Ausgabe 18/2011: Schleichendes Gift

Schleichendes GiftWerbung und Restwerte E Marktbeobachter Schwacke hat die Wechselwirkung von aggressiven Werbekampagnen und der späteren Restwert-entwicklung der beworbenen Modelle untersucht. von Wolf UsslerMit oft marktschreierischen Werbeaktionen versuchen Autohersteller immer wieder, ihre Neuwagen in den Markt zu drücken. Da wird mit Null-Prozent-Finanzierung geworben, mit Sonderleasing-Konditionen oder mit satten Preisnachlässen um Kunden gebuhlt. Doch die in TV-Spots, Anzeigen und auf Plakaten aggressiv offerierten Preisvorteile sind für die betreffenden Hersteller und den betroffenen Handel eher kontraproduktiv. Denn die Aktionen, die den Kunden ins Autohaus locken sollen, haben einen „grundsätzlich negativen“ Einfluss auf die Restwerte der beworbenen Modelle. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Schwacke.Eindeutiger ZusammenhangVon 2007 bis 2010 hat der Anbieter von Daten und Analysen des Automobilmarkts die Restwertentwicklung bei den neun volumenstärksten Marken auf dem deutschen Markt untersucht. Während dieser Zeit haben die Dienstleister aus dem hessischen Maintal rund 13.000 Kampagnenmonate der Marken BMW, Audi, Mercedes, VW, Ford, Opel, Skoda, Toyota und Peugeot für bestimmte Brot-und-Butter-Modelle ins Visier genommen. Das Resultat des Projekts lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Je aggressiver die Kampagne, desto höher der Verfall des Restwerts bei den beworbenen Modellen. Sparkönige Skoda, Ford und OpelLaut der intensiven Marktbeobachtungen der Hessen verzeichnete beispielsweise die Marke Skoda im Jahr 2007 die niedrigsten Restwerte. 2008 folgte dann auf dieser Position der Hersteller Ford. Die Kölner wurden ein Jahr später von Opel als Schlusslicht abgelöst, und 2010 übergaben die Rüsselsheimer den Stab wieder an Ford. Glaubt man den Schwacke-Auguren, so lagen die jeweils niedrigsten Restwerte dieser drei Marken aber oft dicht beieinander. Gleichwohl dümpelten diese Marken keineswegs während des gesamten Untersuchungszeitraums am Ende der Skala. Ford, Opel und Skoda schafften es immer wieder, durchaus auch ins Mittelfeld der Restwertentwicklung vorzustoßen – wenn die Kampagne weniger aggressiv war.Betroffen von der Negativentwicklung durch Werbekampagnen waren in erster Linie die Volumen-, weniger die Premiummodelle. Denn Hersteller von Fahrzeugen der oberen Preiskategorie finden ihre Klientel in der Regel weniger unter der mit dem Rotstift rechnenden Kundschaft und setzen deshalb bei ihrem Marketing mehr auf leise denn auf laute Töne. Viel schadet vielWelche Spuren die Restwertentwicklung der mit vielen Preisvorteilen gepushten Modelle in den Bilanzen der betroffenen Hersteller und Händler hinterlässt, bleibt deren streng gehütetes Geheimnis. Die rund fünfzigseitige Studie der Maintaler Marktbeobachter zeigt aber, dass der Restwert von verschiedenen Parametern beeinflusst wird. Dies sind Länge und Wiederholungsintervalle der Aktion, deren Verbreitungsgebiet und nicht zuletzt Art und Umfang der in der Kampagne beworbenen Vorteile. Also: Handelt es sich hierbei um eine eher diskrete Offerte, etwa verpackt als günstiges Finanzierungspaket, oder aber um einen plakativ in Euro und Cent herausgestellten Preisnachlass?Fakt ist, je länger, je aggressiver und je öfter der Kunde mit einer Werbebotschaft attackiert wird und je offener Art und Umfang des Preisvorteils herausgestellt werden, desto negativer die Auswirkungen auf den späteren Restwert (s. Grafik). „Dies gilt