Ausgabe 19/2011: Wunsch und Wirklichkeit

Wunsch und WirklichkeitElektromobilität E Medien und Politik stürzen sich im Rahmen der IAA auf das Thema. Aber was hat das mit der Realität zu tun? Von Doris PlateZukunft serienmäßig“ war das Motto der diesjährigen IAA. Medien und Politik wollten dabei vor allem Elektrofahrzeuge sehen. Der Verband der (deutschen) Automobilindustrie (VDA), der die Messe veranstaltet, hatte dem Thema eine eigene Halle gewidmet. Außerdem beschäftigte sich ein Kongress in der zweiten IAA-Woche mit den Stromern. Aber gerade hier zeigte sich, dass die deutsche Automobilindustrie bei der Elektromobilität noch einen weiten Weg vor sich hat.VDA-Präsident Matthias Wissmann machte gleich eingangs deutlich, dass die deutschen Hersteller in den nächsten drei bis vier Jahren 17 Milliarden Euro in alternative Antriebe investieren werden. Und das, obwohl sie erwarten, in 2020 nur fünf Prozent ihres Umsatzes damit zu machen. Warum? – „Elektrofahrzeuge werden noch viele Jahre mehr kosten als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor“, so Wissmann. Der Preis ist ein Problem, das von allen Teilnehmern gesehen wurde. Derzeit gibt es kein Elektroauto der etablierten Anbieter unter 35.000 Euro. Laut Bernd Bohr, Chef der Automobilsparte von Bosch, wird sich das auch mittelfristig nicht ändern: „2020 wird ein E-Mobil immer noch 40 Prozent teurer sein als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor.“ Der Zulieferer forderte Standardisierungen, um Skaleneffekte zu bekommen, und sieht dieses Jahrzehnt deshalb noch im Zeichen der Vorbereitung der Elektrifizierung. Erst 2020 bis 2030 ist seiner Meinung nach der Strukturumbruch möglich.Volumenhersteller wenig flexibelDas wurde auch bei den Vorträgen der Volumenhersteller wie Volkswagen und Opel deutlich. Von Standardisierung über die Branche hinweg war hier nicht die Rede. So meinte Uwe Winter, Chefentwickler des Opel Ampera, vor allem durch Synergien zu bestehenden Infrastrukturen des Rüsselsheimer Herstellers Serienkosten für Elektrofahrzeuge senken zu können. Auch Volkswagen nutzt aus Kostengründen erst einmal vorhandene Plattformen. Weil die daraus resultierenden Platzprobleme in den verschiedenen Fahrzeugen unterschiedliche Formen erfordern, gebe es bei Volkswagen noch nicht einmal innerhalb der Marke eine einheitliche Batterie, berichtete Dr. Rudolf Krebs, der bei Volkswagen für Elektroantriebe zuständig ist. Keine VerzichtautosDie Probleme der deutschen Premiumhersteller sprachen Dr. Klaus Dräger von BMW und Prof. Dr. Thomas Weber von Mercedes-Benz an. Beide arbeiten derzeit hauptsächlich an der Senkung des Flottenverbrauchs, was bei BMW kurz- und mittelfristig „Efficient Dynamics“ und bei Mercedes „Blue Efficiency“ heißt. Klar arbeitet BMW auch an E-Fahrzeugen, legt hier besonderen Wert auf Design und stellte mit dem i3 ein Fahrzeug vor, das 2013 in den Markt kommen soll. 2014 soll der i8 folgen. Aber Dräger warnte vor übertriebenen Erwartungen an Elektrofahrzeuge: „Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch wirtschaftlich umsetzbar.“ Mercedes-Mann Weber hält nichts von „Spar- und Verzichtsautos“. Die Basis muss effizient sein, und dann muss Faszination und Performance hinzukommen, um ein „zukunftsfähiges Schweben“ zu ermöglichen, skizzierte er seine Vorstellung. Wie das aussehen könnte, zeigte das Brennstoffzellenfahrzeug F 125 auf der Messe. Fast ein bisschen esoterischAber das ist Zukunftsmusik. Wie die Realität aussieht, war in Halle 4 auf der IAA zu sehen. Die war, wie E.ON-Manager Prof. Dr. Klaus-Dieter Maubach es ausdrückte, „fast ein bisschen esoterisch“. Was dort gezeigt würde, erinnere ihn an den Messeauftritt der Windkrafthersteller auf der Hannover Messe vor zehn, fünfzehn Jahren. Und tatsächlich war da einiges zu sehen, was mit Serienreife gar nichts zu hatte. Und selbst die Auftritte der Fahrzeughersteller mit bereits vorhandenen Modellen hatte wenig von dem Glamour, der in den „normalen“ Hallen versprüht wurde. Der Mann aus dem Energiekonzern sprach aber ein weiteres Problem an, das erst noch