Interview: Stückprüfung und Kalibrierung aus einer Hand

AH: Seit Sommer 2017 ist die esz AG als Kalibrierlabor anerkannt. Wie viele Bremsprüfstände wurden kalibriert? D. Beuscher: Die esz AG ist als Kalibrierlabor nach DIN ISO 17025 seit 20 Jahren akkreditiert. Seit Juni 2017 jedoch haben wir ganz offiziell die Akkreditierung zur Kalibrierung von Bremsprüfständen. Damit waren wir mit Abstand die Ersten, die durch die DAkkS dafür anerkannt wurden. Nachdem wir mit dem System live gegangen sind, sprich allen Bevollmächtigten die Kalibriersoftware freigeschaltet haben, wurden in Deutschland knapp 18.200 Bremsprüfstände kalibriert. AH: Wird bei der Regelung für Scheinwerfereinstellgeräte bzw. Bremsenprüfstände mit Kanonen auf Spatzen geschossen? D. Beuscher: Man muss zumindest die Frage stellen, ob im Bereich der Bremsenprüfung eine Genauigkeit von 2 Prozent erforderlich ist. Es gibt bei der realen Messung in der Werkstatt so viele Parameter alleine rund um das Fahrzeug, die sich auf die Messgenauigkeit auswirken und die Anwendungsunsicherheit erhöhen. Strenggenommen müsste man auch diese Faktoren berücksichtigen. Andererseits kann man so argumentieren, dass eine Verbesserung der Messqualität im Interesse aller Beteiligten liegt. AH: Wie funktioniert das Bevollmächtigten-Konzept? D. Beuscher: Das Bevollmächtigten-Konzept ist zunächst aus einer Notsituation heraus entstanden. Ende 2016 hatten wir bereits die ersten Verfahren zur rückgeführten Kalibrierung von Bremsprüfständen entwickelt. Schnell merkten wir jedoch, dass unser eigenes Personal nicht im Ansatz einen Markt bedienen kann, der um die 40.000 Prüfstellen umfasst. So musste zeitnah eine Lösung gefunden werden. Da die Masse an Prüfstellen und der dort verbauten Bremsprüfstände ja in den Jahren zuvor stückgeprüft und gewartet werden musste, musste es zwangsläufig auch genug fachkundiges Personal in Deutschland geben. Dieses Personal, welches von Herstellern, Händlern, Servicebetrieben und Überwachungsorganisationen kommt, wurde durch ein umfassendes Schulungskonzept dazu befähigt, im Auftrag der esz AG Kalibrierungen auszuführen. AH: Das heißt Stückprüfung und Kalibrierung kommen dann aus einer Hand? D. Beuscher: Ein sachkundiger Techniker macht in der Werkstatt vor Ort seine Stückprüfung und schließt daran nahtlos die Kalibrierung an. Wir sorgen damit auf der einen Seite dafür, dass diese Servicebetriebe und deren Techniker weiter handlungsfähig bleiben, und auf der anderen Seite dafür, dass der Werkstattbetreiber nur einmal die Anfahrt bezahlen muss und auch nur einmal sein Prüfstand blockiert ist. Auch wenn es nicht einfach war, dieses völlig neuartige Konzept akkreditiert zu bekommen, so haben wir es doch geschafft. Dass es sich bewährt hat, sieht man an den Zahlen der bereits erfolgten Kalibrierungen. AH: Welche Rolle spielt dabei die esz AG? D. Beuscher: Unser Ansatz war es, möglichst eine "Alles-aus-einer-Hand-Lösung" anzubieten. Man kann diese in drei grobe Komponenten aufteilen. Wir bieten zunächst umfangreiche Schulungsmaßnahmen für die Befugniserteilung zur Kalibrierung an. In den Schulungen wird insbesondere auch auf die Anwendung der Kalibriersoftware "calibration expert" eingegangen. Diese sehr potente Software gibt es so kein zweites Mal im Markt. Womit wir beim zweiten Schritt wären: Allen Bevollmächtigten steht die Software zur Verfügung, welche den Grundstein für die gesamte Infrastruktur der Kalibrierung darstellt. Um dann auch tatsächlich akkreditierte Kalibrierungen im Feld anbieten zu können, brauchen alle 643 bevollmächtigten Techniker rückgeführtes Messwerkzeug. Hier schließt sich dann der Kreis hin zur Kernkompetenz der esz AG - Das Kalibrieren von Messmitteln. Denn alle notwendigen Messgeräte zur Bremsprüfstandskalibrierung können durch uns kalibriert werden. Ein besonders wichtiger Punkt ist schließlich die Akkreditierung selbst. Dadurch, dass wir unsere Akkreditierung einer doch recht großen Masse zur Verfügung stellen können, muss nicht jeder Hersteller oder jede Überwachungsorganisation selbst eine Akkreditierung in Angriff nehmen. AH: Warum hat es so lange gedauert, bis Prüflabore ihre Dienste anbieten konnten? D. Beuscher: Das hat sicherlich viele verschiedene Ursachen. Zunächst gibt es eine sehr große Vielfalt an Bremsprüfständen in Deutschland. Durch uns sind aktuell 254 verschiedene Modelle kalibrierbar. Entsprechend viele technische Unterschiede gibt es von Hersteller zu Hersteller und von Modell zu Modell. Es