besonders im Fall von Bar-Rabatten“, so Michael Kleber, Projekt Manager Consulting bei Schwacke. Und je höher diese sind, desto gravierender die Auswirkungen auf den späteren Restwert. Kollektives GedächtnisGemeint ist hierbei nicht etwa der von einem Händler gewährte Nachlass für einen guten langjährigen Kunden, der im Büro diskret unter vier Augen ausgehandelt wurde. Nein, vielmehr handelt es sich um die massenweise gewährten Rabatte für bestimmte Modelle, die im Mittelpunkt einer Werbekampagne mit hoher Reichweite stehen. Genau aber diese Aktionen brennen sich nachhaltig in das kollektive Gedächtnis der Zielgruppe ein. Folge: Das einstige Schnäppchen lässt sich als späterer Gebrauchtwagen nur mit entsprechend deutlichen Abschlägen verkaufen. Denn für den Verbraucher gilt: Was weniger kostet, ist auch weniger wert.Bitter für den HandelBitter ist dies für den Handel und sein Gebrauchtwagengeschäft. Mehr noch: Wenn ein Hersteller mit hohem Bar-Rabatt etwa für ein Kleinwagen- oder Kompaktmodell wirbt, weckt dies nicht selten darüber hinausgehende Begehrlichkeiten. Kleber: „Das tolle Schnäppchen verleitet viele Kunden zu der Annahme, dass bei dieser Marke eine große Preisflexibilität auch für den Rest der Modellpalette herrscht.“ Entsprechend groß sei mithin die Erwartungshaltung beim Gang ins Autohaus. Natürlich weiß auch Kleber, dass Autohersteller ohne verkaufsfördernde Kampagnen für das eine oder andere Modell nicht auskommen. Diese müssten natürlich auch auf die Konkurrenz reagieren. Jedoch mahnt der Consulter an, dass Hersteller auch im beinharten Kampf um Kunden und Marktanteile „Kampagnen restwertschonend planen sollten, indem sie ihre Ziele beim Neuwagenvertrieb einerseits und bei Restwerterhalt andererseits ausgewogen aufeinander abstimmten.“ Dazu schlägt Schwacke nicht nur das regelmäßige Verfolgen eines speziellen Aggressivitätsindexes vor. Hier sollten Hersteller „ihre eigene Aggressivitäts- und Restwertposition in Relation zu ihren Wettbewerbern einfließen lassen“. Darüber hinaus plädiert Kleber auch für einen stärkeren Dialog des Herstellers mit seinem Handel über anstehende Kampagnen. Bei dieser Art von Gesprächen gehe es nicht nur darum, den kurzfristigen Vorteil eines Mehrabsatzes durch eine Kampagne gegen eventuelle spätere Nachteile abzuwägen. Vielmehr müssten hierbei auch andere Formen der nachhaltigen Kundengewinnung und -bindung eine Rolle spielen. zLesen SIe hier...... inwiefern sich Werbekampagnen ins kollektive Gedächtnis der Zielgruppen einbrennen und warum Hersteller einen „Aggressivitätsindex“ verfolgen sollten.KurzfassungAutomotive-Daten- und -Analysenanbieter Schwacke hat in einer Studie untersucht, wie sich die Restwerte von Fahrzeugen entwickeln, für die die Hersteller besonders aggressiv Werbung gemacht haben. Kurz gesagt: Die plakativen Aktionen, besonders solche, die mit Bar-Rabatten locken, haben einen „grundsätzlich negativen“ Einfluss auf die Restwerte der beworbenen Modelle.Betroffen sind eher Volumen- als Premiummodelle, und der Restwert wird umso niedriger eingestuft, je länger und aggressiver die Kampagne war. Michael Kleber, Projekt Manager Consulting bei Schwacke, rät Herstellern, in einem „Aggressivitätsindex“ die Gestaltung der Kampagnen und das jeweilige Restwertniveau in Relation zu setzen. Schneller und hoher Absatz zu Lasten der Restwerte vergiftet langfristig den Markt. Außerdem sollte vor anstehenden Kampagnen das Gespräch mit dem Handel gesucht werden.

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