Ausgabe 10/2014: Statusfrage

In der Praxis ist die Versicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers immer wieder von erheblicher Bedeutung. Dabei sind die Folgen aus der Sicht des Geschäftsführers je nach Sachverhalt diametral entgegengesetzt zu sehen: Wäre man eigentlich nicht versicherungspflichtig und zahlt trotzdem jahrelang in die gesetzliche Rentenversicherung ein, so kann trotz Einzahlung kein Rentenanspruch bestehen. Zahlt man jedoch nicht ein und stellt sich nachträglich das Vorliegen der Versicherungspflicht heraus, so sind Beiträge nachzubezahlen, die die private Liquiditätsplanung erheblich durcheinanderbringen können. Am gravierendsten können die Auswirkungen im erstgenannten Fall sein, wenn nämlich die jahrelang einbezahlten Beträge nicht zu einem Rentenanspruch führen, eine Beitragsrückzahlung jedoch wegen der Verjährung ausgeschlossen ist. Die Einzahlung in die Versicherung ohne Rentenanspruch als absoluter worst case! Unabhängigkeit Eine selbständige, unabhängige Tätigkeit liegt nach der gesetzlichen Regelung (Sozialgesetzbuch IV § 7 Abs. 1) nicht vor, wenn eine Beschäftigung nach Weisungen und unter Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Daher ist sicherlich klar, dass ein Geschäftsführer, der zum einen mehrheitlich an seiner eigenen Gesellschaft beteiligt ist und auch mit seiner Stimme in der Gesellschafterversammlung die Entscheidungen treffen kann, unabhängig von Weisungen ist. Typisch unabhängig ist natürlich der Ein-Mann-Gesellschafter-Geschäftsführer, über dessen Rentenversicherungspflicht man nicht nachzudenken braucht. Gleiches gilt für den Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer, der nach Gesellschaftsvertrag mit seiner Mehrheit praktisch jegliche geschäftsleitenden Beschlüsse durchsetzen kann. Eine solche "Weisungsgebundenheit" kann aber auch schon bei einem Mehrheits-Gesellschafter, der mehr als 50 % der Stimmrechte einer Gesellschaft hält, dann eintreten, wenn er laut Gesellschaftsvertrag bei bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen ausdrücklich einem Abstimmungsverbot, also einer Stimmenthaltung, unterliegt. Denn dann können je nach vertraglicher Regelung die anderen Gesellschafter mit ihren Minderheitsstimmen bei Stimmverbot des Mehrheitsgesellschafters durch Weisungen in die Geschäftsführung eingreifen. Solche gesellschaftsvertragliche Klauseln kommen in der Praxis jedoch höchst selten vor, ein Mehrheits-Gesellschafter wird sich kaum von den Minderheits-Gesellschaftern überstimmen lassen wollen. Allerdings gibt es bei Gesellschaften, in denen ein Gesellschafter quotal die Mehrheit der Stimmrechte hätte, oftmals die Regelung, dass er bestimmte Beschlüsse nur mit Zustimmung eines oder mehrerer anderer Gesellschafter durchsetzen kann (qualifizierte Mehrheit). Doch auch dies allein spricht noch nicht automatisch gegen eine selbständige Tätigkeit, denn insoweit können zumindest die anderen Gesellschafter auch nicht Weisungen an den Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer beschließen. Oder unselbständig? Mit solch einer qualifizierten Mehrheit nähern wir uns aber bereits der Grenze zu einer gewissen Unselbständigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers: Ist nämlich kraft Gesellschaftsvertrag (Satzung der Kapitalgesellschaft) der Geschäftsführer in seiner Geschäftstätigkeit dadurch beschränkt, dass er nahezu zu allen wesentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen zuvor die Zustimmung der Gesellschafterversammlung benötigt, könnte er letztlich ohne entsprechende Zustimmung seiner Mitgesellschafter die Geschäftsführung nicht wahrnehmen. Damit ist auch der Gesellschafter-Geschäftsführer trotz seiner prozentualen Stimmenmehrheit, jedoch unterhalb der vertraglich fixierten qualifizierten Mehrheit in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Gesellschaftern, mithin in Abhängigkeit zur Gesellschafterversammlung. Damit zeigt sich bereits ein kritischer Fall, bei dem man durchaus getrennter Auffassung sein kann, ob noch eine Weisungsungebundenheit im Sinne des