gilt es weiter zu arbeiten."

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