Carsharing: Wachsender Markt mit Tücken

Die Zahl der Carsharing-Kunden in Deutschland ist im Verlauf des vergangenen Jahres auf 2,46 Millionen angestiegen. Das sind 350.000 mehr als im Vorjahr. 20.200 Carsharing-Fahrzeuge waren zu Beginn 2019 für sie verfügbar, 2.250 mehr als im Vorjahr. Das berichtet der Bundesverband Carsharing e.V. (bcs). Fahrzeug- und Benutzerzahlen wachsen also, nur mit der Rentabilität der Angebote sieht es derzeit noch sehr überschaubar aus. Kritiker behaupten, dass zum Beispiel mit DriveNow, dem Angebot, das BMW mit Sixt aufgelegt hatte, und Car2Go von Daimler - einst in Zusammenarbeit mit Europcar gegründet - noch nie Geld verdient wurde. Auf die Frage nach der Rentabilität reagiert die Sprecherin von Share Now, wie das gemeinsame Angebot von BMW und Daimler nach dem Ausstieg der Vermietfirmen und dem Zusammenschluss heißt, auch aktuell verhalten: "Während der vergangenen Jahre haben sowohl Car2Go als auch DriveNow massiv in Wachstum investiert, der strategische Fokus lag weltweit auf dem Zugewinn von Marktanteilen. Beide Firmen haben bereits gezeigt, dass das Geschäftsmodell auf lokaler Ebene rentabel und erfolgreich umsetzbar ist. Aktuell sind wir auf einem sehr guten Weg, das Geschäftsmodell weiter zu optimieren und zu stabilisieren." Eine Erfolgsmeldung klingt anders. Auch andere Anbieter sind bei der Nachfrage nach Zahlen sehr zurückhaltend und weichen aus.Einige schon wieder ausgestiegenCitroen hat sein Carsharing-Angebot in Berlin schon wieder eingestellt. Auch die Volkswagen AG hat ihr eigenes, stationsbasiertes Carsharing im März 2016 wieder eingestellt, startet jetzt aber neu mit Elektrofahrzeugen in Berlin. Bei Mazda wurden einzelne Carsharing-Standorte bei Händlern aufgrund zu geringer Nachfrage wieder aus dem Angebot genommen. Die Händler waren ohnehin nur freiwillig als "Servicepaten" integriert und erhielten dafür eine nach AUTOHAUS Informationen höchst überschaubare Pauschale von 80 Euro monatlich pro Fahrzeug.Mehr stationsbasiertes CarsharingGewinner im Carsharing-Markt mit 21,5 Prozent plus gegenüber Vorjahr sind vor allem stationsbasierte Angebote, hierzulande an 740 Orten verfügbar. Bei denen holt der Nutzer das Auto an einer Stelle ab und gibt es dort auch wieder zurück. 11.200 Fahrzeuge stehen zur Verfügung. Der größte Player in diesem Markt ist die Plattform Flinkster. Das Bahn-Angebot ist in über 400 Städten an mehr als 2.500 Stationen vertreten. Im Free-Floating-Carsharing, das in 18 deutschen Städten angeboten wird, lässt das Kunden-Wachstum nach und beträgt "nur" 14,9 Prozent. Beim Free-Floating-Angebot stehen die Autos irgendwo in der Stadt frei geparkt. Nutzer orten und buchen sie über das Smartphone. Nach der Fahrt stellen sie den Wagen irgendwo innerhalb des Nutzungsgebiets ab. 9.000 Fahrzeuge waren in diesem Bereich Anfang 2019 eingesetzt.Weitergehende AngeboteMittlerweile gibt es aber noch einen Trend, der über die beiden oben genannten Carsharing-Angebote hinausgeht: Mobilitäts-Plattformen. So hat zum Beispiel Sixt nach dem Ausstieg bei DriveNow nun in München ein neues Eisen im Feuer: Wer ein Auto ausleiht, kann dieses auch außerhalb des Geschäftsgebietes zurückgeben, sofern es dort eine Sixt-Dependance gibt. In der Sixt-App lassen sich auch klassische Mietautos ausleihen und Taxis rufen. Auch E-Scooter sollen künftig buchbar sein.Städte sind belegtIn den Städten haben die Carsharing-Angebote der großen Anbieter schon jetzt eine Monopolstellung: Share Now betreibt aktuell eine Flotte von 7.400 Fahrzeugen in Stuttgart, Frankfurt, München, Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin. 1,8 Millionen Kunden sind registriert. Das sind drei Viertel aller Carsharing-Kunden. Laut bcs gibt es denn auch nur wenige Lücken bei der Versorgung in Großstädten: "Kleine oder neu entstehende Carsharing-Angebote ohne starken Finanzrückhalt haben hier erfahrungsgemäß nur geringe Entwicklungschancen." In welchen Dimensionen hier gespielt wird, zeigt das Berliner Angebot von Volkswagen "WeShare": Dort stehen derzeit 1.500 e-Golf zur Verfügung. Zum Jahresende kommen 500 e-Up