gelöst werden muss: die Stromversorgung für die Elektroautos. Für Maubach sind „substantielle“ Investitionen in die Netztechnik notwendig, um die zukünftig dezentrale Stromerzeugung durch viele kleine Windkraft- und Solaranlagen so zusammenzufassen, dass der Strom auch dort zur Verfügung gestellt werden kann, wo er gebraucht wird. Speicher auf RädernDie eine Million Elektrofahrzeuge, die die Bundesregierung in 2020 auf deutschen Straßen erwartet, könnten aber als Speicher auf Rädern eine enorme Bedeutung erlangen und zu Zeiten, in denen viel Strom erzeugt werde, vielleicht sogar kostenfrei betankt werden, um den Strom später wieder abzugeben.Von einer öffentlichen Ladeinfrastruktur hielt Maubach indes gar nichts. Es würde schwer werden, Investoren dafür zu finden, weil die Kosten von 7.000 Euro pro Anschluss nie wieder hereingeholt werden könnten. Erfahrungen aus den ersten Modellversuchen würden zeigen, dass die Kunden ihre Autos zu Hause oder am Arbeitsplatz laden und nicht irgendwo unterwegs. Auch Argumente, dass dies mit der Länge der Ladezeit zusammenhinge, ließ Maubach nicht gelten: Wenn die Ladezeit kürzer würde, würden die Stationen so viel mehr kosten, dass viel mehr Fahrzeuge an die Ladesäulen kommen müssten, die es wiederum nicht gäbe.Carbon wird billigerWas der Elektromobilität allerdings auf die Sprünge helfen könnte, wäre der Leichtbau. Nach BMW setzen nun auch Audi und Mercedes verstärkt auf Carbonfasern. Und hier wird sich kostenmäßig gewaltig etwas tun: „Bis 2020 werden die Kosten für ein Kilo Kohlefasern auf 20 Euro sinken“, prognostizierte SGL Carbon-Vorstand Gerd Wingefeld. Zum Vergleich: 1970 betrug der Preis noch 500 Euro je Kilo. Aber auch der Leichtbau ist nicht unproblematisch: Professor Paolo Tumminelli forderte in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung für diese leichtgewichtigen Fahrzeuge eine eigene Fahrspur. Begründung: Libellen und Elefanten könnten nicht auf derselben Spur fahren.Dieser Punkt spielt in der Diskussion bis jetzt aber noch keine Rolle. Der Wille der Bundesregierung, Deutschland zum Leitanbieter und Leitmarkt bei E-Mobilität zu machen, bezieht sich derzeit eher auf Forschung und Entwicklung, wie Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer auf dem Kongress erläuterte. MitnahmeeffektFür den Kunden wird es nach seiner Aussage beim Kauf von Elektrofahrzeugen nur Vorteile beim Parken und einen Entfall der Kfz-Steuer für zehn Jahre geben. Kaufanreizen erteilte er eine klare Absage und erklärte das damit, dass zum Beispiel das französische Förderungssystem, das Autos, die unter 120 g CO2 pro Kilometer ausstoßen, mit einem Bonus versieht, und solche, die darüber liegen, mit einem Malus, für Deutschland mit seinen großen Autos nicht geeignet sei.Die ausländischen Anbietern, wie Mitsubishi, Citroen, Peugeot und Renault, die hierzulande bereits Elektroautos anbieten, müssen deswegen ohne öffentliche Förderung zurechtkommen. Trotzdem hat zum Beispiel der in Berlin ansässige Mitsubishi-Händler schon zehn i-MiEV verkauft. Auch an Privatleute, die sich das leisten können und wollen. Und auch wenn das noch wenig ist, wollen viele Händler anderer Marken so schnell wie möglich Elektroautos auf dem Hof haben. Denn die Kunden fragen danach. Auf der IAA haben zum Beispiel alleine 1.150 Probefahrten mit dem smart fortwo electric drive stattgefunden. Und wenn die Kunden wegen des hohen Preises oder nicht ausreichender Reichweite dann doch kein Elektroauto kaufen, nehmen sie vielleicht ein anderes schönes Auto mit, das daneben steht. Aber Hauptsache, sie kommen erst einmal. zKurzfassungDie Elektromobilität steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Was fehlt, sind die Standardisierung bei den Batterien, die ausreichend saubere Energie am richtigen Platz und die Kunden, die bereit sind, für das, was aktuell geboten wird, die derzeit aufgerufenen Preise zu bezahlen. Nachfrage gibt es aber schon, deshalb wollen die Händler die Fahrzeuge haben – auch wenn sie dann etwas anderes verkaufen.

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