bedeutet jede Menge Arbeit, all diese messtechnisch zu untersuchen und zu beschreiben. Zum anderen ist der Weg zur Akkreditierung sehr langwierig. Wir reden hier von einem Zeitraum zwischen Antragsstellung und positivem Bescheid von mindestens 12 Monaten. Wir haben tatsächlich "nur" 12 Monate benötigt, da wir eben sehr gut wissen, was generell an Dokumentensätzen seitens der DAkkS gefordert ist und wie das Verfahren insgesamt aufgebaut ist. AH: Wie ist die Situation bei Scheinwerfereinstellgeräten? D. Beuscher: Bei diesen Geräten bzw. dem Systemverbund aus Gerät und den Aufstellplätzen ist die Vielfalt nicht so ausgeprägt wie bei Bremsprüfständen. Das Verfahren zur Vermessung und Kalibrierung kann herstellerübergreifend und daher universell angewandt werden. Die einzige Herausforderung stellt dabei das eine oder andere kamerabasierte, digitale SEP dar. Hier kann es vorkommen, dass der einfallende Laserstrahl, der zur Kalibrierung in das Gerät einstrahlt, nicht als Lichtquelle erkannt wird. AH: Welches Kalibrierverfahren wird jeweils bei Bremsprüfständen verwendet - ist das herstellerabhängig? D. Beuscher: Ja, hier werden die bereits erprobten und bekannten Verfahren aus den Stückprüfungen verwendet. Hier hat zwar jeder Hersteller sein eigenes Tool, welches zum Einsatz kommen muss, diese sind aber bereits bei allen unseren Partnern vorhanden und die Techniker im Umgang damit sehr versiert. AH: Welche Prüfstände sind überhaupt kalibrierbar? D. Beuscher: Grundsätzlich ist jeder Prüfstand kalibrierbar, wenn es ein definiertes Verfahren dafür gibt; damit ist allerdings noch nicht sichergestellt, dass der Prüfstand dann auch die erforderliche Messgenauigkeit erfüllt. Man muss hier beachten, dass die Erstellung einer Kalibrierbeschreibung eines Bremsprüfstandes mit Kosten für den Hersteller verbunden ist. Bei älteren Geräten, von denen vielleicht nur noch wenige Geräte im Markt sind, lohnt sich aus Sicht des Herstellers der Aufwand nicht. Das gilt vor allem für Prüfstände, die von ihrer technischen Beschaffenheit die Anforderungen der Bremsprüfstandsrichtlinie ab 2020 nicht erfüllen, wenn beispielsweise der Rollendurchmesser nicht stimmt oder andere technische Eigenschaften nicht erfüllt werden. AH: Welche Hilfestellung bietet die esz AG den Werkstätten? D. Beuscher: Wir halten auf unserer Internetseite eine aktuelle Liste mit allen kalibrierbaren Bremsprüfständen bereit. Darunter befinden sich durchaus Geräte, die vor 2011 installiert wurden. Darüber hinaus findet man dort auch eine Übersicht über unsere Netzwerkpartner, die diese Prüfmittel kalibrieren. AH: Beraten Sie auch? D. Beuscher: Wir haben im Rahmen unserer Entwicklungsarbeit automatisch eine beratende Funktion in verschiedenen Ausschüssen und Gremien erlangt. Dort ist unser Know-how gefragt. Auch viele Endkunden wissen oft nicht, was sie tun müssen. Daher bekommen wir auch immer wieder Anfragen von Werkstätten. Die Endkundenberatung ist aber nicht unsere Kernaufgabe. Der erste Ansprechpartner wäre für Werkstätten der Großhändler oder der Hersteller des Prüfstandes. AH: Welche Kosten fallen an? D. Beuscher: Wir haben keinen direkten Einfluss auf die Preise unserer Netzwerkpartner, da wir nur einen Fixbetrag pro erstelltem Kalibrierschein erheben. Im Vergleich zur Stückprüfung dürften sich die Kosten bei Bremsenprüfständen aber etwa verdoppeln. Was früher 350 Euro gekostet hat, kostet jetzt rund 600 Euro. Die höheren Preise sind aufgrund des damit verbundenen Aufwandes sicher gerechtfertigt. Beim Scheinwerfereinstellgerät dürften sich die Preise im Vergleich zur Stückprüfung ebenfalls etwa verdoppeln. Der Zeitaufwand ist größer und die Messtechnik viel aufwändiger. Interview: Dietmar Winkler Historie esz AG Die esz AG wurde vor über 40 Jahren von Herrn Dipl.-Ing. Siegfried Fleischmann gegründet und war zunächst ein Service- und Reparaturbetrieb für Messtechnik. Steigende Nachfragen bezüglich der Kalibrierung solcher Messgeräte ließen Herrn Fleischmann sein Geschäftsmodell erweitern. So entstand daraus ein Kalibrierlabor. Heute zählt der Betrieb an 7 Standorten rund 140 Mitarbeiter und ist in zweiter Generation inhabergeführt. Die fast 200 akkreditierten Größen, welche sich die esz AG bereits erarbeitet hat, erstrecken sich über die Bereiche Elektrik, Hochfrequenz, Optik, Mechanik, Länge, Thermodynamik und nun eben auch Kfz-Prüftechnik.

Interview: Stückprüfung und Kalibrierung aus einer Hand

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