Service-Fabrik: Time is money

AH: Herr Dr. Daldrup, Sie sagten im Vorgespräch, dass beim Thema "Service-Fabrik" gerade viel Bewegung im Markt ist. Woran machen Sie das fest? H. Daldrup: Die zunehmende Konzentration in der Automobilbranche und wachsender Wettbewerb erfordern die Neudefinition von Geschäftsmodellen und Prozessabläufen. So sind Synergien zu schaffen, die Effizienz ist zu steigern, Abläufe sind zu beschleunigen und Kosten müssen gesenkt werden - und dies alles bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung. Hierfür müssen Prozessabläufe in vielen Bereichen grundlegend neu gedacht und die Potenziale aus technologischen Entwicklungen genutzt werden. Das Besondere an einer "Service-Fabrik" sind eigentlich nicht die Gebäude, sondern der dahintersteckende Prozess. AH: Schon seit einiger Zeit spielen Synergien im Zuge der Konsolidierung hin zu größeren Autohandelsgruppen eine wichtigere Rolle. Wie kann sich der Handel im Gebraucht-wagengeschäft stärker professionalisieren? H. Daldrup: Durch die Zusammenlegung von Prozessen, die früher an mehreren oder allen Standorten einer Autohandelsgruppe mit jeweils eigenen dezentralen Abläufen stattfanden, lassen sich "economies of scale" erzielen. Diese "Skaleneffekte" größerer Produktionsmengen sind in der Automobilbranche kein unbekanntes Phänomen - es ist ja nicht unbekannt, dass Henry Ford die Produktivität und Effizienz mit der Fließbandproduktion revolutioniert hat. Weiterer Vorteil für alle Händlerstandorte ist, dass die Autohäuser mit den häufig beengten Innenstadtlagen durch Auslagerung der Gebrauchtwagenaufbereitung entlastet werden und ihre Kernaktivitäten ökonomischer strukturieren, d. h. die regionalen Kunden vor Ort besser betreuen können. AH: Was versteht man unter einer "Service-Fabrik" im Autohandel? H. Daldrup: Die "Service-Fabrik" ist nicht mit einer großen Werkstatt bzw. einem großen Service-Center zu verwechseln. Während im Service-Center der Kontakt zum Kunden im Vordergrund steht, finden in der "Service-Fabrik" rein interne Prozesse statt. Wie in einer herkömmlichen Fabrik ist das "Werksgelände" für Kunden nicht zugänglich. Das Gelände der "Service-Fabrik" ist eingezäunt und beispielsweise durch Versickerungsgräben gesichert. Mitarbeiter und Servicedienstleister erhalten nur kontrolliert Zutritt. Ebenso werden die Waren, also die Pkw und Nutzfahrzeuge, über ein "Check-In-System" eingeschleust. Daher können die Fahrzeuge auf dem Werksgelände der "Service-Fabrik" unverschlossen bleiben und die aufwendige Schlüsselverwaltung entfällt damit weitestgehend. AH: Welche Funktionen/Arbeitsbereiche deckt die "Service-Fabrik" in der Regel ab? H. Daldrup: Der Bearbeitungsprozess beginnt, nachdem das Fahrzeug die Waschstraße durchlaufen hat, mit der Begutachtung. Die Ergebnisse der Begutachtung ermöglichen, dass der Gebrauchtwagen bereits bevor die Reparatur und Aufbereitung begonnen hat, in die Online-Vermarkung eingestellt wird. Dies zwar zunächst noch mit vorläufigen Fotos, Videos, Gutachten - aber hier gilt: "Time is money". Die Durchlaufzeiten werden in der Service-Fabrik stark reduziert. Natürlich werden mit dem Gutachterbericht auch die Arbeiten, die sich in der Servicefabrik anschließen, festgelegt. Die Reparatur und Instandsetzung erfolgt in den Werkstätten für Pkw oder für Nutzfahrzeuge. Die Arbeitsabläufe lassen sich aufgrund der Begutachtung optimal planen. Auch hier werden Fehlzeiten und unproduktive Standzeiten auf ein Minimum reduziert. Lackschäden werden in der eigenen Lackiererei oder im Bereich Smart Repair beseitigt, bevor das Fahrzeug in die Aufbereitung kommt. Die professionellen Foto-/Videoaufnahmen werden in den vorbereiteten 360-Grad-Fotoboxen erstellt und automatisch in die Online-Vermarktung übertragen. Die Auslieferung kann dann in einem an der "Service-Fabrik" angegliederten "Verkaufs-Satelliten" oder an den anderen Standorten der Autohandelsgruppe erfolgen. Durch die zentrale Aufbereitung lässt sich die Dauer der Standzeit von der Hereinnahme bis zum auslieferungsfertigen Fahrzeug erheblich verkürzen. Funktion definiert Form AH: Wenn es vor allem um Prozesse und Synergien geht: Steht die Funktion hier beim Bauen im Vordergrund? H. Daldrup: Die Funktionen definieren, wie die Gebäude auf dem Areal platziert werden und wie groß die jeweiligen Funktionsbereiche bzw. Baukörper geplant werden. Nicht zu vergessen ist, dass die Funktionsabläufe auch auf dem Betriebshof zu optimieren sind. Wir vertreten hier die Auffassung, dass nicht alle Funktionen in einem einzigen Gebäude abgebildet werden sollten, sondern, dass sich die Abläufe durch eine durchdachte Gebäudestruktur mit mehreren Gebäuden häufig deutlich sinnvoller darstellen lassen. AH: Gibt es Unterschiede zur Planung von Autohaus-Showrooms und -Werkstätten? H. Daldrup: Ja, die Unterschiede sind erheblich. Über allem steht das zentrale Ziel: Prozessoptimierung! Da es in der "Service-Fabrik" keinen Kundenkontakt gibt, stehen hier Fragen einer wirtschaftlichen Bauweise und des kostengünstigen Gebäudebetriebes deutlich