Fernabsatzverträge: Tücken des Online-Handels

Grundsätzlich heißt es: Pacta sunt servanda - Verträge sind zu halten. Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt es allerdings u. a. bei sogenannten Fernabsatzverträgen, z. B. per E-Mail, zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Hier steht dem Kunden ein einseitiges Widerrufsrecht von 14 Tagen ab Ablieferung der Ware zu, worüber er auch zu belehren ist. Der Händler sollte jedoch zunächst einmal prüfen, ob kein Ausnahmefall vorliegt. Unabhängig von der Verbrauchereigenschaft versuchen Kunden gelegentlich auch, einen wirksamen Vertragsschluss abzustreiten, indem sie sich auf den fehlenden oder verspäteten Zugang von E-Mails berufen.Widerrufsrecht bei FernabsatzverträgenIn § 312 c des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird als Voraussetzung für einen Fernabsatzvertrag definiert, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolgt und weiter, dass der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss "ausschließlich" Fernkommunikationsmittel (neben E-Mails auch Telefonanrufe, Briefe, SMS, Telefaxe etc.) verwenden.Bei einem Kraftfahrzeughändler, der grundsätzlich seine Fahrzeuge im Autohaus vertreibt und nur gelegentlich und eher zufällig beispielsweise Bestellungen per E-Mail annimmt und ausführt, sollte kein Unterhalten eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems anzunehmen sein. Das lässt sich auch aus der vom höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof (BGH), getroffenen Gesetzesauslegung ableiten (BGH NJW 2017, S. 1024 und 2019, S. 303). Das Nichtvorhandensein eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems ist aber durchaus eng auszulegen, wobei die Bewertung des Einzelfalles natürlich vom Gusto des Gerichts abhängt. Aufwändige organisatorische Vorkehrungen sind für die Annahme eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Unternehmer planmäßig mit dem Angebot zur Bestellung z. B. per E-Mail und Lieferung der Ware wirbt und sein Betrieb so organisiert ist, dass Verträge regelmäßig auf diesem Wege abgeschlossen und abgewickelt werden können.Bei analogem Handel kein WiderrufsrechtWer also als Händler eine Bestell-Hotline oder eine Online-Plattform nutzt, worüber man direkt Bestellungen auslösen kann, wird um die Anwendung der Fernabsatzvorschriften keinesfalls herumkommen. Wer jedoch dementgegen tatsächlich weitestgehend noch "analog" handelt und lediglich auf seiner Website Informationen über sein Unternehmen, seine Waren und Kontaktdaten ausweist - beweisbelastet hierfür ist allerdings der Händler -, unterfällt grundsätzlich nicht den Fernabsatzvorschriften. Er braucht dann auch einen Verbraucherkunden nicht über ein Widerrufsrecht zu belehren, weil diesem dann eben keines zusteht. Diese rechtliche Differenzierung ist vielen unbekannt. Wird dem Kunden "ohne Not" vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt, hat er dies natürlich dennoch.Mangels Vorliegens eines Fernabsatzvertrages ist eine Widerrufsbelehrung auch entbehrlich in Fällen, in denen der Händler beweisen kann, dass der Vertrag eben nicht definitionsgemäß unter "ausschließlicher" Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen worden ist, weil während der Vertragsanbahnung ausreichend persönliche Kontakte zwischen den Parteien stattgefunden haben, in welchen sich der Verbraucher über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert hat und der Vertrag dann in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit zustande gekommen ist. So, wenn der Verbraucher bei den Vertragsverhandlungen im Autohaus alle erforderlichen Informationen erhalten hat, sich zunächst nur noch nicht endgültig binden wollte und die Ware dann kurz darauf per E-Mail bestellt.Zugang von E-MailsZum Problem beim Fahrzeugverkauf per Onlinehandel kann werden, wenn der Zugang einer per E-Mail vom Händler an den Kunden (hier einerlei, ob Verbraucher oder Unternehmer) versandten Auftragsbestätigung streitig ist.Bekanntlich existieren in den üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Kfz-Handels, so auch in den handelsüblichen Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen (GWVB), bei Nutzung der üblichen Formulare "Verbindliche Bestellung" und "Auftragsbestätigung" Fristen, innerhalb welcher die Auftragsbestätigung für einen wirksamen Vertragsschluss beim Kunden zugegangen sein muss. Für den Zugang ist der Absender, also der Händler, gem. § 130 BGB beweisbelastet.Wann E-Mails als zugestellt geltenE-Mails gehen nach herrschender Rechtsprechung zu, wenn sie bei einem Empfänger, der im Rechtsverkehr mit seiner E-Mail-Adresse auftritt, in dessen Mailbox oder der seines Providers abrufbereit gespeichert sind, bei Eingang zur Unzeit (z. B. spät nachts) am folgenden Tag. Wie ist aber der Zugang beim Kunden beweisbar, wenn dieser behauptet, die E-Mail nicht oder nicht rechtzeitig erhalten zu haben?Nach einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 11.01.2022 (Az. 4 Sa 315/21) reicht es nicht, auf das Postausgangs- und Posteingangskonto zu verweisen, wonach die E-Mail verschickt worden und daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit eingegangen war. Hier kann sich der Absender nach Auffassung des LAG Köln - entgegen teilweise vertretener anderweitiger Ansicht - auch nicht auf einen sogenannten Anscheinsbeweis berufen.Lesebestätigung für E-Mails nutzenDas LAG Köln führt aus, dass die bloße nachgewiesene Absendung einer E-Mail den Zugang noch nicht ausreichend nahelegt. Es sei eben nicht gewiss, ob und wann eine E-Mail nach dem Versenden auf dem Empfängerserver eingeht. Wie auch beim Versenden durch einfache Post, sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht oder eben verspätet ankommt. Das LAG Köln weist darauf hin, dass der Versender ja, um sicher zu klären, ob und wann eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, die Möglichkeit hat, über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms eine Lesebestätigung anzufordern.K. Martin HakeRechtsanwalt, der sich seit bald 30 Jahren schwerpunktmäßig den Gebieten des Autoverkaufs-, Reparatur- und Unfallschadensrechts sowie dem Handelsrecht und auch Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen, ferner dem Recht des Forderungsmanagements im Kfz-Bereich widmet. Gemeinsam mit den Anwälten in seiner Kanzlei "Hake Rechtsanwälte" (kontakt@hake-rechtsanwaelte.de) ist er deutschlandweit bei der Beratung sowie außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung insbesondere von Kfz-Händlern und Werkstätten sowie Herstellern und Importeuren im Einsatz. Parallel betätigt sich der Spezialist für Autorecht als Autor von Fachbüchern, Fachbeiträgen in Zeitschriften sowie als Konzeptionist und Dozent u. a. für die zertifizierten Lehrgänge der Branche rund um das Thema Kfz-Recht. Seine Bücher "Rechtsfragen der Kfz-Werkstatt" (8. Auflage), "Rechtssicherheit beim Autoverkauf" und die Fibel "Forderungsmanagement im Autohaus" sind im Verlag Springer Fachmedien (Springer Science + Business Media) erhältlich.www.hake-rechtsanwaelte.de

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