AUTOHAUS Sommerakademie: Unter Druck

Chipmangel, neue Vertriebsformate, Fachkräftemangel und ein komplett neues Antriebssystem: Der Druck auf den Autohandel ist derzeit gewaltig. Ob er zur Bildung von Diamanten führt oder den Konsolidierungsprozess weiter beschleunigt, ist schwer vorherzusagen.Gemessen an den Widrigkeiten, mit denen die Branche derzeit zu kämpfen hat, ist die Sicht von Jürgen Stackmann (Direktor Future Mobility Lab, Uni St. Gallen und Lecturer HfWU Geislingen) überraschend klar: "Die Würfel sind gefallen", ordnete der ehemalige Top-Manager das Geschehen im Hinblick auf die Durchsetzungsfähigkeit der Elektromobilität ein - und überschritt damit gleich zu Beginn der AUTOHAUS SommerAkademie den Verbrenner-Rubikon.Händler müssen zusammenarbeitenMit dem Elektroauto drängen auch zahlreiche neue Wettbewerber aus Asien auf den Markt, die bei ihren ersten Schritten auf dem europäischen Markt noch primär auf den Online- und Direktvertrieb setzen. "Sie werden allerdings schnell merken, dass sie Hilfe brauchen", ist sich Stackmann sicher. Dass es durchaus möglich ist, mit den jungen asiatischen Marken zu kooperieren, hat nicht zuletzt die Frey-Gruppe mit ihrem neuen Partner Great Wall Motor unter Beweis gestellt. Auf die Hilfsbedürftigkeit der Asiaten zu setzen, reicht für den Handel jedoch nicht. Dieser müsse, so Stackmann, damit beginnen, zusammenzuarbeiten und Prozesse zu bündeln. Insbesondere im Zusammenhang mit dem aufkeimenden Agenturgeschäft gelte es, das eigene Leistungsportfolio auszubauen und in Daten- und Analytik-Kompetenzen sowie in den Service zu investieren. "Guter Service", ist sich der Experte sicher, "ist eine Keimzelle der Profitabilität" und damit eine der wenigen Möglichkeiten, sich im kommenden Agenturgeschäft zu profilieren.Markenneutrale E-Commerce-PlattformEine Möglichkeit, Prozesse zu bündeln, stellte Roman Still mit Alles.Auto, einer unabhängigen und digitalen Vertriebslösung als One-stop-Shop für Verkaufs- und Aftersales-Leistungen, vor. "Wenn man alles entwickeln will, kostet das einen Haufen Geld", brachte Still die Lage des Handels auf den Punkt. Der Ansatz des Augsburger Branchenriesen sei es daher, dem Handel eine Software zu bieten, "die alles kann", so Still.Einen spannenden Einblick in den Umgang mit anstehenden Projekten und den aktuellen Herausforderungen gab Stefanie Senger, geschäftsführende Gesellschafterin der Senger Gruppe, Rheine. Sie präsentierte "Learnings", welche das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1,6 Milliarden Euro "agil" halten und dafür sorgen, dass Projekte erfolgreich umgesetzt werden.Senger hat sich in diesem Zusammenhang an der Amazon-Methodik orientiert, indem sich vor Projektstart nun die Frage gestellt wird, welches Kundenproblem durch das Projekt ganz konkret gelöst werden soll. Ein überraschendes Ergebnis des innovativen Ansatzes: Probefahrten sind längst nicht so beliebt, wie es aus Sicht des Händlers scheint. Viele Kunde haben vor diesem Touchpoint vielmehr Angst, etwas kaputt zu machen oder die falschen Fragen zu stellen. Inzwischen startet das Unternehmen jedes seiner Projekte auf diese Art und Weise - mit Erfolg.In den darauffolgenden Workshops wurde es schließlich konkret. Prof. Stefan Reindl (Direktor Institut für Automobilwirtschaft) erarbeitete mit den Teilnehmern Geschäftsmodelle abseits der eigenen Herstellermarke. Zur Erweiterung des Produktportfolios stehe ein Füllhorn an Möglichkeiten zur Verfügung, so könne man als Händler ins Geschäft mit den Zweirädern einsteigen, den eigenen Fuhrpark um Freizeitfahrzeuge erweitern oder den Bereich Fahrzeugveredelung ins Auge fassen - um nur einige Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu nennen.Norbert Irsfeld widmete sich in seinem Workshop der Frage nach der richtigen Netz- und Standortstrategie. Gerade der Standort ist