Sozialrechts besteht. Auch die Entscheidung von Gerichten könnte bei solchen Sachverhalten durchaus unterschiedlich ausfallen, je nach Umfang und Inhalt der Knebelungen im Gesellschaftsvertrag. Umgekehrt muss aber auch nicht jeder Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer automatisch in einem sozialversicherungsrechtlich abhängigen Verhältnis stehen: Hat eine Gesellschaft einen Minderheits- und einen Mehrheitsgesellschafter, besteht somit aus zwei Gesellschaftern, und ist der Minderheitsgesellschafter alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft, kann bei einem vereinbarten Kopfstimmrecht der Mehrheitsgesellschafter alleine in Gesellschafterversammlungen keine Beschlüsse über Weisungen an den Geschäftsführer fassen. Ist sodann dem Geschäftsführer aufgrund der Satzung kein zu enges Korsett für die durch die Gesellschafterversammlung zustimmungspflichtigen Geschäften auferlegt, unterliegt er praktisch keinen Weisungen und ist durchaus als "unabhängig" einzustufen. Grenzen fließend Noch ein besonderes kritisches Beispiel liegt bei drei gleichrangigen Gesellschafter-Geschäftsführern, die jeweils einzeln zur Geschäftsführung befugt sind, besonders dann vor, wenn jeder von ihnen auch noch Spezialist für eine besondere Sparte des Unternehmens wäre: Zwar ist jeder Geschäftsführer durch die Mehrheitsentscheidung der anderen beiden Gesellschafter-Geschäftsführer weisungsabhängig. Doch die Tatsache, dass dies bei jedem Gesellschafter-Geschäftsführer die gleiche Konstellation ergäbe und somit jeweils einer auf den anderen angewiesen ist, könnte man auch von einer gewissen Selbständigkeit des Geschäftsführers ausgehen, vor allem, wenn besondere Spezialkenntnisse jeweils eine faktische Selbständigkeit in und über die jeweilige Sparte des einzelnen Geschäftsführers begründen. Denn insbesondere frühere Rechtsprechung hat in solchen Fällen aufgrund gleichgerichteter Interessen der Geschäftsführer eine Unabhängigkeit durchaus bejaht, wobei es immer auf den Einzelfall und insbesondere die detaillierten Regelungen im Gesellschaftsvertrag ankommen dürfte. Risiko vermeiden Nach wohl herrschender Meinung ist das Geld bei der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig schlechter angelegt als in einer eigenen privaten Vorsorge - damit ist aber keinesfalls Riester, Rürup und Ähnliches gemeint! So wird seitens der Geschäftsführer nach Möglichkeiten gesucht, die gesetzliche Rentenversicherungspflicht zu vermeiden. Ist man aber nicht Alleinherrscher "seines" Unternehmens, zeigen die genannten Beispiele auch Grenzfälle auf, in denen man nur bei einer verbindlichen Aussage Gewissheit für die Zukunft hat und vor nachträglichen Überraschungen geschützt wird. Hierzu gibt es das gesetzlich vorgesehene "Statusfeststellungsverfahren" bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund. Kurzfassung 1. Von den meisten wird die gesetzliche Rentenversicherung wohl zu Recht als eine schlechte Altersvorsorge angesehen.2. Gesellschafter-Geschäftsführer neigen daher zu einer möglichen Gestaltung, um der Versicherungspflicht zu entgehen.3. Die dabei oft schwammigen Grenzen zwischen versicherungsfreier Selbständigkeit und einer abhängigen Beschäftigung sind fließend.4. Absicherung vor Überraschungen bietet insoweit nur das Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund. Kommentar » Wie so viele Bereiche bietet auch das Sozialversicherungsrecht in Deutschland negative Überraschungen, die Auswirkungen auf die betroffenen Personen und - wie in diesem Fall - auch auf Unternehmen haben können, die die Beiträge abgeführt haben. Angesprochen seien hier nur kurz die zu klärenden Fragen nach der Schuld oder dem Erstattungsrecht. Um über die Sozialversicherungspflicht von vornherein Klarheit zu schaff en, ist das Statusverfahren eingerichtet worden. Es wäre daher unklug, das Statusfeststellungsverfahren zu unterlassen oder gar mit falschen Angaben einen falschen Status zu erlangen.« Horst Neubacher Wirtschaftsprüfer Steuerberater www.raw-partner.de

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