stärker im Vordergrund. Das heißt konkret, dass wir in unsere "Service-Fabrik-Projekte" all unsere Erfahrungen aus der Planung und dem Bau von Autohäusern, Kfz-/Nfz-Werkstätten und K&L-Betrieben einfließen lassen und die Baukonstruktion, Materialien und Haustechnik diesem Credo anpassen. Architektonische Ansprüche, die bei vielen markengebundenen Autohäusern wichtig sind, treten dagegen bei der "Service-Fabrik" deutlich zurück. Nichtsdestotrotz sind aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels attraktive Arbeitsplätze für die Mitarbeiter zu schaffen. AH: Ist es schwer, Fachkräfte für die "Service-Fabrik" zu bekommen? H. Daldrup: Das ist für viele Unternehmen heute und zukünftig eine zentrale Herausforderung. Aber der Arbeitsplatz in einem klassischen Autohaus bietet gegenüber einer "Service-Fabrik" keine Vorteile. Durch die Spezialisierung lassen sich auch im Personalbereich neue Potenziale realisieren. Beispielsweise können "Car Jockeys" als Prozessbeschleuniger die Fahrzeuge von einer Station zur nächsten Station fahren - dies müssen keine ausgebildeten Fachkräfte sein. Zudem ist nicht zu vergessen, dass die Durchführung der einzelnen Bearbeitungsschritte nicht notwendigerweise durch eigenes Personal erfolgt. Vielmehr bietet es sich in bestimmten Bereichen an, mit Dienstleistern zu kooperieren. So können etwa Gutachten durch externe Sachverständige die Vermarktung unterstützen oder durch die Vergabe von Leistungen an externe Aufbereitungsdienstleister lassen sich die Kosten weiter reduzieren. Natürlich ist der Arbeitsplatz dieser "externen Firmen" am Standort der "Service-Fabrik". Standort ist entscheidend AH: Gibt es für die Standortwahl spezielle Voraussetzungen? H. Daldrup: Die "Service-Fabrik" muss möglichst zentral im Marktgebiet der Autohandelsgruppe liegen, so dass die Wege von allen Standorten des Autohauses möglichst kurz gehalten werden. Es muss ein guter Logistik-Standort sein, das heißt die Anbindung an Autobahnen, Schnellstraßen und Bahnhöfe sollte gegeben sein - für die Fahrzeuglogistik wie auch für die Erreichbarkeit der Beschäftigten sowie für die Fahrzeugabholung. Das Grundstück liegt üblicherweise außerhalb von Ortschaften in B-Plangebieten mit wenig Einschränkungen. In diesen Lagen sind die Grundstückspreise häufig noch bezahlbar. Nicht zu vergessen ist die Erschließung mit Glasfaser für die digitalen Vermarktungsprozesse sowie die ausreichende Stromversorgung zum Aufbau der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität. AH: Das sind ja in der Regel ambitionierte Projekte: Von welchen Flächengrößen und Investitionskosten sprechen wir? H. Daldrup: Das hängt natürlich stark davon ab, wie viele Fahrzeuge jährlich durch die Service-Fabrik geschleust werden sollen. Bei einem Durchlauf von jährlich mind. 20.000 bis zu 40.000 Fahrzeugen planen wir etwa mit einer Grundstücksgröße von 40.000 Quadratmetern und einer Investition, die in Richtung zehn Millionen Euro geplant werden sollte. Wie gesagt - diese Kennzahlen können in Abhängigkeit von der konkreten Planung erheblich variieren. Bei Investitionen in dieser Größenordnung ist Planungssicherheit besonders wichtig. Daher erhalten unsere Bauherren für ihre mit uns entwickelten Projekte und die Entwurfsplanung von uns ein Festpreisangebot mit garantierter Bauzeit. Wir können sämtliche Planungs- und Bauleistungen aus einer Hand erbringen, wobei Handwerksbetriebe aus der Kundschaft unserer Bauherren immer mit in die Projektrealisierung einbezogen werden. AH: Steuern Sie als Generalunternehmer auch die Koordinierung mit Werkstattausrüstern oder Inneneinrichtern? H. Daldrup: Wir haben bereits über 1.500 Kfz-Betriebe komplett geplant und schlüsselfertig realisiert. Wir haben daher ein enormes Know-how in unserem Unternehmen gebündelt. Unsere Erfahrung zeigt, dass es sehr wichtig ist, sich bereits in der frühen Planungsphase mit den Herstellern von Lackieranlagen, Werkstattausrüstern, Lagereinrichtern sowie vielen weiteren am Bau Beteiligten, beispielsweise auch den Genehmigungsbehörden, intensiv abzustimmen. Dies ist eine zentrale Aufgabe unserer Projektentwicklung sowie unserer Planungsabteilung - wir übernehmen diese Aufgaben, so dass sich unsere Bauherren auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. AH: Wie sieht es mit Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus? H. Daldrup: Energieeffiziente Gebäude sind für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Mit unserem Beratungskonzept "Effizienz & Klima Plus" ermöglichen wir Bauweisen, mit denen Bauherren Fördermöglichkeiten nutzen, Betriebskosten senken, die Rendite steigern und gleichzeitig die Umwelt schonen. Zunehmend rückt nachhaltiges Bauen von der Errichtung bis zum Rückbau und Recycling immer stärker in den Fokus, z. B. bei der Kreditwürdigkeitsprüfung oder der Umweltberichterstattung. Hierzu erstellen wir auf Wunsch "Öko-Bilanzen", die den gesamten Lebenszyklus der Immobilie umfassen. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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