laut dem geschäftsführenden Gesellschafter der Prudentes Management GmbH "die DNA eines Unternehmens" und sollte daher eine entsprechende Rolle in den Plänen der Geschäftsführung spielen. Irsfeld brachte seinen Workshop-Teilnehmern diesen Gedanken ebenso näher wie einen Leitfaden, an dem man sich im Hinblick auf die Standortstrategie entlanghangeln könne, was wiederum bei der Entscheidung hinsichtlich der Standortstrategie weiterhilft. Dabei kamen die "Glaspaläste" so manchen Premiumherstellers nicht gut weg.Gemeinsam mit AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel ging Ralf Schütte, geschäftsführender Gesellschafter Trast digital GmbH, in seinem Workshop auf das Thema Digitalisierung ein. Zwar gebe es in diesem Bereich mittlerweile viele Systeme auf dem Markt und die Händler täten gut daran, "nicht alles selber zu machen", viele Systeme würden allerdings nicht richtig verstanden, was umgekehrt zu einer Überforderung des Teams führen könne. Und eben das gilt es zu vermeiden. Sein Rat: Möglichst das Papier aus dem Prozess herausnehmen, das sei ein zuverlässiger Prozesseffizienzhebel.Problem Mitarbeiter-RecruitingRobert Mehlan nahm sich mit seinem Workshop einer Problematik an, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren noch deutlich an Dynamik zunehmen wird: Mitarbeiter zu finden und langfristig an das Unternehmen zu binden. Der geschäftsführende Gesellschafter der Revenue Maker GmbH rät den Anwesenden daher dazu, die Personalsuche als Vertriebsprozess zu sehen: "Sie müssen Ihre Stellen verkaufen", erklärte Mehlan.In diesem Zusammenhang sei besonders wichtig, so der Experte, sich in die Lage des Bewerbers hineinzuversetzen. So merke man schnell, dass unterschiedliche Stellenanzeigen beispielsweise auch ein unterschiedliches, der Zielgruppe angepasstes Wording bräuchten. Für viele Arbeitnehmer sei, neben dem Gehalt und den Arbeitszeiten, auch die Unternehmenskultur ein wichtiges Kriterium, um sich auf eine Stelle zu bewerben. Mehlans Rat: Diesen "nicht kopierbaren Wettbewerbsvorteil" sollte man auf dem hart umkämpften Markt für sich nutzen.Worte der ZuversichtDen Ausklang des Akademie-Tages leitete schließlich Prof. Hannes Brachat ein, indem er die aktuelle Lage der Branche aus dem Blickwinkel seiner langjährigen Erfahrung beleuchtete. Wurde in den vorhergehenden Vorträgen und Workshops noch auf Probleme und deren Lösungsansätze verwiesen, folgten nun Worte der Hoffnung: "Solange die Welt nicht untergeht, dürfen Sie zuversichtlich sein", erklärte der AUTOHAUS-Herausgeber. Ziel aktueller Bestrebungen müsse es aber dennoch sein, vorbereitet zu sein - eben auch, wenn man die Situation noch nicht zur Gänze überblicken könne. Das Produkt Auto sieht Brachat dabei längst nicht am Ende, im Gegenteil: "Ihm steht eine gute Zukunft bevor."Mehr als ein AutohandelEinen der Höhepunkte der Veranstaltung lieferte am darauffolgenden Tag Mehrmarkenhändler Maik Siebrecht. Dieser zeigte, was mit einer gehörigen Portion Unternehmergeist in puncto Diversifikation möglich ist. Zu den mannigfachen Geschäftsmodellen von Siebrecht zählen nicht nur die Klassiker wie K&L-Zentrum, Teileverkauf, Tankstelle und Waschpark, sondern eine Vielzahl von Dienstleistungen. Auch Software veräußert Siebrecht mittlerweile.Einsatz, Reichweite und Chancen für den Handel im Umgang mit B2B-Börsen thematisierte der per Videochat zugeschaltete Prof. Stefan Rostek. Der Wissenschaftler stellte dem Plenum exklusiv die Ergebnisse einer von Manheim Express in Auftrag gegebenen Studie vor, die von Springer Automotive Media produziert wurde. "Wir liefern dem Automobilhandel damit transparente Entscheidungshilfen, auf welche Weise und gegebenenfalls mit welchen Partnern das B2B-Geschäft mit Gebrauchtwagen organisiert werden kann", erklärte Rostek.

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