IFA-Kongress: Viele Wege führen in die Zukunft

Wir können nicht die Welt retten. Aber wir sind mit unseren Fahrzeugen für ein Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich und da können wir was tun." Angesichts der anhaltenden Diskussion um den Klimaschutz und die von der EU vorgegebenen CO2-Grenzwerte, die erreicht werden müssen, stellten alle Herstellervertreter auf dem 20. Ifa-Branchengipfel am 9. Oktober in Nürtingen die Entwicklung in Sachen Elektromobilität in den Mittelpunkt. Am weitesten ging Volkswagen Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann, von dem das obige Zitat stammt. Zum wiederholten Mal bekräftigte er die Ausrichtung Volkswagens auf batterieelektrische Mobilität mit dem "zweiten Franchise" ID.Opel will flexibel bleibenAuch Opel-Chef Michael Lohscheller legte in seinem Vortrag den "klaren Fokus auf Profitabilität und CO2-Ziele". Für beides sei die Übernahme durch den PSA-Konzern "ein Glücksfall" gewesen. So sei es gelungen, nach 19 Jahren Verlusten, von 1999 bis 2017, bereits 2018 rund 859 Millionen Euro Gewinn zu schreiben, und im ersten Halbjahr 2019 liege Opel bereits bei 700 Millionen Euro Gewinn. Das schaffe Raum für eine Offensive mit neuen Fahrzeugen. Acht neue Modelle werde es in diesem und im nächsten Jahr geben. Bis 2020 werde der Konzern vier rein elektrische Modelle haben, bis 2024 sei das ganze Portfolio elektrifiziert. Anders als Volkswagen baut Opel aber zum Beispiel den neuen Corsa in Spanien in allen Antriebsvarianten - also Benzin, Diesel und Elektro - auf einer Linie. Lohscheller begründete diese Entscheidung damit, dass man nicht wisse, wie sich das Verhältnis der verschiedenen Antriebsformen entwickle und man so flexibel bleibe.Daimler plant ein NacheinanderDaimler-Chef Ola Källenius sprach von der "Ambition 2039". Sein Konzern setze in den nächsten fünf bis zehn Jahre auf batterieelektrische Fahrzeuge. Danach sieht er die Brennstoffzelle vor allem in den Lkws. Und: Sollten synthetische Kraftstoffe tatsächlich skalierbar und bezahlbar sein, könnte auch das eine Lösung sein. Insgesamt steuert aber auch Daimler die CO2-Neutralität an, und zwar in der gesamten Lieferkette. Und für die Lösung der Verkehrsprobleme setzt er auf den Dialog mit den Städten. Die angepeilten CO2-Ziele in 2020/2021 zu erreichen hält Källenius für "knackig". Ab 2022 folgende zeigte er sich aber zuversichtlich, dass die Marke das schafft.BMW sucht die BalanceAuch für BMW ist Klimaneutralität ein Muss. Vorstandsmitglied Peter Schwarzenbauer lieferte den breitesten Ansatz, in dem er darlegte, dass BMW aus sämtlichen Studien und Experteninterviews ein Trend-Cluster destilliere. In Bezug auf Mobilität zog er folgende Schlussfolgerung daraus: "Die Nachfrage nach Mobilität nimmt noch weiter zu." Deswegen müsse eine Balance zwischen den verschiedenen Interessen gefunden werden.Politisches UmfeldIn welchem politischen Umfeld das Ganze stattfindet, machte der Leiter der Abteilung "Nachhaltige Mobilität" im Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg deutlich: Wir brauchen doppelt so viel Personennahverkehr, jedes dritte Auto im Bestand muss klimaneutral sein, ein Drittel weniger Autos in den Städten, jeder zweite Weg muss zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden und jede dritte Tonne muss klimaneutral transportiert werden. Das waren die fünf Punkte, mit denen Christoph Erdmenger die Klimaziele der Landesregierung Baden-Württembergs erklärte. Die genannten Maßnahmen seien nötig, um das Klimaziel 40 Prozent weniger CO2 bis 2030 erreichen zu können.Andere MarktteilnehmerUnd natürlich kamen auch andere Marktteilnehmer zu Wort: Caroobi, Carwow und Cluno