dazu.Chancen auf dem LandJe weniger Einwohner die Städte und Gemeinden haben, desto größer werden die Angebotslücken im Carsharing-Markt. Gleichzeitig nimmt aber auch die Dichte der potenziell Interessierten ab. Deswegen will gut überlegt sein, wo ein Carsharing-Angebot Sinn macht. Denn viele Studien nennen hohe Zahlen, wenn es um das Kundeninteresse geht. Die tatsächlichen Zahlen des bcs sind aber sehr viel bescheidener. In Vaterstetten zum Beispiel, einer Gemeinde im Speckgürtel von München, nutzen 650 Fahrberechtigte die 20 Carsharing-Autos des örtlichen Anbieters. Das sind 3,5 Prozent der Einwohner der Gemeinde im führerscheinfähigen Alter. Der Verband warnt ausdrücklich davor, Interesse an Carsharing mit potenzieller Nutzung zu verwechseln.SonderkonditionenDer bcs (www.carsharing.de), der seinen Mitgliedern über Rahmenabkommen auch Vergünstigungen und Rabatte, unter anderem für den Kauf von Fahrzeugen, für Kfz-Versicherungen und Tankkarten anbietet, berät auch. Wobei auch einige Autohersteller und Banken mittlerweile ihren Partnern sowohl Plattformen für Buchung und Abwicklung als auch Sonderkonditionen für Carsharing-Fahrzeuge anbieten. Genannt werden sollen hier nur Choice, Drive, Ford und Santander Consumer Bank. Auf den nächsten Seiten zeigen wir Beispiele von erfolgreichen Anwendern.Ankermieter ansprechenDer bcs rät beim Neustart von Carsharing-Angeboten von vornherein potenzielle Ankermieter anzusprechen. Darunter sollte die Stadt- oder Gemeindeverwaltung sein, deren Beteiligung zusätzlich Vorteile für die Außenwahrnehmung und Wertschätzung des neuen Angebots mit sich bringt. Unternehmen, Verwaltungen, Kanzleien, Agenturen usw., deren Mitarbeiter Dienstfahrten während der Arbeitszeit machen, können auch dankbare Nutzer sein. Die Städte und Gemeinden können außerdem bei der Ausweisung der Parkplätze helfen. Zwar ist schon seit 2017 ein Bundesgesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing (CsgG) verabschiedet. Detaillierte Verwaltungsvorschriften gibt es aber noch nicht. Deswegen sind wohlwollende Städte und Gemeinden wichtig.Break-EvenWann der Break-Even beim Carsharing eintritt, hängt natürlich von der Kostensituation ab. Harald Theyssen, Geschäftsführer der Ford Händler Dienstleistungsgesellschaft FHD, die das am weitesten entwickelte Ford-Händler-Carsharing anbietet, sagt, dass ab einer Auslastung der Fahrzeuge von rund 24 Prozent schwarze Zahlen geschrieben würden. Wie Sie auf den nächsten Seiten nachlesen können, gelingt das einigen Ford Partnern.Mindestens zwei JahreDeutlich wurde in den Gesprächen aber auch: Wer nur mal kurz Carsharing ausprobieren möchte, sollte besser die Finger davon lassen. Die Anlaufzeiten, bis Geld verdient werden kann, wurden von allen unseren Interviewpartnern mit mindestens zwei Jahren veranschlagt. Außerdem ist eine gehörige Portion Enthusiasmus nötig. "Man muss das wollen", brachte es einer auf den Punkt.Kommentar"Man muss das wollen"Neue Mobilitätsformen sind in aller Munde. Einige Autohersteller sind hier schon länger aktiv, andere haben ihr Engagement schon wieder eingestellt. Fest steht: Wer mit Carsharing Geld verdienen will, braucht einen langen Atem. Mindestens zwei Jahre sollte man einem Angebot geben, um sich zu entwickeln. Sogar der Bundesverband Carsharing warnt davor, Interesse, das viele Bewohner in Umfragen kundtun, mit potenzieller Nutzung zu verwechseln: Nicht jeder, der sagt, er findet Carsharing gut, steigt dann auch in solch ein Auto ein. Empfehlenswert ist auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit der Buchungsplattform der Bahn. Flinkster.de kann jeder Bahncard-Inhaber kostenlos nutzen. Carsharing macht im Verbund mit öffentlichem Fern- und Nahverkehr am meisten Sinn: Die langen Strecken mit dem Zug zurücklegen und dann am Bahnhof in ein Auto umsteigen, um sein Ziel zu erreichen. Auch in den Gemeinden gibt es Chancen, vor allem wenn man die Verwaltung oder ein Gewerbeunternehmen mit ins Boot nimmt. Aber einfach Autos hinstellen und warten, was passiert, wird nicht funktionieren.Doris Plate

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