vertraten die Möglichkeiten von Werkstatt- und Neuwagenportalen und Autoabos. Besonders erfrischend war Günther Schuh. Der Professor aus Aachen warb einmal mehr für seinen Kleinwagen e.Go, fand aber auch deutliche Worte in Richtung Carsharing und Uber. Beides sei unsinnig, weil es nicht zu weniger Verkehr führe. Die richtige Antwort auf die Mobilitätsherausforderungen sei Ridesharing, so Schuh, also mehrere Personen mit einem Fahrzeug zu transportieren.Wo bleibt der Handel?Für den Handel setzt Stackmann auf die Ausweitung des Agenturgeschäfts. Der Handel müsse andere Aufgaben übernehmen, aber die gleiche Marge erhalten - egal ob online oder offline verkauft wird. Da im Handel immer weniger zu verdienen sei, müsse der Ertrag über die zunehmende Kundenbindung kommen. Dafür müssten Händler und Hersteller die Fahrzeuge länger im eigenen Netz halten.Die Diskussion zwischen den "Jungen Wilden" aus dem Handel - Franz Hirtreiter, Vorsitzender der Geschäftsführung AVP Autoland, Lorenz Leuchtenberger, Geschäftsführer Stadac, und Christoph Peckruhn, Vertriebsleiter Autohaus Liebe Gruppe und ZDK-Präsident Jürgen Karpinski zeigte auf, dass auch im Handel vieles möglich ist. Der 29-jährige Peckruhn, Sohn des ZDK-Vizepräsidenten Thomas Peckruhn, setzt für die Autohäuser der Gruppe auf ein passgenaues Leitbild, Bewertungssysteme und hohe Achtung und Respekt für den Menschen und legt besonderen Wert darauf, dass der Kunde im Mittelpunkt steht. Mit dieser Strategie gehörte das Familienunternehmen zu den am schnellsten wachsenden in der Branche.Franz Hirtreiter plädierte dafür, dass man auch mal etwas ausprobieren müsse. Die Kunden wünschten, dass alles leichter und intuitiver gehe. Dafür arbeite seine Gruppe auch mit Start-ups zusammen.ZDK-Präsident Jürgen Karpinski sagte: "Kein Händler wird sich der Zukunft verweigern, aber wir brauchen klare Spielregeln." Es müsse verhindert werden, dass der Handel nur noch Erfüllungsgehilfe des Herstellers ist. Mit Blick auf die Elektromobilität beklagte er, dass der Handel genötigt werde, Ladeinfrastruktur aufzubauen. Das sei doch eigentlich eine Aufgabe der Energieversorger. Besorgt äußerte er sich auch zu dem Thema, was mit den fünf Jahre alten Elektroautos, die dann irgendwann zurückkämen, passieren solle. Die hätten dann eine völlig veraltete Technik, kürzere Reichweiten als modernere Fahrzeuge und kein Kunde wolle sie mehr haben.Nicht vor dem KollapsIfA-Chef Stefan Reindl hatte die Frage nach den Zukunftskonzepten der Konzerne in den Mittelpunkt der Tagung mit mehr als 600 Gästen gestellt. Sind Elektroautos und vernetzte Mobilität tatsächlich in der Lage, die Zukunft einer Branche zu sichern, der zudem zunehmend Skepsis entgegenschlage?Was den Umbruch zusätzlich erschwere, sei die unsichere Lage in der Welt, betonte der Autoprofessor. Er verwies auf weltweit schwächelnde Märkte, Zolldrohungen und den Brexit - das seien "Schlüsselentscheidungen" für die Branche. Dass die Hersteller derzeit ausgesprochen vorsichtig agierten und alles auf den Prüfstand stellten, hält Reindl für die einzig richtige Option. Gleichwohl dürfe man nicht alles schlechtreden. "Wir stehen nicht unmittelbar vor dem Kollaps", sagte er. Gerade werde eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen. Ob die alle auch richtig seien, werde man allerdings wohl erst in einigen Jahren wissen.KurzfassungDie Hersteller schlagen auf ihrem Weg in die Zukunft verschiedene Wege ein und auch im Handel gibt es verschiedene Ansätze. Weitere Marktteilnehmer versuchen, sich zu positionieren. Was erfolgreich ist, wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen.

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